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Gehasst und geschätzt: Die Deutsche Umwelthilfe

26. Februar 2018

David gegen Goliath: Die Deutsche Umwelthilfe kämpft gegen Abgasbetrug, dreckige Luft und untätige Politik. Sie testet nach, klagt vor Gericht und bekommt oft Recht. Die einen danken ihr, die anderen hassen sie.

Protest gegen Diesel Gipfel
Bild: imago/J. Heinrich

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hält Autohersteller und Politik in Deutschland auf Trab. Zum einen testet sie Diesel-PKW nach und zeigt auf, dass die vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte auf der Straße nicht eingehalten werden. Im Durchschnitt aller Diesel-PKW werden sechsmal mehr Stickoxide ausgestoßen als erlaubt.

Die DUH spricht in diesem Zusammenhang von Verbrauchertäuschung. Zudem erfüllen die illegalen Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung ihrer Meinung nach einen schweren Straftatbestand.

"Es handelt sich hierbei um vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge in vielen tausend Fällen. Verantwortlich sind dafür aus unserer Sicht die Vorstandsvorsitzenden von deutschen, europäischen und internationalen Autokonzernen", sagt Jürgen Resch, Geschäftsführer der DUH. "Die EU-Kommission spricht von 12.860 Menschen die in Deutschland jedes Jahr vorzeitig an Stickstoffdioxid sterben. Durch dieses Dieselabgasgift sterben viermal mehr Menschen als durch Verkehrsunfälle", sagt Resch gegenüber der Deutschen Welle. 

Die Ursache des Problems: Diesel-PKW stoßen erheblich mehr Stickoxide aus als erlaubt.

Rückenwind von der EU

Die DUH klagt aber auch gegen Städte- und Landesregierungen, weil diese sich nicht genügend um die Luftreinhaltung kümmern würden. Seit 2010 ist zum Schutz der Gesundheit vorgeschrieben, dass im Jahresmittel der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid in der Außenluft nicht überschritten werden darf.

"Wir gehen davon aus, dass noch immer in zirka 70 Städten die Grenzwerte überschritten werden", beschreibt Ute Dauert vom Umweltbundesamt die tatsächliche Situation im DW-Interview.

Überschritten werden die Grenzwerte vor allem weil die Abgasreinigung der Diesel-PKW nicht wie vorgeschrieben funktioniert: "Der Staat tut nichts und kämpft dafür, dass weiterhin schmutzige Autos in die Städte fahren können", empört sich Resch. "Wir möchten durchsetzen, dass diese eigentlich viel zu laxen Grenzwerte endlich in Deutschland eingehalten werden und damit tausendfaches Leid bei den Menschen endet." 

Die DUH erzielte mit ihren Klagen zur Luftreinhaltung viele Erfolge vor deutschen Gerichten. Gleichzeitig verliert auch die EU-Kommission ihre Geduld mit Deutschland. Trotz zahlreicher Warnungen habe die Bundesregierung nicht genug getan, um die Grenzwerte einzuhalten. Deshalb plant die Kommission, Deutschland wegen Untätigkeit zu verklagen.

"Alle Fristen sind gerissen worden. Wir können uns keine weiteren Verzögerungen mehr leisten", sagte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella Ende Januar. Es könne nicht länger hingenommen werden, dass EU-Bürger vorzeitig sterben würden, weil die Luft zu schlecht sei. "Wir verlieren Leben durch die Luftverschmutzung. Wir müssen unsere Bürger schützen", so der EU-Kommissar.

In der EU ist das Problem durch Stickoxide aus Diesel-PKW für die Bevölkerung im weltweiten Vergleich am größten.

Handelt die Autoindustrie illegal?

Die DUH sei für die Automobilindustrie einerseits der "am größten gehasste Feind", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer gegenüber der DW. Er hat an der Universität Duisburg-Essen einen Lehrstuhl für Automobilwirtschaft inne.  

Die DUH-Testergebnisse sind für die Hersteller äußerst unangenehm. Die Autoindustrie stellt sie aber nicht im Grundsatz in Frage. Heftig wehren sich die Hersteller allerdings gegen den Vorwurf der Manipulation. Selbst wenn es Indizien für PKW-Abschaltvorrichtungen gibt, streiten sie ab, dass diese illegal seien. 

Gegenüber der DW wollten sich VW, Daimler und BMW zu der Arbeit der DUH nicht äußern. Eckehart Rotter, Pressesprecher des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), betont "die erhebliche Bereitschaft der deutschen Automobilindustrie an der Verbesserungen der Luftqualität mitzuwirken, vor allem durch kostenlose Software-Updates von über fünf Mio. Pkw im Bestand". Wogegen sich der VDA jedoch wehre sei "eine Skandalisierung und eine Dramatisierung der möglichen gesundheitlichen Gefährdung".

Die DUH und unter anderen auch der Deutsche Städtetag fordern jedoch auch eine Hardware-Nachrüstung der bisher verkauften Diesel-PKW auf Kosten der Autoindustrie. Mit neu eingebauten Katalysatoren ließen sich die vorgeschrieben Grenzwerte auf der Straße auch einhalten und die Luft in den Städten erheblich verbessern. Der VDA weist diese Forderung aus Kostengründen zurück.

Abgastest: Mit ihren Untersuchungen und Veröffentlichungen erzeugt die DUH große AufmerksamkeitBild: Holzmann/DUH

Geachtet und geschätzt

Die DUH hat 100 Angestellte und einem Jahresetat von acht Millionen Euro. Zu den größten Geldgebern des klageberechtigten Umwelt- und Verbraucherverbands gehören die Bundesregierung und nachgelagerte Behörden, die EU sowie Umweltstiftungen. Hinzu kommen Spenden von Unternehmen wie der Krombacher Brauerei, der Telekom, der Rapunzel Naturkost GmbH aber auch der Autobauer Toyota mit 50.000 Euro pro Jahr. 

Die deutsche Automobilindustrie ist im Vergleich mächtiger und macht mit über 800.000 Beschäftigten einen Umsatz von über 400 Milliarden Euro. Dass die DUH der Autoindustrie und den deutschen Aufsichtsbehörden inzwischen so hartnäckig auf die Finger schaut und mit rechtlichen Mitteln vorgeht, sorgt für Respekt.

"Die DUH treibt die Bundesregierung mit ihren PKW Messreihen und den angestrengten Gerichtsverhandlungen vor sich her", sagt Oliver Krischer, Abgasexperte der Grünen Fraktion im Bundestag. Dass dies so gut gelinge liege aber an der Bundesregierung selbst, "da sie bisher wenig wirksame Maßnahmen verabschiedet hat, damit die Diesel-PKW die Stickoxid-Grenzwerte einhalten und die Stadtluft besser wird. Die DUH ist der Anwalt der betroffenen Stadtbewohner", so Krischer gegenüber der DW. 

Versagen der Politik offenbart

Autoexperte Dudenhöfer findet es gut, dass die DUH, "nicht einfach zuschaut, wie Umweltgesetze jahrelang ausgehebelt und ignoriert werden". Dass sie die fehlende Kontrollaufgabe des deutschen Staates übernimmt bezeichnet er jedoch als beschämend. "Es ist eine Blamage für Deutschland, unser System und die Glaubwürdigkeit in unsere Politik." Dieses Verhalten würde Vorschub für Rechtspopulismus leisten: "Dadurch kocht der Frust der Bürger über die Politik erst richtig hoch." 

Wasilis von Rauch, Bundesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), stimmt Dudenhöfer zu. Es sei ein "Armutszeugnis der Politik", dass der Staat seine Kontrollfunktion nicht wahrnehme und ein Skandal, "dass offensichtlich der Staat nicht in der Lage und Willens ist, die Bürger ausreichend vor schädlichen Abgasen zu schützen".

Michael Barczok, Lungenfacharzt in Ulm und Sprecher des Bundesverbandes der Pneumologen zeigt sich gegenüber der DUH sehr dankbar: "Trotz aller Appelle von uns Lungenfachärzten ist nicht passiert. Jetzt gibt es durch die Gerichtsurteile endlich mal Aktivität. Das ist für uns eine unschätzbare Hilfe." Die Gefahren, die von Stickoxiden ausgehen, vergleicht er mit der des aktiven Rauchens, mit Raucherlunge und Lungenkrebs. Alle Menschen seien davon betroffen.

Die Ablehnung von Nachrüstungen mit Hardware durch die Autoindustrie mache ihn zugleich aber auch sprachlos. Die Kosten "wären ein Klacks, wenn man sieht, welche Gewinne die Autokonzerne erwirtschaften", und wenn man sehe welches, Leid mit den Abgasen verbunden sei: "Viele Menschen werden vorzeitig krank, scheiden aus dem Erwerbsleben aus, brauchen vorzeitig Renten und sterben vorzeitig", so Barczok gegenüber der DW.

Das Gesicht der DUH: Geschaftsführer Jürgen ReschBild: picture-alliance/dpa/P. Zinken

Emanzipiert sich die Politik?

Die DUH bekommt positive Rückmeldungen von vielen Seiten. Erschreckend sei jedoch das "zunehmende Schulterklopfen von hohen Regierungsmitgliedern und Ministern", so Resch gegenüber der DW. "Die sagen: Toll was ihr macht. Hoffentlich seid ihr erfolgreich und bekommt eine klare Gerichtsentscheidung. Dann können wir vielleicht auch wieder was machen. Ohne Urteil sind wir leider dazu nicht in der Lage. Der Widerstand der Industrie ist so immens."

Das Verhältnis zwischen Regierung und Automobilindustrie bezeichnet Resch als eheähnlich. Angela Merkel hätte diese Abhängigkeit ausgebaut und somit die Vorrangstellung der Politik klar aufgegeben. "Wir erleben an vielen Stellen, dass regelrecht Anweisungen aus den Konzernzentralen eingehen", so Resch.

Resch wünscht sich von der Politik, dass sie sich "in einem Selbstreinigungsprozess emanzipiert, wieder Recht und Ordnung gegen große Wirtschaftsinteressen durchsetzt, man anfängt zu kontrollieren und Verstöße auch tatsächlich ahndet".

Die Aufklärung des Diesel-Skandals steht für Resch erst am Anfang. Eine wichtige Stütze sei hierbei die europäischen Kartellbehörde, sie habe bereits verschiedenen Konzernzentralen durchsucht. "Ich bin gespannt, was in ein bis zwei Jahren ist", so Resch.

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