Merkel trifft Putin in Petersburg
21. Juni 2013Wenige Tage nach dem Gipfeltreffen der G8-Staaten in Nordirland kommen Angela Merkel und der russische Präsident Wladimir Putin erneut zusammen. Die Bundeskanzlerin reist am Freitag (21.06.2013) nach Sankt Petersburg, um an einem internationalen Wirtschaftsforum teilzunehmen. Bei dem Gespräch mit dem Kremlchef dürfte es in erster Linie um die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen gehen. Der Handel zwischen Russland und Deutschland boomt seit Jahren. 2012 erreichte er mit einem Gesamtvolumen von mehr als 80 Milliarden Euro einen neuen Rekordstand, so die Schätzung des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft.
Doch die Stimmung könnte kippen, warnen Experten. Es gebe Anzeichen dafür, dass nach jüngsten politischen Verstimmungen zwischen Berlin und Moskau auch die Wirtschaftsbeziehungen Risse bekommen könnten. Manche deutsche Unternehmer, die noch vor Kurzem in Russland fast auf Händen getragen wurden, spüren jetzt Gegenwind. Das berichtete Andreas Steininger, Vorstandmitglied des Ostinstituts in Wismar, auf einer Russland-Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin Mitte Juni. Details nannte er nicht. Das Ostinstitut bereitet juristische Berater auf ihren Einsatz für deutsche Investoren in Russland vor. Der mögliche Stimmungswechsel, glaubt Steininger, könnte eine Folge der politischen Abkühlung zwischen Berlin und Moskau sein.
Streit über deutsche Russland-Politik
Seit Putins Amtsantritt als Präsident im Mai 2012 gab es aus Berlin immer wieder Kritik an innenpolitischen Entwicklungen in Russland. Sie gipfelte in einer Resolution des Bundestages im Herbst anlässlich der deutsch-russischen Regierungskonsultationen. Darin zeigten sich die Abgeordneten unter anderem besorgt über neue Gesetze in Russland, die aus ihrer Sicht Teile der Zivilgesellschaft unter Druck setzen. Russland reagierte verärgert und verbat sich Kritik. Das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel“ beschreibt die Stimmung zwischen Berlin und Moskau als "die möglicherweise schlechteste seit dem Kalten Krieg".
Unmittelbar vor dem Treffen zwischen Merkel und Putin hieß es sogar noch, die für Freitagabend geplante gemeinsame Eröffnung der Beutekunst-Ausstellung werde abgesagt. Am Nachmittag erklärte Merkel jedoch, die Eröffnung werde stattfinden. Die Schau "Bronzezeit - Europa ohne Grenzen" findet in der berühmten Eremitage statt. Dort wird auch Beutekunst wie der Goldschatz von Eberswalde ausgestellt, den Sowjetsoldaten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Moskau brachten. Deutschland hatte mit Blick auf internationales Recht immer wieder auf Rückgabe der Kunst bestanden. Russland dagegen macht deutlich, dass die Schätze mit dem Blut seiner Soldaten bezahlt worden seien.
Ob deutsche Politiker grundsätzlich Russland öffentlich deutlich kritisieren sollen, ist umstritten. Die regierende CDU meint, Deutschland dürfe als Partner Russlands Kritik auch offen aussprechen. Die oppositionelle SPD dagegen plädiert eher für stille Diplomatie und "eine neue Ostpolitik“, wie sie einst von den Sozialdemokraten gegenüber der Sowjetunion und den Staaten in Osteuropa praktiziert wurde. Alexander Rahr, Forschungsdirektor beim Deutsch-Russischen Forum, sprach in Berlin von einem Konflikt "zwischen einer organisierten und einflussreichen Zivilgesellschaft in Deutschland und der staatsorientierten Elite in Russland".
Putin setzt auf Großunternehmen
Noch gehe es deutschen Investoren in Russland gut, so die Botschaft der meisten Teilnehmer der DGAP-Konferenz Mitte Juni. Behauptungen über mangelnden Rechtsschutz wies Steininger vom Ostinstitut zurück. Man könne in Russland "zumindest Wirtschaftsstreitigkeiten“ vor Gericht austragen, so der Experte, "mit durchaus annehmbaren und hervorragenden Ergebnissen“.
Ähnlich sieht es Gerd Lenga, Vorsitzender des Ost- und Mitteleuropa-Vereins. "Diese zahllosen Fälle der Rechtsunsicherheit im Wirtschaftsbereich möchte ich gerne kennen lernen“, spottete Lenga auf der Konferenz. Er glaubt, dass das Investitionsklima in Russland sogar besser geworden sei.
Momentan seien es eher die wirtschaftspolitischen Akzente des Präsidenten Putin, die deutsche Experten mit Sorge beobachten. Putin unterstütze - anders als sein Vorgänger Dmitri Medwedew - vor allem Großunternehmen, sagte Otto Luchterhand, Osteuropa-Experte an der Hamburger Universität. Der Mittelstand erhalte nicht so viel Unterstützung. Das bestätigte auch Andreas Metz vom Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft: "Unter Medwedew war das Interesse, die Wirtschaft zu diversifizieren, größer."