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Politik

Druck auf Gegner von Bündnis mit Russland

Alexandra Boguslawskaja mo
23. April 2020

Erst ließ Präsident Alexander Lukaschenko die Proteste gegen einen russisch-weißrussischen Unionsstaat laufen, später schlug Weißrusslands Justiz zu. Viele Aktivisten sind in Not. Hilfe kommt aus der Zivilgesellschaft.

Protestaktionen gegen Integration mit Russland in Minsk (21.12.2020)
Bild: DW/A. Boguslawskaja

"Der Staat bestraft uns dafür, dass wir ihn verteidigen", sagt Olga Bykowskaja. Die Aktivistin der weißrussischen Bewegung "Für Freiheit" bekam jüngst Besuch von einer Gerichtsvollzieherin. "Meine Waschmaschine und der Toaster wurden auf lediglich 30 Euro geschätzt", sagt Bykowskaja.

Innerhalb von zehn Tagen muss sie eine Geldbuße zahlen, ansonsten werden die Haushaltsgeräte beschlagnahmt. Der Grund: Bykowskaja hatte sich im vergangenen Dezember in Minsk an Protesten beteiligt, die sich gegen eine Vertiefung der Partnerschaft von Russland und Weißrussland richteten.

Die Regierungen in Moskau und Minsk führen seit Längerem entsprechende Verhandlungen. Es war erwartet worden, dass die Präsidenten Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko am 8. Dezember einen Fahrplan unterzeichnen würden, um das Bündnis noch zu vertiefen - also genau zum 20. Jubiläum des Unionsvertrags zwischen beiden Staaten von 1999. Doch daraus wurde nichts, da sich die beiden Staatschefs nicht einigen konnten.

Strafverfahren, Haft und Geldstrafen

Damals zogen Demonstranten fünfmal durch die Straßen von Minsk - aus Protest gegen das Abkommen. Sie hielten Transparente hoch mit Aufschriften wie "Keine Partnerschaft mit Russland" oder "Hände weg von Weißrusslands Unabhängigkeit". Die nicht genehmigten Kundgebungen in der weißrussischen Hauptstadt wurden von der Polizei weder aufgelöst, noch wurde jemand festgenommen. Dennoch kamen die Demonstranten nicht ungeschoren davon. Zahlreiche Demoteilnehmer wurden vor Gericht gestellt.

Aktivistin Bykowskaja: "Keine Straftat im klassischen Sinne"Bild: DW

Nach Angaben des weißrussischen Menschenrechtszentrums "Viasna" gab es nach den Protesten 202 Gerichtsverfahren. Die Angeklagten wurden zu insgesamt 375 Tagen Haft und Geldstrafen in Höhe von umgerechnet 60.000 Euro verurteilt. Da nicht jeder die für weißrussische Verhältnisse hohen Summen zahlen konnte, wurde Vermögen und Eigentum beschlagnahmt, darunter Geld auf Bankkonten, Autos und eben sogar Haushaltsgeräte.

Olga Bykowskaja findet die Strafen ungerecht. Ziel der Proteste sei doch gewesen, die Unabhängigkeit des Landes zu verteidigen, so die Aktivistin. Zweimal wurde sie wegen "Teilnahme an nicht genehmigten Protesten" vor Gericht gestellt und beide Male gab es eine Geldbuße. Die erste konnte sie noch bezahlen, die zweite in Höhe von umgerechnet 250 Euro nur zum Teil.

"Dies ist eine politische Sache, ich habe keine Straftat im klassischen Sinne begangen. Ich habe nur an einem friedlichen Protest teilgenommen, den unsere Verfassung jedem Bürger garantiert", sagt Bykowskaja. Sie bereut nicht, gegen die weißrussisch-russische Union demonstriert zu haben, und schließt nicht aus, dies notfalls wieder zu tun.

Unterstützung aus der Zivilgesellschaft

Um den betroffenen Aktivisten zu helfen, die Geldbußen zu begleichen, läuft eine Internet-Spendenaktion auf einer Crowdfunding-Plattform. Bisher ist ein Drittel des noch benötigten Betrags in Höhe von 21.000 Euro zusammengekommen. Unterstützung bekam auch Olga Kowalkowa. Sie ist die Co-Vorsitzende der nicht zugelassenen Partei "Weißrussische Christdemokratie" und muss umgerechnet 1000 Euro zahlen. Ein Drittel der Summe konnte sie bislang aufbringen -  aus privaten Mitteln und dank der Spendenaktion.

Nicht genehmigte Kundgebung in Minsk (im Dezember): "Keine Partnerschaft mit Russland"Bild: DW/A. Boguslawskaja

Das restliche Geld will sie stückweise zahlen, was der zuständige Gerichtsvollzieher aber ablehnt. Daher beantragte sie beim Gericht eine Ratenzahlung. "Ich habe noch keine Antwort erhalten, und jetzt quält mich der Gerichtsvollzieher jeden zweiten Tag", so Kowalkowa. Inzwischen seien ihr Auto und ihre Bankkarten beschlagnahmt. "Angesichts der Wirtschaftslage sollte unser Staat eine Ratenzahlung erlauben. Aber die Behörden kennen nur Repressalien gegen Aktivisten", so Kowalkowa.

Sie ist überzeugt, dass sie von den Behörden aus politischen Gründen unter Druck gesetzt wird. Die Geldbuße - wegen der Teilnahme an den Protesten - ist aus ihrer Sicht unfair. Dennoch will die Politikerin zahlen, um zu vermeiden, noch stärker drangsaliert zu werden. Ihrer Meinung nach haben die Demonstranten ganz im Gegenteil eine Belohnung dafür verdient, dass sie die Unabhängigkeit des Landes verteidigen.

Ein Strafverfahren nach dem anderen

Auch der oppositionelle Aktivist Jewgenij Batura findet Geldstrafen für Aktionen zur Unterstützung der weißrussischen Unabhängigkeit zynisch. Seine Teilnahme an den Protesten bereut auch er nicht. "Unabhängigkeit ist etwas Heiliges. Es passieren heute so viele Dinge. Wenn man schweigt, fühlt man sich doch wie ein Verbrecher oder zumindest als Komplize", so Batura.

Demonstranten in Minsk (im Dezember): "Hände weg von Weißrusslands Unabhängigkeit"Bild: DW/A. Boguslawskaya

Das Urteil gegen ihn trat etwas später als andere in Kraft. Denn Batura legte gegen die Geldstrafe Beschwerde ein. Anfangs ging seine Strategie auch auf und das Gericht nahm den Entscheid zurück. Doch nur wenig später wurde ein neues Verfahren gegen den Aktivisten eingeleitet. Nun muss Batura bis Anfang Mai eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 500 Euro zahlen.

Allein kann er das nicht stemmen und hofft daher ebenfalls auf die Spendenaktion. "Gemeinsam können wir das schaffen, auch wenn mir klar ist, dass die Menschen derzeit stärker Ärzte unterstützen, die COVID-19-Patienten behandeln", sagt Batura. Er hofft, dass er in einem Monat das Geld zusammen hat, und weitere Strafmaßnahmen gegen ihn verhindern kann.

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