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Gelungene Integration rechnet sich

Volker Wagener28. April 2016

Was kostet die Aufnahme der Flüchtlinge den deutschen Staat? Die Heinrich-Böll-Stiftung ist dieser Frage nachgegangen. Ergebnis: Zuwanderung kann sogar Gewinn abwerfen, sagt Dorothee Schulte-Basta im DW-Interview.

Deutschland Gambische Flüchtlinge (Bild: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

DW: Frau Schulte-Basta, die deutsche Bevölkerung wächst. Allerdings nicht durch Neugeborene, sondern durch Flüchtlinge. Ist das langfristig ein Segen für die Wirtschaft und die öffentlichen Kassen, oder kommt uns das am Ende teuer zu stehen?

Dorothee Schulte-Basta: Die Herausforderung der Flüchtlingsaufnahme scheint rein finanziell gesehen beherrschbar zu sein. Dies zeigt sich insbesondere bei einem Vergleich mit den Kosten des demografischen Wandels. Wir haben für unsere Studie unterschiedliche Szenarien rechnen lassen. Selbst im denkbar schlechtesten Fall mangelnder Integration entstehen pro Kopf und Jahr für die einheimische Bevölkerung maximal zusätzliche Kosten in Höhe von 86 Euro. Die Kosten, die durch Verschuldung und Alterung der Gesellschaft entstehen, belaufen sich schon jetzt auf 1154 Euro pro Kopf und pro Jahr.

Es kommen ja nicht scharenweise Herzchirurgen und Ingenieure zu uns, die sofort vermittelbar wären. Viele unter den Neuankömmlingen sind gar nicht oder nur schlecht ausgebildet. Ist denn diese Personengruppe Ihren Berechnungen nach innerhalb von zehn Jahren qualifizierbar?

Das haben wir so nicht gerechnet. Wir haben die Registrierdaten des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) von 2008 zu Grunde gelegt und mit der deutschen Bevölkerung verglichen. Außerdem haben wir das Bildungs- und Ausbildungsniveau der einheimischen Bevölkerung mit dem der Flüchtlinge in ein Verhältnis gesetzt. Dabei haben wir unterstellt, dass sich Flüchtlinge mindestens so gut qualifizieren wie Einheimische mit niedrigerem Qualifikationsniveau, also ohne abgeschlossene Ausbildung.

Dorothee Schulte-Basta von der Böll-Stiftung fordert Investitionen in die Berufsausbildung von ZuwanderernBild: Heinrich Böll Stiftung

Was wir wissen ist, dass unter denen, die zu uns kommen, 35 Prozent einen Gymnasial- oder Hochschulabschluss haben. Das bezieht sich auch auf die Berufsausbildung. Da helfen uns die Daten des BamF sehr. Je nach Herkunft unterscheidet sich das noch einmal. Zum Beispiel haben von den Syrerinnen und Syrern 50 Prozent einen Hochschul- oder Gymnasialabschluss. Natürlich gibt es auch welche, die gar keinen Schulabschluss haben. Bei der Berufsausbildung kann man nicht davon ausgehen, dass der Großteil eine abgeschlossene Berufsausbildung hat, so wie wir sie hier in Deutschland kennen. Das muss man eben auch klar sagen.

2015 kamen mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland. In diesem und den nächsten Jahren dürfte der Zustrom geringer werden. Muss das Jahr 2015 ein Ausnahmejahr bleiben, damit die ursprünglich humanitäre Hilfe langfristig ein Gewinn für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft wird?

Prognosen kann man nur schwer treffen. Wie viele werden 2016 kommen? Wie viele werden bleiben? Das können wir nicht vorhersagen. Deswegen haben wir 2015 als Szenario gewählt. Eine Million geflüchteter Menschen, die herkommen und bleiben, das war unsere Berechnungsgrundlage.

Was muss die Politik leisten, um eine möglichst schnelle Integration zu fördern und damit berufliche Qualifikation zu ermöglichen?

Sie muss wirklich schnell sein. Und es braucht eine massive politische Intervention zugunsten von Qualifikation - und zwar jetzt. Unsere Studie belegt: der wichtigste Faktor für den Beitrag humanitärer Zuwanderung zu den öffentlichen Haushalten ist das Niveau der beruflichen Qualifikation. Er ist noch wichtiger als die Schnelligkeit des Integrationsprozesses. Das heißt, es ist entscheidend, dass die Menschen ausreichend qualifiziert werden, also so, wie die einheimische Bevölkerung mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Da wird viel Richtiges schon diskutiert. Wichtig ist: schnell und massiv intervenieren. Das lohnt sich.

Dorothee Schulte-Basta ist Referentin für Sozialpolitik der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin.

Das Interview führte Volker Wagener

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