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Konkurrenz um Generika

Helle Jeppesen1. April 2013

Medikamente können Leben retten - wenn man sie bekommen und bezahlen kann. Generika sind mittlerweile weltweit eine preiswerte und genauso wirksame Alternative zu teuren Markenmedikamenten.

Indien gehört zu den größten Herstellern der sogenannten Generika, unter anderem gegen Krankheiten wie HIV/Aids. Generika kosten bis zu 90 % weniger als Originalmedikamente.
Bild: picture-alliance/dpa

Nicht nur in Entwicklungs- und Schwellenländern spielen Generika eine immer größere Rolle. In den Industrieländern steigen die Kosten im Gesundheitssektor immer weiter. Generika sind eine Möglichkeit zur Kostensenkung. Diese Nachahmerprodukte sind bis zu 90 Prozent preiswerter. Bei vielen umsatzstarken Produkten ist der 20-jährige Patentschutz abgelaufen und die Wirkstoffe werden stattdessen in der preiswerteren Generika-Variante angeboten. Gesundheitssystem und Patient sparen Geld und bekommen dennoch ein gleichwertiges Produkt.

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Neue Märkte für Pharmaindustrie

Doch wenn alte Märkte wegbrechen, müssen neue erschlossen werden, damit der Umsatz am Ende stimmt. Mittlerweile ist Bluthochdruck weltweit Todesursache Nummer Eins, berichtet die Weltgesundheitsorganisation WHO. Viele der Medikamente, die früher fast nur in Industrieländern verkauft wurden, finden nun weltweit Absatz.

"Wir beobachten, dass multinationale Pharmaunternehmen in den letzten Jahren verstärkt auch die Märkte in den Entwicklungs- und Schwellenländern anstreben", sagt Christian Wagner-Ahlfs von der BUKO-Pharmakampagne in Bielefeld im Interview mit der Deutschen Welle. Die unabhängige Kampagne nimmt seit über 30 Jahren die Rolle der großen Pharmaunternehmen kritisch unter die Lupe, vor allem wenn es um deren Rolle und Geschäftspraktiken in Entwicklungsländern geht.

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Auch in Entwicklungs- und Schwellenländern wachse eine zahlungskräftige Mittel- und Oberschicht heran. "Das sind für die Unternehmen natürlich interessante Kunden, weil sie sich auch hochpreisige Medikamente leisten können", so Wagner-Ahlfs. Auch die schnell wachsende ärmere Bevölkerung muss mit preiswerten Generika versorgt werden. Da jeder Cent im harten Preiskampf zählt, kann es da durchaus Sinn machen, Medikamente auch lokal herzustellen. Allerdings, so Christian Wagner-Ahlfs, muss man nicht alles lokal herstellen. "Da ist aus unserer Sicht die Orientierung an der Liste unentbehrlicher Medikamente der WHO absolut sinnvoll".

Gleiche Wirkstoff, andere Name

Die Weltgesundheitsorganisation WHO erstellt regelmäßig eine Liste der wichtigsten Medikamente weltweit. Mit den zurzeit 340 Wirkstoffen lassen sich über 90 Prozent aller Krankheiten behandeln. In Deutschland sind nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte aktuell etwa 2.400 Wirkstoffe und rund 90.000 Arzneimittel zugelassen. Viele der zugelassenen Medikamente in Deutschland sind Generika. Für den Patienten macht das keinen Unterschied:

"Die Grenzen zwischen Generikum und Markenname verschwimmen immer mehr", sagt Christian Wagner-Ahlfs von der BUKO-Pharmakampagne. Heute haben die meisten großen Pharmaunternehmen auch eine oder mehrere eigene Generika-Linien im Programm. "Rund 80 Prozent der Wirkstoffe werden in Indien oder China produziert, ganz egal ob das jetzt ein Produkt ist für ein Generikum- oder für ein multinationales Markenunternehmen".Kein Wunder: Die Produktionsanlagen sind in Indien bis zu 40 Prozent billiger als in Europa. Auch Löhne und Gehälter sind niedriger, und es gibt dort auch das ausgebildete Personal, das die Pharmaindustrie in der Produktion braucht.

Wagner-Ahlfs: Branche strebt in EntwicklungsländerBild: Christian Wagner-Ahlfs

Die Endproduktion des zulassungspflichtigen Unternehmens, das mit seinem Namen für das Medikament garantiert, kann dann praktisch überall auf der Welt stattfinden, wo die Produktionsstandards eingehalten werden. Die Weltgesundheitsorganisation hat strenge Richtlinien zu Hygiene- und Zulassungsstandards, Kontrollmechanismen und Qualitätssicherung aufgestellt.

Prestige-Projekt Pharma

Noch ist es für viele Entwicklungsländer schwierig, die umfangreichen Auflagen zu erfüllen. Dabei könnte eine lokale Arzneiproduktion durchaus helfen, eine bessere Versorgung im eigenen Land aufzubauen. "Ich sehe da vor allen Dingen den Vorteil der Verfügbarkeit", betont Christoph Bonsmann, Apotheker und Vorstandsmitglied der action medeor. Das deutsche Medikamentenhilfswerk unterstützt in Afrika Bestrebungen eine lokale Pharmaproduktion aufzubauen.

Eine lokale Produktion müsse nicht unbedingt preiswerter als Importe sein, so Bonsmann. Doch eine zuverlässige Medikamentenversorgung zum Beispiel gegen Tuberkulose, Malaria, HIV-Aids oder auch gegen die neuen globalen Volkskrankheiten wie Bluthochdruck und Diabetes, fehlt noch in vielen Entwicklungsländern. Eine lokale Pharmaindustrie mit einem gut ausgebauten Vertriebssystem könne die Versorgung besonders auf dem Land erheblich verbessern. Nur: "Bei der lokalen Produktion muss man aufpassen, dass man nicht aus politischen Gründen schlechte Qualität rechtfertigt", warnt Bonsmann. Oft habe eine eigene Pharmaproduktion eine Vorzeigefunktion. "Das größte Manko sehe ich in der lückenlosen Überwachung durch die Behörde", so Bonsmann.

Christoph Bonsmann: Qualität muss stimmenBild: Boris Breuer

Illegale Geschäfte

In vielen Ländern überschwemmen illegal hergestellte und teilweise eingeschmuggelte Medikamente den informellen Markt. Wenn Medikamente von Händlern auf dem Markt verkauft werden, gibt es weder eine Fachberatung noch die Garantie, dass es sich bei dem Präparat um ein geprüftes Medikament handelt. "Das ist die größte Herausforderung, weil die Behörden normalerweise unterbesetzt, oft nicht richtig motiviert und unterbezahlt sind", so Bonsmann.

Susanne Held hat acht Jahre lange die Apotheke des St. Benedict Krankenhaus im südtansanischen Ndanda geleitet. Sie machte sowohl mit den importierten als auch mit den lokal hergestellten Medikamenten gute Erfahrungen. Allerdings bezog das Krankenhaus die Medikamente immer über renommierte Großhändler. Ihre Bilanz aus acht Jahre Arbeit: "Wir haben von unseren Patienten keine Klagen bekommen über mangelnde Wirksamkeit, auch von den Ärzten im Krankenhaus nicht. Also ich vermute mal, wir hatten ziemlich viel Glück die ganze Zeit."

Susanne Held: Glück gehabtBild: DW/H. Jeppesen
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