1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikNahost

Gekappte Verbindung

3. Mai 2021

Inder stellen die größte Bevölkerungsgruppe in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Sie müssen besonders unter den Corona-Reisebeschränkungen leiden: Alle Flugverbindungen von Indien in die Emirate sind gestrichen.

VAE Dubai Skyline
Skyline von Dubai, Teil der Vereinigten Arabischen EmirateBild: Imaginechina/Tuchong/imago images

Für die einen sind Heimreisen nicht mehr möglich, für die anderen ist der Weg zur Arbeit versperrt: Wegen des Anstiegs von Corona-Infektionen in Indien haben die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) die Aussetzung von Flügen bis zum 15. Mai verlängert. Und das hat weitreichende Folgen für die größte Bevölkerungsgruppe in den Emiraten - die Inder.

Mehr als 3,4 Millionen Einwohner der VAE stammen aus Indien, das sind - wie Zahlen der Vereinten Nationen zeigen - etwa 30 Prozent der Gesamtbevölkerung. Dagegen sind nach Angaben der Weltbank nur etwa zehn Prozent der rund zehn Millionen Einwohner der VAE tatsächlich emiratische Staatsbürger.

"Um ehrlich zu sein, haben wir erst mit dem Verbot und dann mit dessen Verlängerung gerechnet, da andere Länder bereits zuvor Verbindungen gekappt haben", sagt Lakshmi S., eine 33-jährige Angestellte im Gesundheitswesen aus Andhra Pradesh, die vor fünf Jahren nach Dubai gezogen ist. Lakshmi möchte nicht, dass die DW ihren Nachnamen veröffentlicht - "aus Angst", wie sie sagt. Der Grund: Ihr Mann arbeitet in Dubais Bauindustrie und ihm wurde gesagt, dass er wahrscheinlich im kommenden Monat seinen Job verlieren wird.

Arbeitsmigranten in Dubai (2019): "Missbräuche systembedingt"Bild: Emmanuel Catteau/imago images

Die Mehrheit der ausländischen Arbeitnehmer ist an das Kafala-System gebunden, das die Visa von Migranten von der Unterstützung ihrer Arbeitgeber abhängig macht. Trotz einer Änderung im Jahr 2017, die zu mehr Rechten führte, entspricht das Gesetz nicht internationalen Standards und bietet ausländischen Arbeitnehmern weniger Schutz als einheimischen.

"Das Kafala-System führt zu der ungerechten Lage der Arbeitsmigranten. Missbräuche sind systembedingt", sagt Hiba Zayadin von Human Rights Watch. "Mit Beginn der Pandemie waren Wanderarbeiter gezwungen, in ihre Heimatländer zurückzukehren, oft ohne ausstehende Löhne, die sie dann vor Arbeitsgerichten geltend machten", berichtet Zayadin.

Die Organisation "Migrants Rights" hat einen Bericht zur Situation der Arbeitssuchenden veröffentlicht. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass diejenigen, die keine Arbeit finden oder während ihrer Probezeit zu den Arbeitsagenturen zurückgeschickt werden, mit extremer sozialer Unsicherheit konfrontiert sind. "Die Abhängigkeit der Arbeiter nimmt zu", so Meenu Seethi, eine der Forscherinnen, die an dem Bericht mitgewirkt hat.

Keine Möglichkeit zur Rückreise

Zusätzlich zu den sich verschlechternden Lebens- und Arbeitsbedingungen hat das Flugverbot dazu geführt, dass Inder, die nach Hause gereist sind, um ihre Freunde und Familien zu besuchen oder zu unterstützen, jetzt wegen der starken Ausbreitung des Coronavirus dort festsitzen sind. Die Fluggesellschaften nennen keine Zahlen, wie viele Passagiere betroffen sind, aber normalerweise gibt es jeden Tag Dutzende Flüge zwischen Indien und den Emiraten. Die Airlines bieten ihren Kunden nun Umbuchungsmöglichkeiten an und versprechen eine schnelle Wiederaufnahme der Flüge.

Preeti Ranjalkar ist eine der vielen Inderinnen, die nicht in die VAE zurückkehren können, nachdem sie ihre Tochter in der südwestindischen Hafenstadt Mangaluru besucht hat. "Ich bin seit dem 2. April im Urlaub und sollte am 30. April zurückfliegen, aber jetzt stecke ich fest. Ich bin Gynäkologin und habe meinen Patientinnen Termine ab dem 1. Mai gegeben", sagte Ranjalkar der emiratischen Zeitung "Khaleej Times".

Solidarität in schwierigen Zeiten

Trotz ihrer eigenen schwierigen Situation haben viele Mitglieder der indischen Community in Dubai private Initiativen zur Unterstützung ihrer alten Heimat gegründet. Diese Woche startete Anuradha K. eine Social-Media-Initiative, um Geld zu sammeln. Damit sollen Geräte zur Produktion von Sauerstoff gekauft und nach Indien geschickt werden.

Denn Sauerstoff zur Beatmung von schwer erkrankten Corona-Patienten ist in Indien äußerst knapp. "Ich war schockiert, als ich die Nachrichten sah, und es war mir eine Herzensangelegenheit, Menschen über Facebook zu erreichen", sagt Anuradha K., die ebenfalls ihren Nachnamen nicht nennen möchte.

Verladung leerer Sauerstoffbehälter (in Bengaluru): "Ich war schockiert, als ich die Nachrichten sah"Bild: Manjunath Kiran/AFP

Die Unterstützung war überwältigend. "Wir haben jetzt fast zehn mit Solarzellen betriebene Geräte zur Produktion von Sauerstoff sicher", sagt die 52-Jährige, die ursprünglich aus Hyderabad stammt und seit  25 Jahren in den Emiraten lebt. Anstatt an den indischen Staatsfonds zu spenden, möchte sie die Geräte an einen Rotary Club schicken, der von einer Freundin geleitet wird.

Auch von staatlicher Seite gibt es Hilfe für den Nachbarn auf der anderen Seite des Indischen Ozeans: In einem Telefonat Ende April teilte VAE-Außenminister Scheich Abdullah bin Zayed Al Nahyan seinem indischen Kollegen Subrahmanyam Jaishankar mit, dass seine Regierung ihre volle Unterstützung und Solidarität anbiete. Die VAE haben Geräte zur Produktion von Sauerstoff nach Indien geliefert.

Und es gab ein weiteres starkes Zeichen der Verbundenheit - wenn auch nur ein symbolisches: Das größte Gebäude der Welt, der Burj Khalifa, wurde aus Solidarität in den Farben der indischen Flagge angestrahlt.

Adaptiert aus dem Englischen von Marco Müller.

Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen