1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

General Haftar, Al-Sisi und Libyens Zukunft

15. April 2019

Während seine Truppen auf Tripolis vorrücken, ist General Haftar nach Kairo gereist, um Präsident Al-Sisi zu sprechen. Es scheint, dass beide Männer kooperieren wollen. Das könnte weitreichende Folgen für Libyen haben.

Libyscher Militärbefehlshaber Khalifa Haftar mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi im Präsidentenpalast in Kairo
Bild: Reuters

Am Montag ging Ahmed Maitik von der international anerkannten Regierung in die publizistische Offensive. Der Stellvertreter von Ministerpräsident Fayiz Al-Sarradsch warnte vor den Folgen, die es haben könnte, wenn es General Haftar, gelingen würde, von Tripolis aus den Rest des Landes zu unterwerfen. Vor rund anderthalb Wochen hat der mächtige Warlord Chalifa Haftar seine Truppen in Richtung Tripolis in Bewegung gesetzt.

"Haftar verkauft Europa und der Welt, die Idee, dass er den Terrorismus besänftigen wird", sagte Maitik der italienischen Tageszeitung "La Repubblica". "Doch stattdessen wird er für 30 Jahre einen Bürgerkrieg, eine 30 Jahre dauernde die Herrschaft der Terrormiliz IS sowie 30 Jahre Verwüstung herbeiführen." Die internationale Staatengemeinschaft dürfe Haftar auf keinen Fall unterstützen.

Die Äußerung Maitiks zeigt, unter welchem Druck die Regierung Al-Sarradsch steht. In der Tat habe diese zuletzt an Boden verloren, sagt die Politologin Canan Atilgan, Leiterin des Regionalprogramms "Politischer Dialog Südliches Mittelmeer" der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tunis. Im Westen Libyens - dies ist die einzige Region, in der das Kabinett wirklich Macht hat - habe es zuletzt wachsende Frustration angesichts der schwachen Regierungsleistung gegeben, sagt Atilgan: "Die Regierung Al-Sarradsch ist vor allem eine Regierung des Stillstandes. Sie hat zwar hie und da einige Entwicklungen unter Kontrolle gebracht, insgesamt aber nichts Wesentliches erreicht."

Vormarsch: Ein Kämpfer General Haftars unterwegs in Richtung Tripolis Bild: Reuters/E.O. Al-Fetori

Im Osten des Landes sehe es hingegen anders aus. "Dort hat Haftar mit seiner sogenannten 'Armee' für Sicherheit und Stabilität gesorgt." Außerdem habe seine Libyan National Army (LNA) auch administrative Aufgaben übernommen. "Und diese Leistung hat dazu geführt, dass ihr Ansehen gestiegen ist."

Gespräche in Kairo

In den letzten Tagen ist Haftars Vormarsch in Richtung der libyschen Hauptstadt Tripolis wiederholt ins Stocken geraten. Derzeit aber stehen seine Truppen einige Kilometer vor dem Stadtzentrum. Haftar selbst reiste während des Vorstoßes nach Kairo, wo er den ägyptischen Staatspräsidenten Abdel Fattah Al-Sisi traf. Über den konkreten Inhalt der Gespräche wurde nichts bekannt. Thema seien "die jüngsten Entwicklungen in Libyen" gewesen, berichtete die ägyptische Zeitung "Al-Ahram".

Umso deutlicher äußerten sich im Ausland erscheinende arabische Zeitungen. Haftar wende sich gegen die international anerkannte Regierung des Landes, heißt es etwa in einem Kommentar der in London erscheinenden Zeitung "Al-Quds al-Arabi". "Wenn Al-Sisi ihn dabei unterstützt, heißt dass, dass er einen illegalen Angriff auf eine legitime Regierung unterstützt. Dies läuft auf nichts anderes als Terrorismus hinaus, den die beiden Akteure doch sonst zu bekämpfen vorgeben", so "Al-Quds al-Arabi".

Bündnis gegen Islamisten

Über Libyen ist ein internationales Waffenembargo verhängt worden. Dieses dürfte Ägypten respektieren, vermutet Canan Atilgan. Allerdings könne die Regierung in Kairo dem libyschen General auf andere Weise unter die Armee greifen, etwa durch Aufklärung, Entsendung von Spezialeinheiten oder militärische Beratung.

Verteidigungsbereit: Soldaten der Regierung Al-Sarradsch in TripolisBild: picture-alliance/ZumaPress

Klar sei hingegen, dass Al-Sisi erhebliches Interesse daran habe, dass Haftar sich in Libyen durchsetze. "Er wird es nicht zulassen wollen, dass in Libyen eine Art Regierung wie in Tunesien herrscht, wo islamistische Kräfte in die Regierung integriert sind, mögen sie auch noch so moderat sein."

Bereits Mitte März reiste General Haftar nach Riad. Dort soll er um Hilfe gebeten und - unbestätigten Medienberichten zufolge - mehrere Millionen Euro Unterstützung erhalten haben. Träfen die Berichte zu, spräche das dafür, dass Riad in Libyen auf andere Weise denselben Kurs verfolgt, den es bereits im Umgang mit dem benachbarten Katar verfolgt - nämlich striktes Vorgehen gegen einen politisch motivierten Islam, wie ihn etwa die Muslimbrüder praktizieren.

Gespräche über "jüngste Entwicklungen in Libyen": General Chalifa Haftar (li.) und Präsident Abdel Fattah al-SisiBild: Reuters

In diesem Punkt, so Canan Atilgan, seien sich das saudische Königshaus und die Regierung in Kairo einig: "Für sie, ebenso aber auch für die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate, sind die Muslimbrüder ein Rotes Tuch. Sie gelten ihnen als schlichtweg unakzeptabel, sowohl in der Opposition, aber auch und vor allem in der Regierung."

Ein neuer Stellvertreterkrieg?

De facto hat Libyen keine funktionierende Regierung, das Gewaltmonopol des Staates und damit auch seine Autorität sind innen- wie außenpolitisch dahin. Im Inneren hat das zum Zerfall des Landes in kleine, von unterschiedlichen Akteuren beherrschte Machtzentren geführt. Außenpolitisch öffnet die Machtlosigkeit des Staates internationalen Akteuren die Tür. Wie in Syrien könnte auch Libyen zum Schauplatz eines Stellvertreterkrieges werden.

In ihm entschiede sich ein weiteres Mal das Schicksal der 2011 auf die Bühnen getretenen Protestbewegungen. Während diese in Algerien und im Sudan derzeit auf einen neuen Anfang hoffen, könnte sie in Libyen ihrem Ende entgegensehen. Die Partner, auf die Haftar setzt, haben sich gegen die Protestbewegungen des Jahres 2011 am erfolgreichsten behauptet.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika