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„Geistgewirkt – Geist, er wirkt“

19. Mai 2013

Pfingsten überwindet Grenzen zwischen Menschen, Völkern und Nationen. Und dies gilt selbst für eine Welt, in der der Heilige Geist oft wenig spürbar ist, so der Bischof von Speyer Dr. Karl-Heinz Wiesemann.

2-R42-F71-1860 (137346) 'Die Aussendung der zwölf Apostel' Schnorr von Carolsfeld, Julius 1794-1874. 'Die Aussendung der zwölf Apostel'. Matthäus 10,5-7. Holzschnitt, spätere Kolorierung, Aus: Die Bibel in Bildern, Leipzig (Georg Wigand), 1860, Bl.192.
Pfingsten, Ausgiessung des hl.GeistesPfingsten, Ausgiessung des hl.GeistesBild: picture-alliance/akg-images

Mit Getöse, so heißt es in der Bibel, kam am Pfingsttag Gottes Heiliger Geist vom Himmel herab. Sofort strömten die Menschen zusammen. Es waren Menschen aus allen Teilen der damals bekannten Welt. Überrascht, erfreut oder bestürzt hörten sie nun die Apostel reden. Ein jeder in seiner eigenen Sprache. Pfingsten ist also das Fest, das die Grenzen zwischen Menschen, Völkern und Nationen überwindet. Ein Fest globalen Ausmaßes. So grüße ich an diesem Feiertag sehr herzlich alle, die uns in Deutschland, aber auch überall auf der Welt zugeschaltet sind.

Geburtsstunde der Kirche

Das Pfingstfest gilt gemeinhin als die Geburtsstunde der weltweiten Kirche. Die Kirche kann nicht für sich bleiben, worauf auch immer wieder Papst Franziskus hinweist. (Vgl. dazu seinen Gruß an die argentinische Bischofskonferenz). Sie darf sich nie nur mit ihren eigenen Fragen beschäftigen. Auch dafür steht das Pfingstfest. Es will deutlich machen: Diese Kirche ist ex-zentrisch. In ihrer Mitte steht Jesus Christus und in seinem Geist will sie sich ausbreiten. Will sich dem konkreten Leben und Glauben jedes Menschen zuwenden. Gleich, wer er ist und woher er kommt.

Gelingt ihr das aber? Ist am Leben und an der Verkündigung der Kirche ablesbar, dass Gottes Geist in ihr wirkt? Und noch radikaler möchte ich fragen: Wo ist Gottes Geist in dieser ganz konkreten Welt? Wird etwas von dem geschenkten Geist zwischen uns Menschen wirklich spürbar und erfahrbar?

Der Geist Gottes angesichts von Unrecht und Leid

Die täglichen Nachrichten legen eher nahe: Gottes Geist scheint gerade nicht anwesend, sondern abwesend zu sein: Bürgerkrieg in Syrien. Kriegsdrohungen auf der koreanischen Halbinsel. Hunger, Leid und Flüchtlingsströme in Afrika. Der weltweite Kampf um Rohstoffe. Die drohende Klimakatastrophe…. Jeder von Ihnen könnte diese Liste mühelos ergänzen. Doch Leid und Unrecht sind nicht nur weit weg, sondern oft auch direkt vor unserer Haustüre: Da sind Neonazis, die jahrelang mordend im Land umherziehen können. Da ist der Selbstständige, der etwas gewagt und dann alles verloren hat. Die Familie, die trotz Arbeitsstelle seit Jahren auf Sozialleistungen angewiesen ist. Der Angehörige, der den schmerzhaften Verlust eines geliebten Menschen beklagt.

Weder der Glaube noch die Kirche garantieren uns eine leidfreie Welt. Leid, Ungerechtigkeit und Bosheit sind jedoch, so glaube ich, kein Zeichen für die Abwesenheit von Gottes Geist. Vielmehr ist er uns an Pfingsten gerade geschenkt worden, damit wir mit diesen Erfahrungen umgehen, und sie – wenigstens anfanghaft – überwinden können. Menschliche Schicksale lassen weder mich persönlich noch die Kirche als Ganze unberührt. Nach Kräften, so kann ich Ihnen als Bischof versichern, setzt sie sich im Geist Jesu für ganz konkrete Hilfe ein. Dafür stehen die vielen kirchlichen Hilfswerke. Dafür stehen unzählige Haupt- und Ehrenamtliche, die sich im caritativen Bereich engagieren.

Gottes Geist in dieser Welt erfahren

Krisen und Unsicherheiten im Kleinen erlebe ich auch immer wieder bei den pastoralen Besuchen in meiner Diözese. Gleichzeitig erfahre ich dort aber, wie sehr der Geist Gottes in der Welt und bei den Menschen lebendig ist. Es ist für mich ein Zeichen für den Heiligen Geist, dass wir Menschen glauben können: an Gott und an eine bessere Welt; dass wir hoffen können: darauf, dass das Gute das letzte Wort hat; und dass wir leidenschaftlich brennen können für unsere Ideale und Überzeugungen.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das Wirken des Geistes Gottes in dieser Welt erfahrbar ist. Für mich sind es Zeichen seiner Gegenwart, wenn Menschen sich aufrichtig und in Liebe begegnen. Wenn sie es schaffen, innere und äußere Grenzen zu überwinden. Gottes Geist ist da, wo Menschen sich selbst zurücknehmen und die Eigenart des Anderen gelten lassen können. Er ist da, wo Toleranz gelebt wird. Wo etwa Studierende aus verfeindeten Ländern dennoch gemeinsam und friedvoll lernen und forschen. Er ist da, wo die Hoffnung lebt, auch gegen den äußeren Anschein und gegen die Resignation.

So ist mein Wunsch an Sie alle an diesem Pfingstfest, dass Sie von Gottes gutem Geist bestärkt und inspiriert, sich neu all jenen Dingen zuwenden können, die Ihnen im Alltag aufgetragen sind. Und vor allem, dass sie sich dabei von Grenzen nicht entmutigen lassen.

Zum Autor:

Bischof Karl-Heinz WiesemannBild: Klaus Landry

Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann ist der 96. Bischof von Speyer. Am 19. Dezember 2007 ernannte Papst Benedikt XVI. ihn zum Nachfolger von Bischof Dr. Anton Schlembach, der das Bistum Speyer von 1983 bis 2007 geleitet hatte. In der Deutschen Bischofskonferenz ist Bischof Wiesemann seit 2011 Vorsitzender der Jugend-Kommission sowie Mitglied der Ökumene-Kommission. Zudem ist er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) auf Bundesebene.

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