Gen Z erhebt sich: Globale Proteste unter Piratenflagge
1. Oktober 2025
Madagaskar: Unerschrockene Protestbewegung gegen den Präsidenten
Für Herizo Andriamanantena, Sprecher der Gruppe Gen Z Madagascar, ist die Sache ziemlich klar: "Wir haben die Pflicht, wirklich alles zu ändern. Sicher ist, dass wir die Amtsenthebung und den Rücktritt (des Präsidenten) erwarten. Vor allem diesen Rücktritt", sagt er der DW.
Die weltweite Protestwelle der Generation Z hat nun auch Madagaskar erreicht. "Alles ändern" heißt für die Demonstrierenden: Schluss mit Misswirtschaft und Korruption, auch Präsident Andry Rajoelina muss endlich weg, die von ihm durchgedrückte Entlassung der Regierung reicht ihnen nicht.
Bei den Protesten, die sich zunächst gegen Stromausfälle und Trinkwasserknappheit richteten, wurden nach Angaben der Vereinten Nationen in den vergangenen Tagen mindestens 22 Menschen getötet und 100 verletzt.
Aber die Mobilisierung, getragen von gut ausgebildeten Menschen zwischen 18 und 28 Jahren, gehe trotz der Bedrohungen und Einschüchterungen weiter, so Andriamanantena. Die jungen Leute sehen sich schließlich in der Mehrzahl: Mehr als die Hälfte der 32 Millionen Einwohner Madagaskars ist unter 30 Jahre alt. Ihr leuchtendes Vorbild: Nepal.
Nepal: Generation Z treibt Regierung aus dem Amt
26 Social-Media-Plattformen wie Facebook und TikTok hatte die Regierung Nepals blockiert, angeblich um die nationale Sicherheit zu schützen. Die Generation Z protestierte, Zehntausende gingen auf die Straße.
Unter dem Hashtag #Nepo Babies (eine Bezeichnung für Leute, die durch Nepotismus und ihre einflussreichen Eltern aufsteigen) machten sie Korruption und Vetternwirtschaft öffentlich - und stürzten trotz Dutzender Toter nicht nur die Regierung von Premierminister Khadga Prasad Sharma, sondern drückten nach einer Online-Abstimmung auch Sushila Karki, die ehemalige oberste Richterin Nepals und anerkannte Kämpferin gegen Korruption, als Nachfolgerin durch.
"Wir erwarten ein kontinuierliches politisches Erwachen, das von der Generation Z geprägt ist", sagt Rajat Das Shrestha, einer der führenden Köpfe der Gen Z-Bewegung in Nepal, der DW. "Regierungen können stürzen, wenn die Jugend sich erhebt."
Das, was sich in vergangenen Wochen im 30 Millionen-Einwohner-Land zwischen China und Indien abspielte, ist die Blaupause vieler Gen Z-Protestbewegungen auf dem ganzen Globus.
Wenn die Machthaber "die Träume und Frustrationen junger Menschen weiterhin ignorieren, werden ähnliche Ereignisse in vielen anderen Ländern dieser Region stattfinden", so Rajat Das Shrestha. Wie in Indonesien und auf den Philippinen, wo jüngst ebenfalls wütende junge Menschen gegen Korruption und Ungleichheit auf die Straße gingen.
Serbien: Aufstand der Generation Z nach Bahnhofseinsturz
Nicht nur in der Region Asien, sondern auch in Europa protestiert die Generation Z. "Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte", berichtet Jelena Popadic, eine der Sprecherinnen der Protestbewegung der DW. Was die Medizinstudentin meint, ist, dass die serbische Politik versuchte, den Dacheinsturz am Hauptbahnhof von Novi Sad am 1. November 2024 mit 16 Toten zu vertuschen. Wahrscheinliche Ursache der Tragödie: Pfusch am Bau und Korruption.
Seitdem, beinahe ein Jahr schon, bringt die Generation Z das Sieben-Millionen-Einwohner-Land zum Stillstand - mit besetzen Hochschulen, wöchentlichen Demonstrationen und blockierten Straßenkreuzungen sowie Attacken gegen das Büro der Fortschrittspartei von Präsident Aleksandar Vucic. Denn längst richten sich die Proteste vor allem gegen die autoritäre Regierung des serbischen Präsidenten.
Ihr Schlachtruf: "Pumpaj", was so viel wie "Leg‘ nach" oder "Dreh‘ auf" bedeutet. Vucic versucht die Proteste mit Gewalt zu unterdrücken – vergebens.
"Die Studenten haben keine Angst und sie haben diese Haltung auf das ganze Volk übertragen", sagt der geschasste Polizeigeneral Bogoljub Zivkovic der DW. Der General war nach mehr als 30 Dienstjahren von Aleksandar Vucic frühzeitig in den Ruhestand beordert worden, weil sein Sohn, Jura-Student, sich ebenfalls an den Demonstrationen beteiligt und ein Ende der Korruption gefordert hatte.
Marokko, Peru, Paraguay – Gen Z-Protestwelle schwappt bis nach Lateinamerika
Keine Angst hat auch die bisher anonym geführte Jugendbewegung in Marokko, wo es nach Protesten in der Nacht zum Mittwoch (1. Oktober) nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa zu 280 Verletzten und mehr als 400 Festnahmen kam.
Vor allem das Dauer-Thema Korruption treibt die jungen Menschen dort auf die Straße. Aber auch der Bau von Stadien für die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2030, die Marokko gemeinsam mit Spanien und Portugal ausrichtet, anstatt dass, wie die "Gen Z 212" fordert, neue Krankenhäuser gebaut werden.
Warum "Gen Z 212"? Ganz einfach: 212 ist die internationale Ländervorwahl für Marokko. Die Aufrufe zu den Demonstrationen laufen über soziale Netzwerke wie TikTok, Instagram und die Gaming-Plattform Discord.
Und auch in Paraguay und Peru sind die jungen Menschen die Vetternwirtschaft leid, wollen keine leeren Versprechen der Politik mehr akzeptieren. "Wir sind 99,9 Prozent und wollen keine Korruption", lautete das Motto der Proteste in der paraguayischen Hauptstadt Asunción am vergangenen Wochenende.
Zuvor hatte sich die Generation Z in Lima lautstark mit Trommeln gegen Korruption, die ungeliebte Präsidentin Dina Boluarte und die geplante Reform des Rentensystems zu Protesten erhoben.
In Peru sehr präsent, wie bei allen Demonstrationen der Gen Z auf der ganzen Welt: eine Piratenflagge mit einem Totenkopf und Strohhut aus dem Kult-Anime "One Piece".
Die Hauptfigur des Piraten-Epos, Monkey D. Ruffy, kämpft darin für Freiheit und Gerechtigkeit. Eines seiner berühmtesten Zitate dürften wohl alle jungen Protestierenden sofort unterschreiben: "Ich will eine Welt erschaffen, in der alle meine Freunde so viel essen können wie sie wollen!"