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Politik

Deutschland als neuer Weltpolizist?

12. November 2019

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer will aus der Bundeswehr eine globale Interventionsarmee machen und das Ansehen der Truppe im Inneren stärken. Nicht allen ist wohl bei dieser Vorstellung.

Deutschland Diskussion über Wehrpflicht
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

"Ich gelobe, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen." Das haben einige hundert neue Rekruten am Dienstag bei einem feierlichen Appell vor dem Reichstagsgebäude in Berlin und in anderen deutschen Städten bekannt.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) rannte mit ihrem Wunsch nach einem großen öffentlichen Gelöbnis politisch offene Türen ein. Die Christdemokraten sind dafür, der Koalitionspartner SPD ebenso, sogar Winfried Kretschmann, der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hatte keine grundsätzlichen Einwände, obwohl die Grünen lange mit dem Militär gefremdelt haben. Und der evangelische Militärbischof Sigurd Rink unterstützte den Vorschlag als Beitrag zu einer "Enttabuisierung der Bundeswehr". Von den im Bundestag vertretenen Parteien war einzig die Linkspartei dagegen.

Die Ministerin geht in die Offensive: Kramp-Karrenbauer bei einem Truppenbesuch im Nordirak Bild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Bundeswehr soll sichtbar sein

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, genannt AKK, geht es bei ihrem Vorstoß um mehr Anerkennung und Sichtbarkeit der Truppe. Die Bundeswehr gehöre "erkennbar und sichtbar in die Mitte unserer Gesellschaft, in die Mitte unserer Städte und Gemeinden".

Öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr sind nicht selbstverständlich für ein Land, dessen Militär vor 80 Jahren den Zweiten Weltkrieg herbeiführte. Als 1980 SPD-Verteidigungsminister Hans Apel zum ersten Mal eine Gelöbnisfeier im Bremer Weserstadion abhielt und nicht hinter Kasernenmauern, gab es gewalttätige Proteste mit mehreren hundert Verletzten.

In den Anfangsjahren war die Bundeswehr in weiten Teilen der Gesellschaft umstrittenBild: picture-alliance/dpa/K. Rohwedder

Heute werden nicht nur die Appelle, sondern auch Auslandseinsätze der Bundeswehr kaum noch infrage gestellt. Verteidigungsministerin AKK geht mit ihren Ideen noch einen Schritt weiter. Sie betrachtet Deutschland als künftige, auch militärische "Gestaltungsmacht", wie sie in mehreren Reden in den vergangenen Wochen dargelegt hat.

So will sie einen Nationalen Sicherheitsrat einrichten, der die Mittel von Diplomatie, Militär, Wirtschaft, Handel, Innererer Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit koordinieren soll. Sie verlangt außerdem schnellere Parlamentsbeschlüsse bei Einsätzen und fordert, zusammen mit den Verbündeten müsse notfalls das "Spektrum militärischer Mittel" auch "ausgeschöpft" werden.

Von militärisch-sicherheitspolitischer Seite kommt überwiegend Zustimmung. Harald Kujat, der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militär-Ausschusses, hat AKKs Ideen als erste richtige Schritte bezeichnet. Speziell die Schaffung eines Sicherheitsrates unterstützt auch Wolfgang Ischinger, der Chef der Münchener Sicherheitskonferenz.

Zu viele Einsätze?

Doch es gibt auch Widerstand. Hans-Peter Bartels, der Wehrbeauftragte des Bundestages hält die Bundeswehr im Moment schlicht für überlastet. Derzeit sind über 3000 Soldaten im Ausland im Einsatz, darunter Afghanistan, Mali und Niger, auf dem Balkan, im Mittelmeer, im Indischen Ozean, in Jordanien und im Irak. Dazu kommen weit größere Nato-Verpflichtungen in Europa. "Die Truppe plagen bereits jetzt Engpässe", so Bartels.

Die Bundeswehr ist heute weltweit im Einsatz

Auch außenpolitisch weht der Ministerin der Wind ins Gesicht. Deutsche Alleingänge schließt sie aus, bei  Militärmissionen will sie gemeinsam mit den Verbündeten handeln. Doch wer sind die möglichen Verbündeten? Die erste Wahl ist für Deutschland normalerweise die NATO. 

Hat die NATO für "hirntot" erklärt: Macron, hier beim Gedenken an den Waffenstillstand am 11.11. 1918 Bild: Getty Images/AFP/L. Marin

Doch ausgerechnet Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte das Bündnis jüngst wegen der unsicheren Haltung der USA für "hirntot" und warb stattdessen für eine stärkere europäische Sicherheitszusammenarbeit. Bundeskanzlerin Angela Merkel wies darauf den angeblich engsten politischen Verbündeten ungewöhnlich brüsk zurecht und erklärte: "Die NATO ist der zentrale Pfeiler unserer Verteidigung."   

Rücktritt eines Bundespräsidenten

In der deutschen Innenpolitik hat sich die Einstellung zur Bundeswehr und ihrer Aufgabe in den vergangenen zehn Jahren deutlich verändert. Ein Beispiel dafür war der Rücktritt des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler. Er sah sich nach einem Interview über die Rolle der Bundeswehr gezwungen, sein Amt abzugeben.

2010 trat Horst Köhler als Bundespräsident zurück. Man warf ihm grundgesetzwidrige Vorstellungen zur Rolle der Bundeswehr vorBild: picture-alliance/dpa

Köhler hatte erklärt, man müsse verstehen, "dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung…wissen muss, dass…im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege". Von "Kanonenbootpolitik" war in der massiven Kritik die Rede, das Grundgesetz erlaube keine Wirtschaftskriege.

Nicht viel anders als Köhler damals argumentiert heute die Verteidigungsministerin. Niemand fordert deshalb ihren Rücktritt. Die Kritik richtet sich eher gegen die Überlastung der Bundeswehr und weniger gegen den Grundsatz einer neuen, größeren Rolle für das deutsche Militär. Dass Deutschland sich stärker militärisch engagieren soll, scheint bis auf Einzelstimmen kaum mehr umstritten. 

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