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Geldaquise per Internet

Günther Birkenstock23. April 2013

Zuerst waren es Künstler, die sich von der Internetgemeinde Geld liehen, um Projekte zu verwirklichen. Heute benutzen auch Kommunen das Mittel, um Ausgaben zu finanzieren, statt einen Kredit aufzunehmen.

Spielfiguren stehen auf einem verzweigten Liniennetz (Foto: picture alliance)
Bild: picture alliance/dpa Themendienst

Sich von Freunden Geld zu leihen, um eine Idee durchzusetzen, ist nicht neu. Aber erst das Internet machte es möglich, in kürzester Zeit eine große Gruppe von Menschen als Unterstützer für ein Projekt zu gewinnen. Crowdfunding heißt das Zauberwort. Die Schwarmfinanzierung durch viele Kapitalgeber findet immer mehr Anhänger.

Rund 40.000 Euro brauchen Anna Seckler und ihre Mitstreiter, um im September die P/ART auf die Beine zu stellen, eine neue Hamburger Kunstmesse für junge Kreative. Doch Sponsoren für ein noch kaum bekanntes Projekt zu finden, ist schwierig. Deshalb wollen die jungen Kunstunternehmer 5000 Euro ihrer Kosten mit Crowdfunding decken: Kulturbegeisterte Unterstützer sollen ihnen mit Kleinstbeträgen ab zehn Euro helfen, ohne finanziell davon zu profitieren und ohne Anteile zu erwerben. Als Gegenleistung gibt es handsignierte Posterunikate oder persönliche Betreuung während der Messe - je nach eingesetztem Geldbetrag.

Das Internet als Investoren-Pool

Diese Online-Form der Geld-Akquise ist erst seit wenigen Jahren bekannt. Crowdfunding-Plattformen im Internet vermitteln dabei Macher und Spender. Sie stellen die einzelnen Projekte vor und weisen den Weg zur finanziellen Beteiligung.

Ein System mit wachsendem Erfolg. Ein spektakuläres Beispiel ist die Finanzierung des Kinofilms "Stromberg". Innerhalb von nur einer Woche hatten im Dezember 2011 mehr als 3000 Geldgeber eine Million Euro investiert, nachdem auf einer eigens dafür eingerichteten Internet-Seite für das Projekt geworben wurde. Die Dreharbeiten sind inzwischen angelaufen. Ins Kino kommen soll Film, der die Versicherungsbranche aufs Korn nimmt, im Februar 2014.

Gelungene Schwarmfinanzierung: Der Kinofilm "Stromberg"Bild: Brainpool/Willi Weber

Spezialfall Gemeindefinanzierung

Auch Kommunen haben die Schwarmfinanzierung als Alternative zum Bankkredit für sich entdeckt. Beispiel Oestrich-Winkel, ein 12.000-Einwohner-Ort in Hessen. Die Gemeinde brauchte Geld für die Finanzierung digitaler Funkgeräte ihrer Feuerwehr.

Durch Zufall lernte der ehemalige Bürgermeister von Oestrich-Winkel, Paul Weimann, 2011 drei junge Wirtschaftwissenschaftler der nahen European Business School kennen und ließ sich von ihrer Idee der Projektfinanzierung überzeugen. Steffen Boller, Jamal El Mallouki und Johannes Laub übernahmen mit ihrem Unternehmen "LeihDeinerStadtDeinGeld" die technische Realisierung und das Marketing, der Bürgermeister bürgte und sorgte für die amtlichen Voraussetzungen des Crowdfunding.

"Hier muss natürlich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Bafin, eingeschaltet werden, hier muss das Land eingeschaltet werden und die oberste Kommunalaufsicht", sagt Paul Weimann. Geschieht das nicht, könnte der Gemeinde vorgeworfen werden, eine verdeckte Finanzierung zu versuchen. Die ist verboten. Denn eine Kommune darf keine Kreditgeschäfte abwickeln.

Paul Weimann: Crowdfinanzierung hat Politiker und Bürger zusammengebrachtBild: Hans-Jürgen Heyer

Rechtliche Hürden

Schmerzvoll erfahren hatte das im Jahr 2009 die norddeutsche Gemeinde Quickborn, die versuchte, ein Minus infolge von Gewerbesteuerausfällen durch Bürgerbeteiligungen auszugleichen. Die Bafin stoppte das Projekt, nachdem die Stadt innerhalb weniger Tage mehrere Millionen Euro von Bürgern "eingesammelt" hatte. Deshalb schalteten die jungen Betriebswirtschaftler für die Feuerwehr-Funkgeräte von Oestrich-Winkel eine Kooperationsbank ein, um die rechtlichen Bedingungen einzuhalten. Die Bank vergibt ein Darlehen an die Gemeinde und tritt zugleich alle Ansprüche an die Bürger ab. 

Gleichzeitig kümmerten sich die jungen Betriebswirte darum, dass das Projekt bekannt wird, schrieben Pressemeldungen, entwarfen einen Werbe-Flyer und riefen zu einer Bürgerversammlung auf. Der Erfolg: 160.000 Euro wurden von den Bürgern zur Verfügung gestellt, zu einem minimalen Zinssatz. Manche verzichteten sogar ganz auf Zinsen.

Manche spenden, manche leihen

Jamal El Mallouki schätzt, dass es derzeit mehr als 20 deutsche Crowdfunding-Plattformen gibt. Die Angebote der Schwarmfinanzierung seien jedoch nicht immer gleich. Man müsse zwischen Crowdfunding, das auf Spenden basiert, und solchem, wo Geld verliehen werde, unterscheiden.

Mit ihrem Finanzierungprojekt in Oestrich-Winkel haben die Gründer von "LeihDeinerStadtDeinGeld" bundesweit für Aufsehen gesorgt. Inzwischen zeigen auch andere Kommunen Interesse an dem Modell. Außerdem haben die Betriebswirte bereits eine zweite Plattform aus der Taufe gehoben. Mit "LeihDeinerUmweltDeinGeld" können sich Bürger an privatwirtschaftlichen Umweltprojekten beteiligen, Solarstromparks und Windkraftwerke unterstützen.

Jamal El Mallouki: Die Schwarmfinanzierung wird schnell zunehmenBild: Antje Kern Fotografie

Für Paul Weimann liegt der Erfolg des Crowdfunding-Projektes nicht nur in der günstigen Finanzierung der neuen Funkgeräte für die örtliche Feuerwehr. "Die Menschen hier sind sehr froh und stolz darauf, dass sie sich eingebracht haben. Ich bin ständig mit ihnen im Gespräch." Damit sei die sogenannte Politikverdrossenheit vieler überwunden worden. Außerdem könne man das Modell ausbauen, betont Weimann. "Ich könnte mir vorstellen, dass wir so etwas auch im sozialen Bereich machen. Zum Beispiel bei Kindergärten und Spielplätzen." Das neue bürgerschaftliche Engagement sei der eigentliche Gewinn der Idee.

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