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Gegenwind für BMW, Mercedes, VW, Renault und Co. aus China

23. September 2024

Während Autobauer aus Europa die Schließung von Fabriken prüfen, ist die neue Konkurrenz aus China auf der Suche nach Produktionsstandorten - und zwar in Europa.

Stellantis-Logo an der Fassade des Mirafiori-Werks von Fiat in Turin
Stellantis-Logo am Mirafiori-Werk von Fiat in Turin Bild: Massimo Pinca/REUTERS

Es läuft schlecht für Europas Autobranche: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat am Montag Vertreter der Autoindustrie, der Zulieferindustrie und des
Verbandes der Automobilhersteller (VDA) zu einem virtuellen Autogipfel geladen. Es wird darum gehen, inwieweit die Politik den Autobauern unter die Arme greifen kann.  

Schon im Vorfeld wurden viele Vorschläge diskutiert. So könnte der Kauf eines E-Autos durch eine E-Autoprämie unterstützt werden. Es könnte eine Umweltprämie gezahlte werden, wenn Autobesitzer ihren Verbrenner verschrotten und dafür auf ein E-Auto umsteigen. Und auch über die von der EU festgelegten CO2-Grenzwerte wurden erneut debattiert. 

Europas Autoindustrie verkauft weniger Autos als erwartet und bleibt auf einem Großteil der neuen Elektromodelle sitzen. Bei Volkswagen stehen Fabrikschließungen im Raum - und auch Renault und die Stellantis-Marke Fiat bauen deutlich mehr Autos, als sie verkaufen können.

Nach Recherchen von Bloomberg Intelligence ist jede dritte europäische Fabrik bei BMW, Mercedes, Stellantis, Renault und Volkswagen nicht ausgelastet. In manchen Werken wird noch nicht einmal die Hälfte der Autos produziert, die dort vom Band rollen könnten. Besonders schlimm sieht es im Turiner Mirafiori-Werk des Stellantis-Konzerns aus, wo der vollelektrische Fiat 500e gebaut wird. Um mehr als 60 Prozent ging dort im ersten Halbjahr 2024 die Produktion zurück. Und in Belgien soll sogar das Audi-Werk auf der Kippe stehen, in dem der teure Q8 e-tron gebaut wird.

Proteste gegen die drohende Schließung des Audis-Werks in Brüssel am 16. September Bild: NICOLAS TUCAT/AFP

Europäisches Phänomen

Absatzprobleme drücken auch auf die Stimmung im Renault-Werk im nordfranzösischen Douai oder bei VW in Dresden. Die E-Autos, die dort gebaut werden, finden kaum Käufer und die Hersteller fahren Verluste ein.

"Wir sind mitten im Strukturwandel", sagt ING-Chefvolkswirt Carsten Brzseski gegenüber der DW. Das gelte nicht nur für VW, sondern für die gesamte Automobilindustrie. "Und wir sehen natürlich, dass dieser internationale Trend zu mehr Elektromobilität auch zu mehr Konkurrenz führt", unterstreicht Brzeski.

Besonders aus China wächst der Druck auf Europas Autobauer. Trotz der EU-Strafzölle auf E-Autos aus China sind die Hersteller aus der Volksrepublik wild entschlossen, auf dem EU-Markt dauerhaft Fuß zu fassen.

Neben der Geely-Marke Lynk & Co wollen Chery, Great Wall Motor oder Chinas BYD künftig in eigenen Fabriken in Europa E-Autos produzieren.

Haben die Automanager in der EU versagt?

Warum haben Europas Autobauer einen so schweren Stand, wenn es um den Schwenk zur Elektromobilität geht? Haben die Manager im Gegensatz zu ihren Kollegen im Reich der Mitte ganz einfach den Zug verpasst?

Die Branche habe eben mit vielen Problemen gleichzeitig zu kämpfen, erklärt Carsten Brzeski. Im Automobilsektor kämen eben viele Probleme zusammen, etwa ein stärkerer internationaler Wettbewerb und eine geringere Wettbewerbsfähigkeit der Europäer.

Hans-Werner Sinn, der langjährige Präsident des Münchner Ifo-Instituts, sieht dabei auch kein Management-Versagen. "Man kann nicht sagen, dass irgendwer den Markttrend hier verschlafen hätte, Volkswagen zum Beispiel oder andere. Sondern man hat nicht erkannt - und das ist vielleicht ein Manko -, wie schnell und durchgreifend die Politik in China und Europa agiert", sagt er im Interview mit der DW.

Dieselskandal und immer strengere EU-Abgasregeln: Hat der Verbrenner noch eine Zukunft? Bild: Neundorf/Kirchner-Media/picture alliance

Der Green Deal, das Verbrennerverbot in der EU ab 2035 und immer schärfere Abgaswerte beim Flottenverbrauch hätten in kurzer Zeit auf radikale Weise Marktgesetze außer Kraft gesetzt und die Branche auf einen politisch motovierten Transformationskurs gelenkt, an dessen Ende sie ohne Kurskorrektur als Verlierer dastehen würden, argumentiert Sinn. Nach dem Dieselskandal sei der Verbrenner extrem unter Druck geraten, die Branche in der Defensive gewesen.

In China und Frankreich habe man das Hochfahren der E-Auto-Produktion zudem als Chance gesehen, die technologische Dominanz der deutschen Autobauer bei Verbrenner-Motoren zu brechen, so Sinn.

Mittlerweile gebe es aber auch in Ländern wie Frankreich oder Italien ein Umdenken, weil man erkannt habe, dass vor allem die Chinesen vom radikalen Schwenk zur Elektromobilität profitieren.

Dann habe es ein "Hü- und Hott" der Politik gegeben, sagt Carsten Brzeski. "Was ist nun mit dem Verbrennungsmotor? Bleibt der oder bleibt der nicht? Wann kommt das Aus? Wird es noch mal verlängert oder nicht?" Besonders unglücklich sei dann die Entscheidung der Bundesregierung gewesen, die E-Auto-Prämie Ende 2023 kurzfristig abzuschaffen, so Brzeski. Kein Wunder, dass da die Hersteller auf ihren E-Autos sitzen bleiben.

Vorläufiger Produktions-Stopp für den Ladenhüter Fiat 500e von StellantisBild: Antonio Calanni/AP Photo/picture alliance/dpa

Wohlstand in Deutschland gefährdet

Dass ein Niedergang der Autobranche in Deutschland und in Europa dabei auch den bisherigen Wohlstand gefährdet, steht für den ING-Chefökonom Brzeski außer Frage. Allein in Deutschland stehe die Autobranche zusammen mit Zulieferern, Lieferanten und allen anderen Unternehmen, die indirekt vom Geschäft mit den Autobauern abhängen, für sieben bis acht Prozent der Wirtschaftsleistung.

Wie kann man aber möglichst viele der besonders gut bezahlten Jobs in der Branche retten und den Wohlstand rund um die Automobil-Standorte erhalten?

Plädoyer für internationalen Klimaclub

Dem Münchner Ökonomen Sinn schwebt ein Klimaclub der größten CO2-Emittenten vor, wie ihn auch schon Bundeskanzler Olaf Scholz ins Spiel gebracht hat. Alle wichtigen Akteure wie etwa China, Indien, Brasilien, die USA und die EU müssten dazu die Förderung und Nutzung fossiler Brennstoffe begrenzen. Die Idee des Wirtschafts-Nobelpreisträgers William Nordhaus aus den USA könnte tatsächlich dem Klima helfen, glaubt Sinn. Alles andere sei "finsterste Zentralplanungspolitik, wie sie wirklich nicht in eine Marktwirtschaft hineingehört."

Architekten des Green Deal: Ex-EU-Kommissar Frans Timmermans und Kommissionspräsidentin Ursula von der LeyenBild: John Thys/AFP

EU-Pläne wie der Green Deal oder die Taxonomie, die die gesamte Wirtschaft dem Klima- und Umweltschutz unterordnen, seien zwar gut gemeint. Sie würden aber die "Axt an unseren Wohlstand legen", weil sie Marktgesetze außer Kraft setzten. Für ihn als Volkswirt sei das eine "Horrorvison", sagt Sinn. "So kann man eine Volkswirtschaft letztlich auch zugrunde richten. Ich kann nur dringend raten, hier eine Kehrtwende zu machen."

Ein Umdenken sei bereits im Gange, unterstreicht Sinn. "Sie sehen das öffentliche Aufbegehren zu diesen Themen in den letzten Jahren, das verstärkt sich jetzt durch VW. Und das schlägt sich nieder in den Wahlergebnissen, wie wir sie beobachten."

Druck auf Politik und Gewerkschaften

Frank Schwope von der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Hannover bleibt da etwas gelassener: "Die Wahrheit ist auch, dass Volkswagen sehr deutliche Gewinne schreibt" und verweist auf einen Rekordgewinn von 22,6 Milliarden Euro 2023 und einem von Analysten erwarteten operativen Gewinn von 20 Milliarden Euro in diesem Jahr. Die Krise sei also noch nicht da, sie drohe aber in der Zukunft, betonte der Autoexperte im NDR . 

Angst vor Jobverlust: Mitarbeiter-Proteste bei VW in Wolfsburg am 4.9. 2024 Bild: MORITZ FRANKENBERG/AFP

Das VW-Management habe deshalb ein Drohszenario aufgebaut, um aktuelle Gehaltsforderungen zu drücken und auf neue Elektroauto-Prämien zu drängen.

Mittlerweile tritt man auch bei Stellantis kräftig auf die Bremse. Im Mirafiori-Werk in Turin wird wegen Absatzflaute einen Monat lang die Produktion des Fiat 500e gestoppt.

Hans-Werner Sinn könnte mit seinem Blick auf die Autobranche recht behalten: "Volkswagen ist nur ein frühes Opfer. Da wird noch mehr kommen."

 

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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