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Geheimnisse, Gier und gefährliche Freunde

Matthias von Hein16. November 2015

Deutsche und US-Geheimdienste arbeiten oft zusammen, tauschen Informationen aus. Dennoch hat die CIA einen Spion im BND geführt. Markus R. flog auf, als er seine Dienste auch den Russen anbot. Jetzt steht er vor Gericht.

Die Einfahrt zum Gelände des Bundesnachrichtendienst (BND) in Pullach im Landkreis München - Foto: Stephan Jansen (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Tief eingraviert im weißen Stein der Eingangshalle des CIA-Hauptquartiers in Langley prangt ein Jesus-Zitat aus dem Johannes Evangelium: "Die Wahrheit wird Euch frei machen". Zumindest im Wortsinne gilt das nicht für Markus R.: Seit über einem Jahr sitzt der 32-Jährige in Untersuchungshaft. Am Montagvormittag begann vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gegen den ehemaligen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes BND. Markus R. soll über Jahre hoch geheime BND-Informationen an die CIA weiter gegeben haben.

Die Beweise sind erdrückend: Die Ermittler fanden bei R. gestohlene Unterlagen. Und sie fanden einen von der CIA an ihn ausgehändigten Laptop. Damit konnte er verschlüsselt mit seinen amerikanischen Auftraggebern kommunizieren. Der Agentenführer von R. saß in Wien. Das sollte die Entdeckung erschweren.

Erster CIA-Agent im BND

Aufgeflogen ist der BND-Mitarbeiter, der inzwischen umfassend ausgesagt hat, am Ende auch nicht wegen seiner Spionage für die CIA. Mit einer Art Initiativbewerbung per E-Mail hat er Mitte 2014 seine Zuträgerdienste auch dem russischen Geheimdienst angeboten. Damit man ihn dort ebenso ernst nahm wie bei den Amerikanern, hatte er seiner Mail gleich noch drei gestohlene Geheimdokumente angehängt.

Zwar ist bekannt, dass die USA Spionage auch gegen befreundete Staaten als durchaus legitim ansehen. Und jüngste Enthüllungen über den BND zeigen: Auch deutsche Stellen schnüffeln bei Freunden. Dennoch sieht der deutsche Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom im Fall R. eine Grenze überschritten: "Es gab noch nie den Fall, dass die CIA einen Agenten im BND führte." im DW-Interview. Zwar schränkt der Geheimdienst-Kenner ein, die CIA habe Markus R. nicht rekrutiert. R. sei ein Selbstanbieter gewesen. "Allerdings ein sehr wertvoller Selbstanbieter", urteilt Schmidt-Eenboom im DW-Interview.

Geheimdienstexperte Schmidt-Eemboom: "Deutliche Grenzüberschreitung"Bild: picture alliance/Eventpress Stauffenberg

Listen aller BND-Agenten

Im Dezember 2007 hatte Markus R. seine Arbeit beim BND aufgenommen, als Sachbearbeiter. Aber: an sensibler Stelle. In der Abteilung "Einsatzgebiete/Auslandsbeziehungen" verwaltete er die ein- und ausgehende Post. Schon Anfang 2008 soll er sich dem US-Geheimdienst angedient haben. Gegen einen Agentenlohn von mindestens 95.000 Euro, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, lieferte R. über die Jahre über 200 Dokumente. Darunter auch so hoch geheime Papiere wie das "Auftragsprofil der Bundesregierung". Das darf noch nicht einmal die für die Kontrolle der Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollkommission einsehen.

"Aus diesem Allerheiligsten können die Amerikaner nun sehen, mit welchen Schwerpunkten der BND arbeitet", schätzt Geheimdienstexperte Schmidt-Eenboom den Wert des Dokuments ein. "Jetzt können die USA sehr viel gezielter an die Deutschen herantreten und sagen: Wir haben ein spezielles Interesse an diesem Land, an diesem Thema. Gebt uns doch mal, was ihr dazu habt."

Was R. noch weiter gegeben haben soll: Listen mit den Namen und Adressen aller BND-Agenten im Ausland. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft hat R. damit "die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verursacht". Deshalb lautet die Anklage in München nicht allein auf "nachrichtendienstliche Agententätigkeit", sondern auf "Landesverrat". Der kann mit lebenslanger Haft bestraft werden.

Botschafter einbestellt, CIA-Repräsentant ausgewiesen

Die Enttarnung von Markus R. im Juli 2014 hat die Beziehungen zu den USA weiter belastet, die wegen der Ausspähung deutscher Politiker durch den amerikanischen Geheimdienst NSA ohnehin angespannt sind. Die Bundesregierung machte aus ihrer Verärgerung keinen Hehl: US-Botschafter John B. Emerson wurde ins Außenministerium bestellt. Der CIA-Repräsentant in Berlin musste das Land verlassen. CIA-Chef John Brennan musste im Berliner Kanzleramt anrufen und sich um Schadensbegrenzung bemühen.

CIA Direktor Brennan: Politischen Schaden begrenzenBild: picture-alliance/dpa/J. Lane

Entsprechend beurteilt auch die Historikerin Eva Jobs die Zusammenarbeit zwischen CIA und Markus R.: "Das politische Risiko war viel zu hoch. Und das wird auch in den USA so gesehen, dass man diesen Walk-in hätte ablehnen müssen." Die Berlinerin Jobs promoviert über die Zusammenarbeit deutscher und amerikanischer Geheimdienste. Trotz des Spionageskandals zieht Jobs - angesichts der mit rund 6000 Mitarbeitern überschaubaren Größe des BND - allerdings das Fazit: "Deutschland ist zwingend auf geheimdienstliche Kooperation angewiesen."

Strengste Sicherheitsvorkehrungen

Angesichts der sensiblen Natur des Falles findet der Prozess gegen Markus R. unter strengsten Geheimhaltungs- und Sicherheitsauflagen statt. Noch nicht einmal die Richter, Bundesanwälte und Verteidiger dürfen ihre Handys mit in den Gerichtssaal nehmen. Die Journalisten müssen ihre Laptops zu Hause lassen und dürfen nur Papier und Bleistift mit in den Gerichtssaal nehmen. Der Anwalt von Markus R. ist übrigens mit Spionagefällen bestens vertraut: Klaus Schroth hat in den 1990er Jahren auch schon den DDR-Topspion Reiner Rupp alias "Topas" verteidigt.

Tief eingraviert im weißen Stein der Eingangshalle des CIA-Hauptquartiers in Langley prangt ein Jesus-Zitat aus dem Johannes Evangelium: "Die Wahrheit wird Euch frei machen." Zumindest im Wortsinne gilt das nicht für Markus R.: Seit über einem Jahr sitzt der 32-Jährige in Untersuchungshaft. Am Montag beginnt vor dem Oberlandesgericht München der Prozess gegen den ehemaligen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes BND. Markus R. soll über Jahre hochgeheime BND-Informationen an die CIA weitergegeben haben.

Die Beweise sind erdrückend: Die Ermittler fanden bei R. gestohlene Unterlagen. Und sie fanden einen von der CIA an ihn ausgehändigten Laptop. Damit konnte er verschlüsselt mit seinen amerikanischen Auftraggebern kommunizieren. Der Agentenführer von R. saß in Wien. Das sollte die Entdeckung erschweren.

Erster CIA-Agent im BND

Aufgeflogen ist der BND-Mitarbeiter, der inzwischen umfassend ausgesagt hat, am Ende auch nicht wegen seiner Spionage für die CIA. Mit einer Art Initiativbewerbung per E-Mail hat er Mitte 2014 seine Zuträgerdienste auch dem russischen Geheimdienst angeboten. Damit man ihn dort ebenso ernst nahm wie bei den Amerikanern, hatte er seiner Mail gleich noch drei gestohlene Geheimdokumente angehängt.

Zwar ist bekannt, dass die USA Spionage auch gegen befreundete Staaten als durchaus legitim ansehen. Und jüngste Enthüllungen über den BND zeigen: Auch deutsche Stellen schnüffeln bei Freunden. Dennoch sieht der deutsche Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom im Fall R. eine Grenze überschritten: "Es gab noch nie den Fall, dass die CIA einen Agenten im BND führte." Zwar schränkt der Geheimdienst-Kenner im DW-Interview ein, die CIA habe Markus R. nicht rekrutiert. R. sei ein Selbstanbieter gewesen. "Allerdings ein sehr wertvoller Selbstanbieter", urteilt Schmidt-Eenboom.

Listen aller BND-Agenten

Im Dezember 2007 hatte Markus R. seine Arbeit beim BND aufgenommen, als Sachbearbeiter. Aber: an sensibler Stelle. In der Abteilung "Einsatzgebiete/Auslandsbeziehungen" verwaltete er die ein- und ausgehende Post. Schon Anfang 2008 soll er sich dem US-Geheimdienst angedient haben. Gegen einen Agentenlohn von mindestens 95.000 Euro, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, lieferte R. über die Jahre über 200 Dokumente. Darunter auch so hochgeheime Papiere wie das "Auftragsprofil der Bundesregierung". Das darf noch nicht einmal die für die Kontrolle der Geheimdienste zuständige Parlamentarische Kontrollkommission einsehen.

"Aus diesem Allerheiligsten können die Amerikaner nun sehen, mit welchen Schwerpunkten der BND arbeitet", schätzt Geheimdienstexperte Schmidt-Eenboom den Wert des Dokuments ein. "Jetzt können die USA sehr viel gezielter an die Deutschen herantreten und sagen: Wir haben ein spezielles Interesse an diesem Land, an diesem Thema. Gebt uns doch mal, was ihr dazu habt."

Was R. noch weitergegeben haben soll: Listen mit den Namen und Adressen aller BND-Agenten im Ausland. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft hat R. damit "die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland verursacht". Deshalb lautet die Anklage in München nicht allein auf "nachrichtendienstliche Agententätigkeit", sondern auf "Landesverrat". Der kann mit lebenslanger Haft bestraft werden.

Botschafter einbestellt, CIA-Repräsentant ausgewiesen

Die Enttarnung von Markus R. im Juli 2014 hat die Beziehungen zu den USA weiter belastet, die wegen der Ausspähung deutscher Politiker durch den amerikanischen Geheimdienst NSA ohnehin angespannt sind. Die Bundesregierung machte aus ihrer Verärgerung keinen Hehl: US-Botschafter John B. Emerson wurde ins Außenministerium bestellt. Der CIA-Repräsentant in Berlin musste das Land verlassen, CIA-Chef John Brennan im Berliner Kanzleramt anrufen und sich um Schadensbegrenzung bemühen.

Entsprechend beurteilt auch die Historikerin Eva Jobs die Zusammenarbeit zwischen CIA und Markus R.: "Das politische Risiko war viel zu hoch. Und das wird auch in den USA so gesehen, dass man diesen Walk-in hätte ablehnen müssen." Die Berlinerin Jobs promoviert über die Zusammenarbeit deutscher und amerikanischer Geheimdienste. Trotz des Spionageskandals zieht Jobs - angesichts der mit rund 6000 Mitarbeitern überschaubaren Größe des BND - allerdings das Fazit: "Deutschland ist zwingend auf geheimdienstliche Kooperation angewiesen."

Strengste Sicherheitsvorkehrungen

Angesichts der sensiblen Natur des Falles findet der Prozess gegen Markus R. unter strengsten Geheimhaltungs- und Sicherheitsauflagen statt. Noch nicht einmal die Richter, Bundesanwälte und Verteidiger dürfen ihre Handys mit in den Gerichtssaal nehmen. Die Journalisten müssen ihre Laptops zu Hause lassen und dürfen nur Papier und Bleistift mit in den Gerichtssaal nehmen. Der Anwalt von Markus R. ist übrigens mit Spionagefällen bestens vertraut: Klaus Schroth hat in den 1990er-Jahren auch schon den DDR-Topspion Reiner Rupp alias "Topas" verteidigt.

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