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Öko-Enzyklika: Gemischte Erwartungen

Christoph Strack17. Juni 2015

Nie zuvor hat ein Papst dem Thema Ökologie eine ganze Enzyklika gewidmet. Papst Franziskus will der erste sein. Der Veröffentlichung seines Lehrschreibens "Laudato si" blicken nicht alle Katholiken positiv entgegen.

Papst Franziskus Lampedusa Flüchtlinge Italien
Bild: Reuters

Für Mattias Kiefer ist der Klimawandel "eine Überlebensfrage der Menschheit". Und diese Bewertung teile die weit überwiegende Mehrheit der Fachleute, sagt der 42-Jährige. Kiefer ist Umweltbeauftragter der Erzdiözese München-Freising und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der deutschen Bistümer (AGU). Wie seine Kollegen in den 26 anderen deutschen Diözesen schaut Kiefer gespannt auf den Donnerstag, an dem Papst Franziskus seine Ökologie-Enzyklika präsentieren will.

Schon lange vor der Veröffentlichung sorgte das angekündigte Lehrschreiben für Spannung, hohe Erwartungen und auch für Kritik. Ohne dass der Text oder auch nur einzelne Passagen daraus bekannt wären.

Zwar kamen einzelne ökologische Aspekte in päpstlichen Rundschreiben der vergangenen 50 Jahre immer mal wieder zur Sprache. Aber nie zuvor hat sich ein Oberhaupt der Katholischen Kirche in einer eigenen Enzyklika mit Umweltfragen befasst, dem Schutz der Schöpfung, der Bedrohung des Lebens durch den Klimawandel. Und nun ist es Papst Franziskus, der so vieles im System Kirche anstößt, der aber auch politisch mitmischen will. Der Papst aus Lateinamerika, der sich schon in einer Reihe von Reden pointiert politisch, häufig sozialpolitisch geäußert hat, legt nach gut zwei Jahren im Amt seine zweite Enzyklika vor. Zuvor kam mit dem Rundschreiben "der vier Hände" im Juni 2013 bereits ein gemeinsamer Text der beiden Päpste Franziskus und Benedikt.

Papst Benedikt sprach 2011 vor dem Deutschen Bundestag von der "Ökologie des Menschen"Bild: Getty Images

"Schrei nach frischer Luft"

Von Papst Benedikt XVI. stammt eine der wichtigeren öffentlichen Äußerungen eines Papstes zum Thema Ökologie. Seine akademisch geprägte Rede vor dem Bundestag im September 2011 drehte sich um das Verhältnis von Natur und Vernunft. Dabei kam der inzwischen zurückgetretene Papst auch auf "das Auftreten der ökologischen Bewegung in der deutschen Politik seit den 70er Jahren". Und sprach vom "Schrei nach frischer Luft", "den man nicht überhören darf und nicht beiseite schieben kann, weil man zu viel Irrationales darin findet. Jungen Menschen war bewusst geworden, dass irgendetwas in unserem Umgang mit der Natur nicht stimmt." Dem Papst ging es da um eine "Ökologie des Menschen", die Grünen sahen sich mit ihrem umweltpolitischen Engagement in dieser Passage bestätigt.

Mit Blick auf das jetzige Schreiben von Franziskus ist bereits von einer "grünen Enzyklika" die Rede. Es geht - so der Untertitel - um die "Pflege unseres gemeinsamen Hauses". Konkreter: um den Klimawandel und die dramatischen Folgen für zig Millionen Menschen in Entwicklungsländern, um die Verantwortung der Industriestaaten, um eine Neubestimmung des Verhältnisses zur Schöpfung. Spannend wird sein, wie sich Individualethik und Sozialethik in dem Dokument zueinander verhalten, also der Anspruch an den einzelnen und die Verpflichtung zur gesellschaftlichen Ausgestaltung.

Und der Titel des Lehrschreibens "Laudato si" mag zunächst lyrisch anmuten. Aber Franziskus verweist damit auf jenen großen Heiligen, der in der Kirchengeschichte für den Respekt und die Liebe zur Schöpfung steht wie kein anderer: Franz von Assisi (1181/82-1226). Seinen Sonnengesang mit dem immer wiederkehrenden "Laudato si" (Gelobt seist Du) kennen fast alle Deutschen aus dem Religionsunterricht - seit Mitte der 70er Jahre mit der Melodie von Winforde Pilz.

"Jenseits politischer Kategorien"

Mattias Kiefer, Umweltbeauftragter der deutschen BistümerBild: privat

Umweltbeauftragter Mattias Kiefer warnt davor, bei der Lektüre zu pauschal politische Kategorien auf Kirche anzuwenden. Das funktioniere nur sehr bedingt und sei deshalb auch "nur sehr bedingt hilfreich", betonte er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Wenn sich ein Papst im selben Dokument einerseits für den Schutz des menschlichen Lebens in allen Phasen und sich andererseits für deutlich konsequenteren Klimaschutz ausspreche, "unterläuft das die gängigen Zuschreibungen von Politik".

Das mag den politischen Streit eröffnen. Schaut man über den deutschen und mitteleuropäischen Kontext hinaus, so fällt vor allem in einem Land eine Debatte über "Laudato si" auf, bevor der Wortlaut überhaupt veröffentlicht wurde. Schon seit Monaten läuft in den USA eine ausgesprochen kontroverse Debatte über eine möglicherweise zu deutliche politische Mitsprache des Papstes. In Blogs, in Zeitungen, auch in politischen Beiträgen. Konservative Think-Tanks rüsten auf.

"Wissenschaft und Lehramt"

Der Republikaner Rick Santorum, selbst Katholik, der sich um das nächste Präsidentenamt bewerben will, rief den Papst auf, "die Wissenschaft den Wissenschaftlern zu überlassen". Zum Klimawandel habe er keine Lehrautorität, sekundierten ihm andere Konservative. Im Stillen mögen einzelne Oberhirten, die den Republikanern nahe stehen, diese Bedenken teilen. Dem hielt John L. Allen, einer der wichtigsten US-amerikanischen Vaticanisti, entgegen, wer auch immer Franziskus als Impuls für eine bestimmte politische Richtung vereinnahmen wolle, gehe in die Irre.

Die katholische Kirche in Deutschland ist da gewiss weiter. Auch wenn das Umweltengagement in den 1970er Jahren als Steckenpferd einzelner Diözesen begann - heutzutage haben alle 27 Bistümer eigene Umweltbeauftragte. Nach dem gesamtgesellschaftlichen Bewusstsein für den "Umweltschutz", so Kiefer, sei dem Thema "etwas zeitversetzt auch mehr und mehr kirchliche Aufmerksamkeit" zuteil geworden. Dafür stünden auch offizielle Verlautbarungen der Deutschen Bischofskonferenz wie "Zukunft der Schöpfung - Zukunft der Menschheit" (1980), "Handeln für die Zukunft der Schöpfung" (1998), "Der Klimawandel. Brennpunkt globaler, intergenerationeller und ökologischer Gerechtigkeit" (2006) oder "Der Schöpfung verpflichtet. Anregungen für einen nachhaltigen Umgang mit Energie" (2011). Auf jeden Fall hat Kirche, haben die Kirchen bei dem Thema neue Bündnispartner gefunden und Aufmerksamkeit in anderen Milieus geweckt.

2013 veröffentlichte Papst Franziskus seine erste Enzyklika "Lumen fidei"Bild: Gabriel Bouys/AFP/Getty Images

Mattias Kiefer betont, in Anbetracht der "Massivität der ökologischen Herausforderungen und der Dringlichkeit entgegenzusteuern" sei weder das gesamtgesellschaftliche noch das kirchliche Bewusstsein "ausreichend". Deshalb findet er: Der Papst mische sich "bei der Klimafrage nicht in eine anderswo geführte Debatte ein, sondern, umgedreht, macht sie zu einem auch kirchlichen Thema".

Während einer seiner Pressekonferenzen im Papstflieger erörterte Franziskus vor Monaten, er wolle die Ökologie-Enzyklika im Sommer 2015 vorlegen, um mit zeitlichem Vorlauf appellierend vielleicht etwas erreichen zu können beim Ende November beginnenden UN-Klimagipfel in Paris. Eine deutliche Mahnung für die Pariser Beratungen wird sein Text auf jeden Fall werden.

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