Diskriminierung - Beenden Unternehmen Diversity-Programme?
26. Mai 2025
Ist das Thema Diversität (diversity) am Ende, weil Donald Trump das so will? Einige namhafte US-Konzerne wie die Facebook-Mutter Meta und der Google-Konzern Alphabet, der Autobauer Ford und die Kaffeehauskette Starbucks haben ihre Diversitätsprogramm bereits runtergefahren.
Auch verschiedene Firmen in europäischen Ländern, die Geschäfte mit den USA machen, wurden aufgefordert, auf einem Fragebogen zu bestätigen, dass sie sich nicht weiter für Diversität, Gleichstellung und Inklusion (diversity, equitiy and inclusion, kurz DEI) engagieren.
In Deutschland sind erste Unternehmen eingeknickt. So haben VW und die Deutsche Telekom ihre Diversitätsprogramme in den USA reduziert oder eingestellt. Der Softwarekonzern SAP hat sich von der Frauenquote in Deutschland verabschiedet.
Viele deutsche Unternehmen bemühen sich weiterhin um Diversity
Nur Einzelfälle? In Deutschland machte Ende April eine Schnellumfrage der "Charta der Vielfalt" Hoffnung. Sie ist Deutschlands größte Arbeitgebendeninitiative zur Förderung von Vielfalt in der Arbeitswelt, die von mehr als 6000 Unternehmen und Institutionen unterzeichnet wurde. Von den 100 befragten Organisationen und Unternehmen gaben 90 Prozent an, ihre DEI-Programme unverändert beibehalten zu wollen.
"Wir haben eine Liste mit über 800 Unternehmen, die die Charta unterzeichnen wollen", sagt Cawa Younosi, Geschäftsführer der Charta. Das sei ein Rekord. Auch beim Deutschen Diversity Tag hätten sich ähnlich viele Unternehmen auf dem linkedin-Kanal registriert. "Also man sieht, wenn man die großen Namen mal beiseite lässt, ist schon eine "jetzt-erst-recht"-Stimmung bemerkbar in Deutschland."
Laut der Nachrichtenagentur dpa geben einige große Unternehmen wie BMW oder Henkel an, sie würden die Situation genau beobachten. Von Siemens heißt es beispielsweise, es gebe zurzeit "keine Notwendigkeit zur Veränderung unserer Bemühungen hinsichtlich vielfältiger Teams und eines inklusiven Arbeitsumfelds aufgrund der aktuellen Entwicklungen".
Andere, wie die britische Kosmetikkette Lush geben sich offen kämpferisch. "Lush beugt sich diesem Druck nicht - im Gegenteil. Wir verstehen ihn als Ansporn, unsere Haltung noch entschlossener sichtbar zu machen", heißt es von dem Unternehmen auf Nachfrage. "DEI steht im Zentrum unserer Unternehmensidentität."
Auch Cawa Younosi berichtet, ihm sei von mehreren Vorständen gesagt worden, sie rechneten eher damit, dass das US-Geschäft darunter leiden könnte, dass ihr Unternehmen ein europäisches sei, als darunter, dass sie DEI- Programmen fortführten.
Finden sich in US-Unternehmen noch DEI Programme?
Auch in den USA gibt es Unternehmen, die bislang ein Fels in der Brandung bleiben. So setzt sich Apple weiterhin für eine diverse vielfältige Firmenkultur ein. "Because we're not all the same. And that remains one of our greatest strengths,” heißt es auf der Internetseite. ("Weil wir nicht alle gleich sind. Und das bleibt eine unserer größten Stärken"). Auf der Hauptversammlung hatten fast alle Anteilseigner dafür gestimmt. Auch Microsoft und Costco bekennen sich weiterhin zu DEI Programmen.
Und es seien mehr, als man denkt, meint Younosi von der "Charta für Vielfalt": "Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen in den USA, also rund 75 Prozent, haben ihre Diversitätsbemühungen nicht geändert."
Guckt man allerdings auf die großen US-Unternehmen, sieht das Bild nicht rosig aus. Laut einem Bericht der Financial Times im Märzhaben von den 400 größten Unternehmen im S&P 500-Index 90 Prozent, die seit der Wahl Trumps einen Jahresbericht vorgelegt haben, einige Verweise auf DEI gestrichen. Viele haben den Begriff auch ganz weggelassen. Stattdessen betonen sie "Inklusion" oder ‚Zugehörigkeit‘ und dass sie eine Kultur anstreben würden, in der sich "alle Mitarbeiter" wohlfühlen.
Langer Kampf für Vielfalt am Ende?
Ist damit die Förderung von benachteiligten Gruppen in der Sackgasse gelandet? Seit 1964 ist in den USA per Gesetz festgelegt, dass Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von Ethnie, Religion, Geschlecht, Hautfarbe und Herkunft verboten ist. Seitdem haben sich Unternehmen für Vielfalt und gegen Diskriminierung engagiert. Einen Schub bekam das DEI-Engagement in den USA noch einmal ab 2020 im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung.
Dieses "woke" Engagement würde laut US-Präsident Donald Trump andere diskriminieren, nämlich weiße, mittelalte Männer. Mit Beginn seiner zweiten Amtszeit hat er per Dekret DEI-Programme in staatlichen Einrichtungen beendet. Ein anderes Dekret bezeichnet DEI-Programme im privatwirtschaftlichen Bereich als verfassungswidrig und diskriminierend. Unternehmen, die solche Programme fortführen, könnten mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
Konsequenzen fürchten auch Unternehmen außerhalb der USA. Sie sorgen sich, keine Regierungsaufträge mehr zu bekommen, wenn sie sich nicht von DEI Programmen lossagen. Auch die Genehmigung von Übernahmen scheint mit dem Kampf gegen "woke" verknüpft zu sein. So wurde im Fall von T-Mobile US die Übernahme des Kabelnetzbetreibers Lumos am Tag, nachdem die Deutsche-Telekom-Tochter ihre Diversitäts-Initiativen weitgehend gestrichen hatte, genehmigt.
Geht es auch ohne DEI Programme divers?
SAP-Vorstandschef Christian Klein will beispielsweise die Programme für mehr Vielfalt innerhalb des Konzerns fortführen und weiterentwickeln - obwohl er sich von der Frauenquote verabschiedet hat. "Am Ende zählt das, was wir in der Realität tun, für das Thema Diversität." Die Frage ist nur, wieviel passiert in der Realität ohne spezielle Maßnahmen?
Siri Chilazi, Forscherin für Geschlechtergerechtigkeit an der Harvard University, sagt gegenüber der BBC, dass es keinen historischen Präzedenzfall gebe, der darauf hindeutet, dass sich rassische und geschlechtsspezifische Ungleichgewichte von selbst korrigieren.
Schaut man in Deutschland auf das Beispiel "Inklusion von Menschen mit Behinderung" zeigt sich, dass auch Gesetze nicht uneingeschränkt für Inklusion sorgen können. Ende 2024 zeigte das Inklusionsbarometer "Arbeit" der Aktion Mensch und des Handelsblatt Research Institutes, dass jedes vierte Unternehmen in Deutschlande keinen Menschen mit Behinderung beschäftigt.
Dabei ist per Gesetz geregelt, dass Unternehmen mit 20 Mitarbeitenden und mehr mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Menschen mit Behinderung vergeben müssen. Allerdings werden Arbeitgeber von dieser Pflicht befreit, wenn sie eine sogenannte Ausgleichsabgabe bezahlen. Auch wenn dadurch Geld in die Kasse kommt, wäre Betroffenen mit einem Arbeitsplatz mehr geholfen.
Vielen Unternehmen ändern nur ihre Wortwahl
Michelle Jolivet sagt laut einem BBC-Bericht, US-Unternehmen hätten ihre DEI-Programme zwar scheinbar eingestellt, sie aber nicht wirklich abgeschafft. Stattdessen benennen sie sie lediglich um und organisieren sich neu, um möglichen Klagen zu entgehen. Auch von der "Charta der Vielfalt" heißt es, die überwiegende Mehrheit, also rund drei Viertel der US-Unternehmen, hätten ihre DEI Politik nicht verändert.
In Deutschland beobachtet Michael Eger, Partner beim Beratungsunternehmen Mercer Deutschland: "Wir sehen, dass sich bei vielen Unternehmen zwar die Kommunikation verändert, nicht jedoch ihre Haltung und Maßnahmen, die sie weiterverfolgen." Auch in Branchen, in denen Fachkräftemangel herrsche und Stellen schwer bzw. nicht besetzt werden könnten, würden zunehmend Initiativen gestartet, um attraktiver für Frauen, für Menschen mit Migrationshintergrund oder für ältere Mitarbeitende zu werden, so Eger gegenüber DW.