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Geheimdienste besser kontrollieren

Marcel Fürstenau23. April 2015

Ein Team um den ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung Markus Löning hat Reformvorschläge für mehr Transparenz erarbeitet. Auslöser war die NSA-Affäre, die längst auch eine BND-Affäre ist.

"Top Secret" (deutsch: streng geheim) steht auf einem Blatt Papier.
Bild: Fotolia/Feng Yu

Am diesem Donnerstag erwartet der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages einen interessanten Zeugen: Ernst Uhrlau. Der Politologe war von 2005 bis 2011 Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND). In seine Amtszeit fiel eine besonders umstrittene Zusammenarbeit mit dem US-Partnerdienst National Security Agency (NSA). Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden legen die Vermutung nahe, dass die Geheimdienste im großen Stil die weltweite Telekommunikation überwachen und dabei auch gegen nationales und internationales Recht verstoßen.

Ob die Vorwürfe zutreffend sind und wer für mögliche Rechtsbrüche verantwortlich ist, versucht seit gut einem Jahr der NSA-Ausschuss zu ermitteln. Von einem Mann wie Uhrlau erhoffen sich die Abgeordneten aller Fraktionen neue Erkenntnisse. Allerdings haben sie bislang die Erfahrung gemacht, dass ihnen die Bundesregierung wichtige Akten oft nur mit zahlreichen Schwärzungen vorlegt oder die Herausgabe ganz verweigert. Entsprechend verärgert sind die Parlamentarier, allen voran die der oppositionellen Grünen und Linken.

Klares Bekenntnis zu Nachrichtendiensten

Markus Löning kann den Frust seiner ehemaligen Kollegen verstehen. Der Freidemokrat war bis 2009 selber Bundestagsabgeordneter und anschließend bis 2013 Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung. Inzwischen ist er für die "Stiftung Neue Verantwortung" tätig. Die Berliner Denkfabrik erarbeitet überparteilich Vorschläge zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen. Dabei versucht sie, die Expertise aus Politik, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Forschung und Wirtschaft zu bündeln.

"Es dürfen keine Zweifel an der Legitimität bestehen"

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Unter dem Eindruck der NSA/BND-Affäre hat die Stiftung eine Reformagenda für die deutschen Geheimdienste entwickelt. Als aufmerksame Beobachter und Analysten des Untersuchungsausschusses sind auch Löning und seinem Team die fehlende Transparenz und die Blockadehaltung der Regierung aufgestoßen. Dabei sind sie fest von der Notwendigkeit von Geheimdiensten überzeugt. Deutschland sei darauf sicherheitspolitisch angewiesen, heißt es in ihrem elfseitigen Papier. "Auch eine enge Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden verbündeter Länder ist unerlässlich", heißt es da. "Es dürfen aber keine Zweifel an der Legitimität und Rechtsstaatlichkeit ihres Handelns bestehen."

Mehr Rechte für die G10-Kommission des Bundestages

Löning hat allerdings erhebliche Bedenken, dass sich der BND beim Sammeln und Weitergeben von Daten an die NSA immer gesetzestreu verhalten hat. So wie die Amerikaner hätten auch die Deutschen beim Überwachen der Telekommunikation zwischen In- und Ausländern unterschieden. Eine Praxis, die von fast allen namhaften Staats- und Völkerrechtlern abgelehnt wird. Auch Löning hält sie unter Verweis auf die universellen Menschenrechte für unzulässig. Künftig müsse deshalb jegliche Überwachung weltweit von der sogenannten G10-Kommission des Bundestages genehmigt werden, verlangt der studierte Politikwissenschaftler.

Das Gremium wacht auf der Basis des Grundgesetzartikels 10 über die Einhaltung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses. Neben aktiven und ehemaligen Abgeordneten gehören der Kommission Experten mit juristischem Sachverstand an. In der Vergangenheit wurden sie aber oft gar nicht erst über relevante Maßnahmen des BND, aber auch anderer Sicherheitsbehörden informiert. Zu dieser Erkenntnis ist jedenfalls der NSA-Untersuchungsausschuss gelangt.

Der BND-Standort in Bad Aibling gilt als einer der wichtigsten Horchposten in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Schlecht informiert fühlt sich häufig auch das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste (PKGr). Neun Abgeordnete gehören ihm an. Viel zu wenige, meint Löning, schließlich müssten sie sich im Bundestag und in ihren Wahlkreisen noch um etliche andere Themen kümmern. Zur Unterstützung solle das PKGr deshalb personell und finanziell besser ausgestattet werden. Unentbehrlich sei dabei ein Experten-Stab aus Technikern, Juristen und Kennern der Nachrichtendienst-Szene. Schließlich schlägt Löning vor, Deutschland solle mit den anderen Ländern der Europäischen Union ein No-Spy-Abkommen abschließen. Darin sollen rechtliche und parlamentarische Kontroll-Standards festgelegt werden.

Schlüsselfigur: Geheimdienstbeauftragter

Eine entsprechende Regelung hätte die Bundesregierung nach den Snowden-Enthüllungen gerne mit den USA getroffen. Die Amerikaner weigerten sich jedoch. Überhaupt sorgt sich Löning vor dem Hintergrund der NSA-Affäre und ihren Folgen um das transatlantische Verhältnis. Um wieder Vertrauen in die Zusammenarbeit mit den USA aufzubauen, bedarf es beim sensiblen Thema Nachrichtendienste seines Erachtens eines einigen Europa. Löning und seine Experten in der "Stiftung Neue Verantwortung" sind sich der Schwere dieser Aufgabe bewusst. Das sei ein schwieriger Prozess, heißt es in dem nun vorgelegten Papier. Voraussetzung sei, "dass Deutschland für die eigenen Dienste eine wirklich moderne und effektive politische und gerichtliche Kontrolle durchsetzt".

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