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Politik

Winterhilfe für Obdachlose

Sabrina Pabst
7. Dezember 2016

Die sinkenden Temperaturen machen den Winter für Obdachlose lebensbedrohlich. Viele übernachten weiterhin draußen. Großstädte bieten Notunterkünfte - aber viele Betroffene brauchen umfassende Hilfe.

Obdachlosigkeit in Bonn
Bild: DW/S.Amri

Das Thermometer steigt tagsüber nicht über null Grad, Schneefälle gesellen sich zu Dauerfrost - und immer noch gibt es Menschen, die "Platte machen": Obdachlose, die auf der Straße schlafen, in Hauseingängen oder unter Brücken. Ihnen drohen Erfrierungen, Unterkühlung oder schlimmstenfalls der Kältetod. Die Kommunen bemühen sich, das zu verhindern. In Frankfurt am Main oder Köln beispielsweise versorgen ehrenamtliche Helfer Obdachlose nachts mit heißen Getränken und Suppen, Isomatten oder Schlafsäcken.

Herzenswärme und Nächstenliebe

Arzu Mischkoff ist mit dem Kältebus in Köln unterwegs. Zweimal in der Woche bringen sie und ihre Helfer den Obdachlosen Lebensmittel - "und Nächstenliebe". "Wir wollen Momente der Begegnung schaffen", erzählt Arzu Mischkoff. "Kommunikation ist ein Grundbedürfnis wie essen und trinken. Und beim Essen redet man miteinander." Ihr Verein "Freunde der Kölner Straßen und ihrer Bewohner" begann 2014 als Bollerwagen-Rundgang - mittlerweile ist aus ihm eine fast professionellen Versorgung erwachsen.

"Ehrenamtliches Engagement zeigt, dass es Herzenswärme gibt und obdachlose Menschen nicht aus dem Auge verloren werden", sagt Rainer Best vom Sozialdienst katholischer Männer (SKM). Best ist beim SKM für die Unterbringung obdachloser Männer und Frauen zuständig. Sie finden dort nicht nur Schutz vor der winterlichen Witterung, sondern das ganze Jahr über persönliche Gespräche und Beratung. "Es gibt Menschen, die noch nicht in der Lage sind, Hilfe anzunehmen. Andere lehnen sie ab", weiß er aus seiner täglichen Arbeit. Die ehrenamtliche Hilfe reiche da oft nicht aus.

Notunterkünfte und 24-Stunden-Hotline

Das betont auch Dirk Schumacher, Leiter der Fachstelle Wohnen und Reso-Dienste der Stadt Köln. Besondere soziale Schwierigkeiten seien häufig der Grund, warum manche Menschen auf der Straße blieben, erklärt er. Wohnungslosigkeit gehe oft Hand in Hand mit psychischen Krankheiten oder Sucht. Viele Betroffene "können sich nicht in Gesellschaften integrieren oder fliehen daraus". Nur wenige von ihnen nehmen die Notunterkünfte an frostigen Tagen und Nächten regelmäßig in Anspruch - der Verzicht auf Alkohol fällt einigen für die Zeit der Unterbringung schwer. 

Auf den Straßen unterwegs: Mitarbeiter der Kältehilfe der Caritas informieren Obdachlose über SchlafplätzeBild: picture alliance/dpa

Schätzungsweise 200 Menschen sollen in Köln dauerhaft auf der Straße leben. Deswegen organisiert die Stadt in den Wintermonaten regelmäßig sogenannte Kältegänge. Dabei suchen Sozialarbeiter die Obdachlosen an ihren üblichen Plätzen auf, um sie anzusprechen und über Notunterkünfte zu informieren. Jedes Jahr werden in den Wintermonaten zusätzliche Notschlafplätze eingerichtet. "Den Menschen ist nicht geholfen, wenn sie mal eine Suppe oder eine dickere Jacke bekommen", findet Schumacher. "Wir wollen den Menschen langfristig helfen und sie beraten." 

Neben den zusätzlichen Schlafplätzen in Notunterkünften und den Kältegängen schaltet die Stadt Köln auch eine 24-Stunden-Hotline, bei der sich Passanten melden können, wenn sie Menschen bemerken, die bei Minustemperaturen im Freien schlafen.

Genaue Zahlen fehlen

In diesem Winter steigt der Bedarf an Notunterkünften, heißt es bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W). "Wir gehen derzeit davon aus, dass wir mehr Kapazitäten brauchen", sagt Thomas Specht, Geschäftsführer der BAG W. Seit 2009 sei die Zahl der Menschen ohne Wohnung jedes Jahr gestiegen. Dennoch gibt es beispielsweise in Berlin weniger Schlafplätze für Obdachlose als noch im vergangenen Winter, meldet die Kältehilfe.

Wie viele Menschen genau in Deutschland auf der Straße leben, ist unklar. Eine exakte Wohnungslosenstatistik erhebt die Bundesregierung nicht. "Die Obdachlosen, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben, sind bundesweit geschätzt 40.000, Tendenz steigend", schätzt Specht. "Und das ist nur der kleinere, aber sichtbare Teil derer, die sich keine Wohnung leisten können."

Spitze des Eisbergs

Als obdachlos gelten Menschen, die keine Unterkunft oder keinen festen Wohnsitz haben und deswegen in Wärmestuben oder anderen Noteinrichtungen übernachten. Als wohnungslos gelten Personen, die ohne Mietvertrag beispielsweise in Notunterkünften, Asylen oder Übergangseinrichtungen untergebracht sind. Im Jahr 2014 waren das nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft etwa 335.000 Menschen, meistens alleinstehende Männer. Bis zum Jahr 2015 rechnet die BAG W mit über 500.000 Betroffenen. 

Im Winter öffnen manche Kommunen ihre U-Bahnhöfe für Obdachlose - hier in FrankfurtBild: picture alliance/dpa/A. Arnold

Auch die Obdachlosenhilfe in Frankfurt ist breit aufgestellt - ungeachtet der oft geäußerten Befürchtung, die Versorgung von Flüchtlingen könnte Menschen in Vergessenheit geraten lassen, die ebenfalls Hilfen brauchen. Daniela Birkenfeld, Stadträtin in Frankfurt am Main, erklärt: "Die freien Träger und die Stadt werden die Winteraktion für obdachlos lebende Menschen mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Professionalität durchziehen wie in den Vorjahren." Wie auch in anderen Großstädten sei der Anteil an Osteuropäern, besonders Rumänen und Bulgaren, auch in Frankfurt groß. Sie nutzten oft die in der EU geltende Freizügigkeit, fänden keine Arbeit, folglich keine Wohnung und wollten nicht in ihre Heimat zurückkehren, sagt Manuela Skotnik, Referentin für Flüchtlingshilfe in Frankfurt.

Mehr sozialer Abstieg

Auch zwei Drittel der Schlafstätten, die Rainer Best in Köln betreut, werden von Personen aus Osteuropa genutzt. Menschen, die aus sehr armen Regionen stammen "und sich das Leben in Deutschland anders vorgestellt haben", sagt Best. Sein großes Anliegen ist, das ganze Jahr über Notunterkünfte anbieten zu können und sie im Winter aufzustocken.

Außerdem beobachtet er mit Sorge, dass der Mittelstand zunehmend verarme. Viele Menschen seien bereits vom sozialen Absturz bedroht. Ähnliches beobachtet auch BAG W-Geschäftsführer Thomas Specht. "Wir haben die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich. Wir haben einen strukturellen Rückgang der Mietzahlungsfähigkeit in den untersten Einkommensschichten." Der vor allem in Großstädten immer knapper werdende Wohnraum lasse die Mietpreise steigen - und "immer mehr Menschen verlieren ihren Wohnraum".

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