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Gemeinsam gegen die Fußball-Übermacht

Tobias Oelmaier
31. Juli 2018

Die Sommersportarten wollen mehr Medien-Präsenz. Deshalb unternehmen sie mit gemeinsamen Europameisterschaften den Versuch, neue Anhänger zu finden. Die European Championships erleben ihre Premiere in Glasgow und Berlin.

European Championships - Turnen in Glasgow
Auch die Turner erhoffen sich durch die European Games mehr Aufmerksamkeit für ihre SportartBild: picture-alliance/epa/R. Perry

Siegfried Kaidel denkt schon weiter: "Es wäre schön, wenn der nächste Schritt Richtung gemeinsame Weltmeisterschaften ginge, dann vielleicht alle vier Jahre", sagt der Vorsitzende des Deutschen Ruderverbandes (DRV) im Gespräch mit der DW. Die European Championships in Glasgow und Berlin vom 2. bis 12. August 2018 will Kaidel, der auch Sprecher der olympischen und nichtolympischen Spitzenverbände im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist, vor allem nutzen, um Erfahrungen zu sammeln, um vergleichen zu können. Schließlich ist es eine Premiere. 

Eine Premiere, die auch aus einer Not geboren ist. Die Sommersportarten müssen neue Wege gehen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden sie durch König Fußball immer weiter in die Ecke gedrängt, in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Ländern. Die Medienpräsenz schwindet in dem Maße, in dem sich der Fußball ausdehnt. Viele deutsche Sportverbände klagen auch deshalb über Mitglieder-Rückgänge, Nachwuchs ist immer schwerer zu finden.

Wintersport als Vorbild

Die Wintersportarten haben vorgemacht, wie ein Überleben möglich ist. Biathlon, Skispringen, Rodeln oder Ski alpin sind in Deutschland seit Jahren zuverlässige Quotenbringer in den übertragenden TV-Anstalten. Stundenlang springen die Sender von einem Event zum nächsten. Das funktioniert, weil sich die Disziplinen abstimmen, Zeiten koordinieren und man zu Zugeständnissen bereit ist. Letztlich profitieren davon aber alle beteiligten Sportarten. Denn die Zuschauer werden gebunden, ihr Interesse wird auch an Disziplinen geweckt, die sie bislang nicht oder kaum kannten.

DRV-Präsident Siegfried Kaidel: "Die Idee gibt es schon lange"Bild: Imago/HMB-Media/H. Becker

Nun also übernehmen einige der wichtigsten Sommersportarten dieses Konzept. Ruderer, Turner, Golfer, Schwimmer, Radsportler und Triathleten ermitteln ihre Europameister in Glasgow, die Leichtathleten zeitgleich in Berlin. Dass es überhaupt zu dieser räumlichen Trennung und Aufteilung gekommen ist, liegt an den bereits abgeschlossenen Verträgen des Leichtathletik-Verbandes.

100 Stunden live im Fernsehen

"Das ist ein Experiment", sagte ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann über das bevorstehende Event. "Wir hoffen, dass unsere Zuschauer das Erfolgsrezept des Wintersports im Fernsehen nun auch im Sommer annehmen." Die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten werden an den zehn Tagen 100 Stunden live aus Glasgow und Berlin berichten. Teilweise beginnen die Übertragungen schon um 9 Uhr morgens und enden erst am späten Abend. "Die Möglichkeit für so vielseitige Übertragungen hat man sonst nur bei Olympischen Spielen", freut sich ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Weitere Übertragungen bieten die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender im Internet an. Dort werden bis zu drei parallele Live-Streams laufen, allerdings nicht alle mit Kommentar. Insgesamt berichten europaweit 40 EBU-Mitglieder 2700 Stunden lang. 

"Die Idee für solche gemeinsamen Meisterschaften gibt es schon lange", erzählt Kaidel. ARD und ZDF hätten schon vor Jahren mit den nationalen Verbänden darüber beraten - allein an der Terminfindung haperte es. Zu unterschiedlich liegen die Saisonhöhepunkte in den einzelnen Sportarten. Während beispielsweise seine Ruderer mit der WM Anfang September ihr Highlight haben, gibt es bei den Straßenradsportlern gleich mehrere hochkarätige Veranstaltungen übers ganze Sommerhalbjahr verteilt, angefangen mit den Frühjahrsklassikern über Giro d´Italia, die Tour de France bis hin zur Straßen-WM, die Ende September stattfindet. Da war es schwierig, zu einem Konsens zu kommen.

Nur drei Jahre Vorlaufzeit

So brauchte es erst die European Broadcasting Union (EBU), den Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Europas, um das Projekt zu realisieren. In Zusammenarbeit mit der EBU vereinbarten die Kontinentalverbände der Leichtathleten, der Schwimmer, der Radsportler, der Ruderer und der Triathleten bereits 2015, ihre Einzelmeisterschaften im Rahmen der European Championships abzuhalten. Dazu gesellten sich wenig später noch die Kunstturner sowie die Golfer, die in Glasgow ihre neu ins Leben gerufenen Team-Europameisterschaften ausrichten werden.

Freilich hätte man es sich auch einfacher machen können, und in das bestehende Konzept der European Games, einer Veranstaltung des Europäischen Olympischen Komitees (EOK), einsteigen können. Die fanden 2015 erstmals in Baku statt, 2019 wird Minsk Gastgeber sein. Westeuropäische Ausrichter sucht man beim EOK bisher vergeblich. So sagt Stefan Kürten, Direktor Sport bei der EBU, auf DW-Anfrage: "Die European Championships haben das für Fernsehsender überzeugendere Konzept. Anders als die European Games sind die Championships zwar ein neues aber kein zusätzliches Sportereignis; es sind bereits bestehende Europameisterschaften nun unter einem Dach. Auch handelt es sich überwiegend um Sportarten, deren Europameisterschaften schon in der Vergangenheit für das Free-TV interessant waren." 

Die größte Herausforderung bei der Umsetzung waren für Kürten die Kommunikation und Entscheidungsabläufe  zwischen den verschiedenen Interessensgruppen: "Bei diesem Projekt haben alle innerhalb kürzester Zeit aus dem Stand von Null auf Hundert beschleunigen müssen. Innovations- und Risikobereitschaft sowie eine gehörige Portion Entschlossenheit hat alle geeint."

Gemeinsame WM wird wohl schwierig

Der Deutsche Ruderverband hat nur in sieben der 14 olympischen Bootsklassen Teilnehmer gemeldet, schickt ein abgespecktes Aufgebot nach Glasgow. Was, so Kaidel, finanzielle Gründe hat: "Als wir in den Planungen für diese Saison waren, hatte der Haushaltsplan des Bundesinnenministeriums wegen der schleppenden Regierungsbildung noch nicht vorgelegen. Die Mittel waren eingefroren, und die WM war uns einfach wichtiger."

Maskottchen Berlino steht für die Leichtathletik-EMBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Dennoch werden nun bei diesen ersten European Championships insgesamt rund 4500 Athleten aus 52 Nationen an den Start gehen, 3000 in Glasgow und 1500 in Berlin. Und Ruderverbands-Präsident Siegried Kaidel hätte auf Dauer gerne noch mehr. Allerdings relativiert er seine WM-Pläne dann doch: "So eine Veranstaltung für Europa zu organisieren, ist schon schwierig, den ganzen Weltsport terminlich unter einen Hut zu bringen, ist es aber noch viel komplizierter". Und EBU-Mann Kürten, einer der Väter der Idee der European Champonships, winkt ebenfalls ab: "Dafür haben wir die Olympischen Spiele."

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