EU: Wir wollen mit Griechen reden
26. Januar 2015"Der Wahlsieg der Syriza wird die Schwäche der Wirtschaft in der EU weiter verstärken", meinte der konservative britische Premier David Cameron aus London. In Paris gratulierte der sozialistische Präsident, Francois Hollande, dem neuen Ministerpräsidenten Griechenlands zum Wahlsieg und hofft auf gute Zusammenarbeit. In Brüssel kündigte der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker an, er werde natürlich mit jeder griechischen Regierung zusammen arbeiten. "Es hätte ja noch gefehlt, dass wir uns weigern würden, mit der neuen griechischen Regierung zu reden. Wir werden im Detail studieren, wie die Wunschliste der griechischen Regierung aussieht", sagte Juncker nach dem Erdrutschsieg der radikalen Linken im hoch verschuldeten Griechenland. Es wird erwartet, dass Alexis Tsipras, der neue Regierungschef, noch diese Woche nach Brüssel reisen wird, um dem Rat, der EU-Kommission und dem Parlamentspräsidenten seine Wunschliste zu präsentieren. Im Wahlkampf hatte Tsipras einen Schuldenschnitt und ein Ende der von den Kreditgebern verordneten Sparpolitik angekündigt.
Schuldenschnitt in weiter Ferne
"Ich glaube, Tsipras wird sehr schnell einsehen, dass die Frage des Schuldenschnitts gar nicht die wichtigste Frage für Griechenland ist", sagte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) der DW.
"Ich selbst glaube nicht, dass der Schuldenschnitt kommen wird, aber viel wichtiger ist, dass der Haushaltsüberschuss, der zum ersten Mal da ist, stabilisiert wird, dass das Wachstum, dass zum ersten Mal da ist, gefördert wird und dass wir den Kampf gegen die Steuerflucht, vor allem in Griechenland, aufnehmen." Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, versuchte betont gelassen, auf den ja erwarteten Wahlsieg der Linken in Griechenland zu reagieren. Einen Schuldenerlass habe Griechenland derzeit gar nicht nötig, heißt es aus der EU-Kommission. "Im Moment habe ich das nicht auf meinem Radarschirm, aber wir reden ja noch mit den neuen griechischen Verantwortlichen. Ich glaube nicht, dass der Schuldenschnitt jetzt eine dringende Frage wäre", sagte Juncker vor Reportern. EU-Beamte meinen, es sei viel wichtiger, sich bis Ende Februar auf die Auszahlung der letzten Kredittranche aus dem laufenden Rettungsprogramm zu einigen.
Verhandlungen sind geboten
Aus dem Lager der Linken gibt es hoffnungsvollere Töne. Die Fraktionsvorsitzende der Linksparteien im Europäischen Parlament, Gabi Zimmer, sagte der DW, es komme vor allem darauf an, ehrlich mit der neuen griechischen Regierung zu verhandeln. " Ich denke, es geht in erster Linie darum, den Menschen in Griechenland zu signalisieren, dass man nicht mehr mitmachen und zusehen wird, wie das Gesundheitssystem und andere soziale Strukturen zerschlagen werden. Das muss sich dringend ändern. Das weiß auch die Europäische Union. Das wissen die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank." Am Ende hält Gabi Zimmer einen Erlass von Schulden für möglich, ganz einfach, weil Griechenland seine Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen könne. Wenn der Schuldenberg während der Rettung in den vergangenen vier Jahren von 135 auf 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen sei, dann müsse ja wohl etwas gründlich faul sein beim Rettungsplan, so Frau Zimmer.
Weg vom Wahlkampf - hin zu realistischen Verhandlungen
Der Finanzexperte der konservativen Fraktion im Europäischen Parlament, Markus Ferber (CSU), hält die meisten markigen Forderungen von Syriza an die Geldgeber für Wahlkampfgetöse. Nach der Wahl sehe das Ganze anders aus. Einen Schuldenschnitt für Griechenland lehnt Ferber ab. "Ein Schuldenschnitt ist kurzfristig eine Maßnahme, die Griechenland entlasten würde, ist aber langfristig eine Maßnahme, die das Vertrauen der Finanzmärkte nicht stärken wird." Das würde bedeuten, so Ferber, dass Griechenland langfristig am Tropf der Solidarität der Europäischen Union hängen würde und auf absehbare Zeit nicht an die Finanzmärkte zurückkehren könnte. "Und das ist genau nicht Aufgabe der Rettungsschirme. Die Rettungsschirme sollen Hilfe zur Selbsthilfe geben. Deswegen ist ein Schuldenschnitt das falsche Signal an die Märkte."
Die Ankündigung von Alex Tsipras, Griechenland werde die internationalen Finanzkontrolleure der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds vor die Tür setzen, halten viele EU-Politiker für einen Bluff. Ebenso die Drohung, notfalls die griechischen Schulden einfach nicht mehr zu bedienen. "Wenn einer sagt, ich zahle nicht zurück, dann muss er immer auch in Betracht ziehen, dass die anderen sagen, dann geben wir dir kein Geld mehr. Ich glaube, das wird relativ schnell dazu führen, dass wir nicht ideologisch wie in Wahlkämpfen, sondern rational wie bei Verhandlungen handeln", sagte dazu Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments. Er halte Tsipras durchaus für einen Mann der Kompromisse schließen kann, wenn er denn wolle, bestätigte Schulz der DW nach einem Telefonat mit Alexis Tsipras.
Koalition mit Rechtspopulisten sorgt für Verwunderung
Die EU könnte bereit sein, Griechenland bei der Laufzeit der Hilfskredite entgegen zu kommen und diese auf 50 Jahre zu verlängern, hießt es aus Kreisen der EU-Kommission. Auch eine Veränderung der Zusammensetzung der Kontroll-Troika, die in Griechenland besonders verhasst ist, scheint möglich. Der Chef der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, hatte das bereits angedeutet. Das wiederum regt den konservativen Abgeordneten Markus Ferber auf. Schließlich sei die Troika Teil der Kreditverträge. Wer das ändern wolle, müsse die Verträge ändern und bräuchte dazu auch die Zustimmung des Deutschen Bundestages, sagte Markus Ferber. Dass die linksradikale Syriza-Bewegung nun ausgerechnet mit rechten Populisten koalieren wird, um eine absolute Mehrheit im Parlament zu sichern, findet der Präsident der Europäischen Parlament Martin Schulz befremdlich. Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Europäischen Parlament, Gabi Zimmer, versuchte es so zu erklären: " Ich glaube, dass angesichts der Situation in Griechenland überhaupt keine linken Weltbilder passen.(...) Es geht hier darum, eine breite Unterstützung im Volk zu organisieren. Das ist wahrscheinlich der Hintergrund."