Gemeinsam gegen Kohle
13. Mai 2016Sitting Bull gehört zu seinen Vorbildern. Der unbeugsame Häuptling der Lakota-Indianer ging in die Annalen ein, weil er gegen die Politik der US-Regierung Widerstand leistete und sich um Versöhnung mit ehemaligen Kriegsgegnern bemüht hatte.
Milan Schwarze hat sich nicht nur mit der Kultur indigener Völker beschäftigt, sondern auch mit Gesellschafts- und Kapitalismuskritik: "Als ich mich mit dem Klimawandel auseinandersetzte, habe ich realisiert, dass die Industrialisierung, das enorme Wachstumsstreben, zur Zerstörung der gesamten Lebensgrundlagen führen kann." Seither verbringt der 28 Jahre alte Erzieher und Waldpädagoge seine freie Zeit damit, Klimacamps zu organisieren, Bildungsarbeit im Umweltschutz zu betreiben und bei Kampagnen gemeinsam Widerstand zu leisten.
Das Schicksal selbst in die Hand nehmen
Im August 2015 war Milan Schwarze einer von 1500 Besetzern des Tagebaus Garzweiler. Die Bilder von der Blockade gingen um die Welt. "Es geht eine geballte Stärke von solch einer Aktion aus", beschreibt der Umweltschützer sein Gefühl und seinen Antrieb: "Wir wollen den Klimawandel aufhalten, um den nächsten Generationen eine Zukunft zu bewahren. Diese Ziele haben wir ganz stark verinnerlicht in unseren Köpfen und Herzen, wenn wir in solch eine Aktion gehen."
Sein Wunsch sei es, dass mit den Folgen des Klimawandels gerecht umgegangen werde. Es müsste ein Ausgleich geschaffen werden zwischen Verursachern, den Industriestaaten, und den Leidtragenden im globalen Süden, die Dürre und Überschwemmungen ausgesetzt seien.
Milan Schwarze lebt vor, wovon er träumt: Ein einziges Mal in seinem Leben hat er ein Flugzeug benutzt, als Schüler auf Klassenfahrt nach Barcelona. Er reist gewöhnlich mit dem Zug und lebt in einer Wohngemeinschaft, "weil das einiges an Platz und Ressourcen spart". Seine Eltern, die anfangs skeptisch waren, unterstützen ihn moralisch bei seinem Tun.
Dass die Umwelt-Aktivisten in den Medien, von Polizei und Energieunternehmen oft als Chaoten verunglimpft werden, empört Milan Schwarze. "Wir betonen immer, wie wichtig es uns ist, niemanden zu schaden, weil wir Leben schützen wollen. Wir brauchen aber solche Protestaktionen, weil wir ein Problem mit dem Kohleabbau haben."
Sie wollen ein Zeichen setzen, damit sich in der Politik was ändert, fügt er mit Bedacht hinzu. "Wir nehmen unser Schicksal selbst in die Hand, damit die Kohlebagger nicht weiter die Landschaft zerstören und die Kraftwerke unsere Zukunft zerstören."
Nicht legal, aber legitim handeln
Die Bündnisse mit den Namen "Ende Gelände!" und "ausgeCO2hlt" leisten zivilen Ungehorsam. Gemeinsam mit den Atomkraftgegnern setzen die Verfechter alternativer Energien Mittel und Methoden ein, die illegal und doch aus ihrer Sicht legitim sind, also moralisch vertretbar.
Dafür klettern sie an Fassaden hoch, um Transparente mit ihren Forderungen zu enthüllen. Sie ketten sich an Bahngleise, um Castor-Transporte, Züge mit hochradioaktivem Atommüll, aufzuhalten. Und seit 2012 haben Anti-Kohle-Gegner den Hambacher Forst besetzt. Der Wald ist so groß wie 7700 Fußballfelder, mit alten und mächtigen Buchen und Eichen und seltenen Tierarten.
Er war einst Naherholungsgebiet und bot den Bewohnern anliegender Dörfer Schutz gegen den Tagebaustaub. Allerdings will das Energieunternehmen RWE die darunter lagernde Braunkohle fördern und dafür den Forst vernichten. Die Verbrennung des fossilen Energieträgers verursacht die höchsten Emissionen von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre. Die Behörden wollen das Camp von der Polizei räumen lassen. Doch die Umweltschützer berufen sich auf ihr Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.
Die Tagebaue in der Lausitz lahmlegen
Nun hat die Anti-Kohle-Bewegung dem Versorger Vattenfall den Kampf angesagt. Zwischen dem 13. und 16. Mai will die Bewegung die Tagebaue des schwedischen Konzerns in der Lausitz blockieren. Milan Schwarze hat sich wieder beim Aktionstraining vorbereitet: "Wir üben, Polizeiketten zu durchlaufen und das Einhaken, damit es den Einsatzkräften schwerfällt, uns wegzutragen, wenn wir bei Blockaden passiv Widerstand leisten."
Wichtig sei es, ruhig zu bleiben, langsam auf die Polizeibeamten zuzugehen und doch sehr entschlossen aufzutreten. "Sich nicht provozieren zu lassen, lautet die Devise." Das jahrelange Yoga-Training helfe ihm, zu jeder Zeit gelassen zu bleiben, sagt der Aktivist.
Bei den Trainings werden auch juristische Fragen besprochen. Die Teilnehmer müssten sich im Klaren darüber sein, wie weit man gehen dürfe, ohne straffällig zu werden. In Gewahrsam genommen zu werden, kalkulieren die Aktivisten ein. Auch Milan Schwarze wurde von der Polizei schon mit auf die Wache mitgenommen. "Ich musste meine Personalien angeben. Wer sich weigert, muss seine Fingerabdrücke hinterlassen."
Nach zwölf Stunden muss man freigelassen werden. So schreibt es das Gesetz vor. "Ich bin mir über den Sinn meines Handelns bewusst, es geht nicht um ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Es geht mir um den Klimawandel."
Milan Schwarze überlegt erst, bevor er auffallend ruhig spricht. Er habe einen starken Bezug zur Natur und empfinde eine große Freude darüber, auf der faszinierenden Erde leben zu dürfen. "Daraus ziehe ich sehr viel Kraft und Entschlossenheit." Klingt so, als hätte Sitting Bull gesprochen.