Sicherheitsdienste in Deutschland
20. Februar 2013 Der Andrang vor dem Discounter ist groß, wie jeden Mittwoch wenn es Sonderangebote gibt. Aber heute sind Flachbildfernseher und Notebooks stark reduziert, deshalb warten noch mehr Kunden als sonst. Um punkt acht Uhr werden die Türen geöffnet und die Masse ist nicht mehr zu bändigen. Keine zehn Minuten später sind alle Artikel vergriffen und ein Streit beginnt. Es kommt zu Rangeleien, Beleidigungen und schließlich wird sogar ein Messer gezückt. Diese Szene ereignete sich vor einigen Jahren in der Stadt Marsberg. Wachleute gab es damals keine. Sie hätten diese Eskalation möglicherweise verhindern können. Heute gelten daher andere Sicherheitsregeln: "Wenn Kaufhäuser ein Sonderangebot anbieten oder ein Event planen, bei dem sie mit einem großen Ansturm von Leuten rechnen können, dann müssen Sie auch einen Sicherheitsdienst engagieren", sagt Arnold Plickert, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Nordrhein-Westfalen.
In der Tat übernehmen private Sicherheitsdienste zunehmend Aufgaben, für die früher allein die Polizei zuständig war. Sie haben aber nicht die gleichen Rechte und auch nicht die gleiche Ausbildung wie Polizisten. Die Leute vom Sicherheitsdienst tragen aber ebenfalls Uniformen, manchmal auch Waffen. Und manche Mitarbeiter der privaten Firmen gehen bei ihrer Arbeit offenbar zu weit: Immer häufer kommt es zu Beschwerden wegen Freiheitsverletzung oder Pannen.
Aber nicht nur Veranstalter und andere Unternehmen engagieren private Sicherheitsdienste. Auch die Bundespolizei gehört zu den Kunden. An deutschen Flughäfen sind die Sicherheitschecks der Passagiere inzwischen fest in der Hand von Privatfirmen - unter der Oberaufsicht der Bundespolizei. Die privaten Kontrolleure machen die Arbeit offenbar sehr viel kostengünstiger.
Auch bei Großveranstaltungen, wie etwa bei Fußballspielen, hält Polizeigewerkschafter Plickert es für richtig, dass private Sicherheitskräfte stärker in die Pflicht genommen werden: "Der Veranstalter muss hier durch entsprechende Maßnahmen dafür sorgen, dass die Sicherheit der Besucher gewährleistet ist. Die Polizei ist am Veranstaltungsort nur dann zuständig, falls es zu schweren Auseinandersetzungen kommt, die Straftaten zur Folge haben."
Das Geschäft mit der Angst boomt
Kaum ein Dienstleistungsbereich expandierte in den vergangenen Jahren so wie die Sicherheitsfirmen. Seit 2005 hat sich die Zahl der privaten Ordnungshüter fast verdoppelt. "Im Jahr 2011 sind 37.500 im Bereich Schutz und Sicherheit tätig gewesen. Wenn ich mir die Beschäftigtenzahlen der letzten Jahre angucke, dann sehe ich, dass es immer mehr sind", stellt Paul Ebsen, Pressesprecher der Bundesagentur für Arbeit, fest. Ob als Bodyguard, Betriebsschützer oder Türsteher - immer mehr Menschen in Deutschland verdienen ihr Geld als Sicherheitskraft.
Der Einstieg in die Branche ist nicht schwierig. "Grundsätzlich wird von dem Arbeitnehmer verlangt, dass er eine Ausbildung zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit absolviert hat", sagt Ebsen. Die Polizei bemängelt trotzdem, dass es zu viele Quereinsteiger gibt. "Gute Sicherheitsdienste schulen ihre Mitarbeiter ständig weiter, aber es gibt nicht nur gute", so Arnold Plickert von der Gewerkschaft der Polizei. Viele Sicherheitsleute sind sich ihrer Aufgaben und Rechte deshalb nicht bewusst. "Ein Sicherheitsdienst darf keine Gewalt androhen oder anwenden. Er darf auch niemanden Verhaften oder ihm die Freiheitsrechte entziehen. Er darf Ausweiskontrollen durchführen, aber keine Zwangsmittel anwenden, wenn jemand seinen Ausweis nicht zeigen möchte."
Schikane durch Sicherheitskräfte bei Amazon
Der Versandhändler Amazon war in den vergangenen Tagen in die Schlagzeilen geraten, weil ein öffentlich-rechtlicher Sender über schlechte Arbeitsbedingungen von Saisonarbeitern aus dem Ausland am deutschen Sitz des US-Versandhändlers berichtet hatte. In dem Film wurden Mitarbeiter der Sicherheitsfirma "Hensel European Security Services" (H.E.S.S.) aus Kassel gezeigt, wie sie in Pullovern der bei Rechtsextremisten beliebten Marke "Thor Steinar" die Unterkünfte von ausländischen Leiharbeitern überwachten - und sowohl das Filmteam als auch die Ausländer schikanierten. Die Sicherheitsleute hatten nach Angaben von Mitarbeitern jederzeit Zutritt zu den Wohnungen der Leiharbeiter und durchsuchten deren Taschen.