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Jemeniten unter Generalverdacht?

Benjamin Bathke
23. Februar 2017

Ein Leben ohne Girokonto ist schwer vorstellbar. In Deutschland hat jeder das Recht darauf. Doch Dutzenden hier lebenden Jemeniten wurden jetzt die Konten gekündigt, sogar dem Botschafter. Die Banken mauern.

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Bild: picture-alliance/dpa/A. Warmuth

Für viele aus dem Jemen stammende Studenten und Geschäftsleute in Deutschland begann das Jahr 2017 mit einer bösen Überraschung. Denn seit einiger Zeit kündigen die Deutsche Bank und eine Reihe weiterer Kreditinstitute Dutzenden von ihnen die Girokonten, ohne Gründe dafür zu benennen. Auch jemenitische Diplomaten, allesamt Kunden bei der Commerzbank, sind von der Kündigungswelle betroffen.

"Sämtliche jemenitische Diplomaten erhielten Mitte Oktober das gleiche Kündigungsschreiben von der Commerzbank", sagte Yahia Mohammed Abdullah Al-Shaibi,Botschafter der Republik Jemen in Deutschland, gegenüber der DW. Mit Ausnahme der Konten des Botschafters und der Botschaft, die mit Wirkung zum 15. März auslaufen, wurden alle Konten bereits am 15. Dezember terminiert. Jemenitische Vertretungen im europäischen Ausland oder Diplomaten anderer Länder in Deutschland sind laut Al-Shaibi nicht betroffen.

Die Kündigungen würden nicht nur den jemenitischen Diplomaten "große Schwierigkeiten bereiten", so Al-Shaibi weiter. Auch die betroffenen jemenitischen Studenten und Geschäftsleute würden unter der Lage leiden.

Kündigungsschreiben der Commerzbank an den Botschafter der Republik Jemen vom 10. Oktober 2016Bild: DW/B. Bathke

"Für unsere Studenten ist es eine Katastrophe, wenn sie ihre Miete nicht bezahlen und Studiengebühren nicht überweisen können", sagte Abdulhameed Al-Mahfadi, Vorsitzender des Vereins jemenitischer Studenten in Deutschland gegenüber der DW. "Es fühlt sich an wie eine Abschiebung."

Bereits seit 20 Jahren habe man Geschäftsbeziehungen mit der Commerzbank, betont Al-Shaibi, seit September 2016 oberster jemenitischer Diplomat in Deutschland. Bis zum Oktober des vergangenen Jahres habe es keine Probleme gegeben. Auf Nachfrage der DW teilte die Commerzbank mit, dass sie "ohne Angabe von Gründen" Konten kündigen dürfe. Weitergehend wolle man sich nicht dazu äußern.

 

Die Deutsche Bank war zu keiner Stellungnahme bereit.

Genau wie die Commerzbank beruft sich dieDeutsche Bank in ihren Kündigungsschreiben auf die in Deutschland herrschende Vertragsfreiheit, die besagt, dass Dienstleister wie Banken - genau wie Kunden - das Recht haben, Konten jederzeit unbegründet zu kündigen. Voraussetzung ist die Einhaltung einer zweimonatigen Kündigungsfrist. 

Auch die Berliner Sparkasse, von der später noch die Rede sein wird, äußerte sich zurückhaltend. In der Antwort findet sich zumindest ein erster Hinweis, warum es ausgerechnet Menschen aus dem Jemen trifft. Anträge auf Eröffnung eines Girokontos  - so heißt es von der Sparkasse - würden unter Berücksichtigung "Compliance-relevanter Aspekte" geprüft. "Dazu gehören neben Anforderungen, die sich aus dem Kreditwesengesetz und dem Geldwäschegesetz ergeben u.a. auch Sanktions- und Embargobestimmungen seitens der EU sowie der amerikanischen Aufsicht, soweit relevant".

      

Empörung über die Kündigungswelle

Abdulhameed Al-Mahfadi geht - basierend auf einer von ihm initiierten Umfrage in einer Facebook-Gruppe -  von mindestens 74 Fällen gekündigter Konten aus. Demnach hätten alle Betroffenen über einen Zeitraum von Sommer 2016 bis Ende Januar dieses Jahres ein ähnlich formuliertes Kündigungsschreiben erhalten. Der DW liegen vier solcher Kündigungsschreiben der Deutschen Bank vor. Die meisten Konten wurden Mitte/Ende Januar gekündigt und sind nach Ablauf der zweimonatigen Kündigungsfrist ab Ende März nicht mehr nutzbar.

Abdulhameed Al-Mahfadi, Vorsitzender des Vereins jemenitischer Studenten in DeutschlandBild: DW/B.Bathke

Al-Mahfadi, der 2012 aus dem Jemen nach Deutschland kam und im siebten Semester an der Universität Hannover Maschinenbau studiert, sagt, keine Bank sei nach den Kündigungen zur Eröffnung eines neuen Kontos bereit gewesen. Ausnahmen seien die Sparkasse Hannover und die Türkisch-Kuwaitische KT Bank mit Sitz in Berlin. Wie im Falle der Diplomaten sind laut des Studenten-Vertreters keine Jemeniten in anderen europäischen Ländern oder andere Nationalitäten in Deutschland betroffen. Deshalb fühlen sich viele jemenitische Studenten diskriminiert und pauschal verdächtigt, so Al-Mahfadi.

"Die meisten unserer Studenten haben Angst, dass sie Probleme in der Gesellschaft und bei anderen Banken bekommen. Deshalb haben viele nicht an der Umfrage teilgenommen", so der 24-Jährige.

2013 wurden während des Atomstreits mit dem IranKonten von mehr als 2000 iranischen Studenten in Deutschland, Österreich und Tschechien eingefroren. Die meisten von ihnen waren Kunden bei der Commerzbank, der Deutschen Bank und der HypoVereinsbank. Das ist viel im Vergleich zu den weniger als 100 bekannten Fällen der Jemeniten, aber in Deutschland leben deutlich mehr iranische als jemenitische Staatsangehörige (ca. 70.000 gegenüber ca. 2000). Und auch iranische Diplomaten waren damals nicht betroffen.

Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, zeigte sich gegenüber der DW über die Kündigungswelle empört. "Wenn Menschen ihre Konten verlieren, nur weil sie aus einem bestimmten Land kommen, dann ist das schlicht eine Diskriminierung. Dies muss die Bundesregierung den Banken gegenüber unmissverständlich klar machen." Nouripour kündigte an, einen Brief an die Regierung zu schreiben.

Andere Banken verweigern Kontoeröffnungen

Das Auswärtige Amt, an das sich Botschafter Al-Shaibi direkt nach den Kündigungen im Oktober gewandt hatte, hätte sich überrascht gezeigt und ihm versichert, dass die Entscheidung nicht von einer Behörde getroffen worden war. Weiterhin hätte das Amt versprochen, sich des Sachverhalts anzunehmen und verwies Al-Shaibi an andere Banken wie die Sparkasse.

Yahia Mohammed Abdullah Al-Shaibi, Botschafter der Republik Jemen in DeutschlandBild: Jemenitische Botschaft Berlin

Von denen war aber laut Botschafter keine einzige bereit, Konten für die jemenitischen Diplomaten zu eröffnen. Zumindest bei den Privatbanken ist dieser Vorgang auf dem Papier legal: Eine Abschlusspflicht bei Kontoeröffnungsanträgen besteht in Deutschland nicht. Bei der Berliner Sparkasse, einem öffentlich-rechtlichen Kreditinstitut, sieht die Sache allerdings anders aus.

Nach eigenen Angaben hatte sich die Berliner Sparkasse bereits vor der Einführung des sogenannten Basiskontos im vergangenen Juni per Berliner Sparkassengesetz selbstverpflichtet, jedem Kunden ein Girokonto auszustellen. In zwei Fällen wurden Gesuche jemenitischer Diplomaten laut Al-Shaibi Anfang November auch gewährt - nach einem Monat wurden die Konten allerdings wieder gekündigt. Der Botschaft gegenüber habe die Berliner Sparkasse mitgeteilt, sie könne die Gründe "entsprechend den Gepflogenheiten des Kreditgewerbes" nicht mitteilen. Studenten-Vertreter Al-Mahfadi sagte, auch jemenitische Studenten hätten von der Berliner Sparkasse Ablehnungen bekommen.

Wie aus Kreisen des Auswärtigen Amtes zu erfahren war, steht das Amt mit der jemenitischen Botschaft in Kontakt und versucht derzeit, bei der Lösung des Problems hilfreich zu sein. Auf die Frage, ob die Hilfestellung ausreichend gewesen sei, antwortet Botschafter Al-Shaibi: "Bedauerlicherweise nein."

Spekulationen über mögliche Gründe

Die Kündigungen werfen eine Reihe von brisanten Fragen auf: Was ist der Grund für die bankenübergreifende Kündigungswelle? Wissen Banken, welchem Jemeniten wann und warum gekündigt wurde? Und warum sind scheinbar nur Jemeniten betroffen?

Einen möglichen Ansatzpunkt bieten die verstärkten Sorgfaltspflichten der Banken bei sogenannten "politisch exponierten Personen" (PeP) wie Diplomaten sowie ein von gewissen Ländern ausgehendes erhöhtes Risiko für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Informationen darüber kommen u.a. von den Länderlisten der überstaatlichen Financial Action Task Force (FATF), die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an von ihr beaufsichtigte deutsche Banken verteilt. Laut FATF sei der Jemen derzeit ein "Hochrisiko und nicht kooperationsbereiter Einflussbereich". Neun weitere Länder stehen auf der "Schwarzen Liste" der FATF, darunter Nordkorea, der Iran und Syrien.

Die Hälfte der zehn auf der "schwarze Liste" geführten Länder befinden sich im Nahen und Mittleren Osten

In deraktuellen Risikobewertung des Jemen der FATF vom Oktober letzten Jahres steht allerdings, der Jemen habe seit 2010 "Fortschritte" bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gemacht. In einem separaten Rundschreiben vom Mai 2016 hatte die BaFin deutsche Banken angehalten, bei der Bewertung der Länderrisiken die "Situation in den genannten Ländern bzw. von Personen aus diesen Ländern angemessen zu berücksichtigen".

Die BaFin äußerte gegenüber der DW aber auch, dass die Herkunft aus einem "Hochrisikoland" weder das automatische "Vorliegen eines Verdachtsfalls" bedeute noch dass den Betroffenen "automatisch ein Konto zu kündigen ist". Maßgeblich sei die "individuelle Risikosituation unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls". Mit anderen Worten: Ein erhöhtes Risiko rechtfertigt die unbegründete Beendigung von individuellen Kundenbeziehungen nicht, schon gar nicht von einer ganzen Bevölkerungsgruppe.

Dass alle benannten Banken gleichzeitig den Jemen in der Risikoeinstufung schlechter bewertet haben und deshalb Konten gekündigt und Kontogesuche abgelehnt haben, scheint zumindest basierend auf diesen Informationen fraglich.

Es gibt einige Indizien dafür, dass die Kündigungen unter den Bereich "Maßnahmen zur Risikominimierung" fallen. Eins davon ist die aktuell erhöhte Unsicherheit und Risikoscheu unter Banken aufgrund negativer PR und Geldbußen. Vor allem die Deutsche Bank, Deutschlands größtes Kreditinstitut, musste zuletzt in den USA massive Strafen wegen Geldwäsche zahlen. Allerdings beantwortet auch das nicht die Frage, warum anscheinend nur Jemeniten betroffen sind.

Wie sieht es mit den nach der Kündigungswelle abgelehnten Kontoeröffnungen aus - haben Banken in Deutschland trotz desBankgeheimnisses einen Überblick darüber, wem wann und warum gekündigt wurde?

Auf Anfrage der DW sagte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Finanzen und Verbraucherschutz (BMJV), dem Ministerium lägen keine Informationen darüber vor, "ob und inwieweit Banken Einsicht in die Bankhistorie potenzieller Kunden haben, die ein Konto eröffnen wollen".

Den allermeisten der betroffenen Jemeniten hilft das alles bislang nicht. Sie müssen jeden Tag aufs Neue sehen, wie sie ohne Girokonto über die Runden kommen.

 

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