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Politik

Ratko Mladić erwartet endgültiges Urteil

7. Juni 2021

In der ersten Instanz wurde der Militärchef der Serben im Bosnienkrieg wegen Völkermords zur einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. An diesem 8. Juni wird das Berufungsgericht sein Urteil fällen.

Niederlande Urteil Ratko Mladic
Ratko Mladić im November 2017 vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY)Bild: Reuters/P. Dejong

Im November 2017 verurteilte der Internationale Strafgerichtshof der UN für das ehemalige Jugoslawien (UN ICTY) General Ratko Mladić zu lebenslanger Haft. Die allgemein als "Haager Tribunal" bekannte Institution befand den Angeklagten des Völkermords in Srebrenica im Sommer 1995 für schuldig. Zudem verurteilten die Richter Mladić für die Verfolgung von Bosniaken und Kroaten in ganz Bosnien und Herzegowina sowie die Terrorisierung der Zivilbevölkerung der während des Krieges 1992-95 belagerten bosnischen Hauptstadt Sarajevo.

Zwischen April 1992 und Juli 1995 hatte die von Mladić kommandierte Armee der bosnischen Serben Städte und Dörfer in Bosnien angegriffen, geplündert und zerstört. Dabei kamen ca. 100.000 Menschen zu Tode, es kam zu systematischen Vertreibungen der nicht-serbischen Bevölkerung sowie Massen-Vergewaltigungen nicht-serbischer Frauen. Auch die Geiselnahme von Mitgliedern der Friedenstruppen der Vereinten Nationen (UNPROFOR) gehen auf Mladićs Konto.

Lange Zeit auf der Flucht: Mladić und Karadžić auf einem Fahndungsplakat in Serbien 2001Bild: picture-alliance/dpa

2017 befand das Tribunal Mladić in zehn der elf Anklagepunkte für schuldig, freigesprochen wurde er vom Vorwurf des Völkermords in sechs bosnischen Gemeinden im Jahr 1992. Der Richterspruch war das letzte erstinstanzliche Urteil des Haager Gerichts - und das am 8.06.2021 anstehende Berufungsurteil wird das erste Urteil der Nachfolgeinstitution, des Internationalen Residualmechanismus für die Ad-hoc-Strafgerichtshöfe (IRMTC), sein.

Vor vier Jahren hatte sowohl Mladićs Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil eingelegt. Seine Anwälte fordern einen Freispruch, weil die Schuld des Generals nicht bewiesen worden sei; die Staatsanwälte dagegen glauben, dass das erstinstanzliche Gremium einen Fehler gemacht hat, als es Mladić vom Vorwurf des Völkermords in den sechs Gemeinden freisprach.

Auftakt zum Völkermord

"Schießt nur auf Menschenfleisch! Nur auf Menschenfleisch! Sie haben nichts, sie haben bloß ein paar einfache Gewehre, und das ist alles" - das befahl Ratko Mladić per Funkspruch seinen Soldaten bei der Erstürmung der damaligen UN-Schutzzone in Srebrenica im Juli 1995. Und sie folgten ihm: 30.000 Bosniaken wurden in wenigen Tagen vor den Augen der holländischen Blauhelm-Soldaten aus ihren Häusern vertrieben, etwa 8000 Jungen und Männer wurden hingerichtet und in Massengräbern verscharrt. Srebrenica war das größte Massaker in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Angehörige der über 8000 Opfer des Massakers von Srebrenica bei einer Gedenkveranstaltung 2020Bild: Reuters/D. Ruvic

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war General Ratko Mladić ein glühender Nationalist. Er selbst sah sich als Rächer der Serben für die Jahrhunderte lange Herrschaft der Türken in Südosteuropa. In den internationalen Medien nannte man ihn "den Schlächter vom Balkan".

Feldherr in Kroatien…

Seine Karriere begann Mladić aber als überzeugter Kommunist. Der 1943 in Ostbosnien Geborene war zwei Jahre alt, als sein Vater, einer der Partisanen Titos, von faschistischen kroatischen Milizen getötet wurde. In den 1950er Jahren besuchte der junge Mladić dann die jugoslawische Militärakademie in Belgrad und absolvierte sie als Jahrgangsbester. Als Belohnung bekam er eine Pistole der jugoslawischen Marke "Zastava" geschenkt. Damals sagte er, aus dieser Waffe werde er nur in die Luft schießen, um die Geburt seiner Enkelkinder zu feiern.

 

Ratko Mladić als Oberbefehlshaber der Armee der bosnischen Serben 1995Bild: picture-alliance/dpa/D. Vejnovic

Zu Beginn des Kroatien-Krieges im Juni 1991, als sich viele in Kroatien lebende Serben gegen die Unabhängigkeit der bisher jugoslawischen Teilrepublik auflehnten, wurde Mladić, damals Oberst der jugoslawischen Armee, Kommandeur des 9. Korps in Knin nahe der Grenze zu Bosnien. Seine Aufgabe: serbische Milizen zu organisieren und sie im Kampf gegen die kroatische Unabhängigkeit zu unterstützen. Unter seinem Kommando wurden die Städte Šibenik und Zadar bombardiert und die kroatische Bevölkerung aus vielen Ortschaften vertrieben.

…und in Bosnien/Herzegowina

Im Mai 1992 wurde Mladić nach Bosnien und Herzegowina versetzt. Inzwischen zum General aufgestiegen, wurde er Kommandeur der serbischen Truppen dort und kämpfte dafür, eine Landverbindung zwischen den von seinen Soldaten eroberten Gebieten im Osten und Westen des Landes zu schaffen. Die Belagerung und den Beschuss der Hauptstadt Sarajevo mit Artillerie befahl Mladić persönlich.

1994: Zivilisten in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo auf der Flucht vor HeckenschützenBild: picture-alliance/ dpa

Dabei sollten, wie der General öffentlich stets betonte, immer nur militärische Ziele angegriffen werden. Ein während dieser Zeit aufgefangener Funkspruch verrät aber etwas anderes: "Ihr sollt die Gebäude des Präsidiums und des Parlaments unter Beschuss halten..." eine Explosion ist zu hören "... da gibt es nicht viele Serben. Wir werden sie (die Bosniaken, Anm. d. Red.) zerstören."

Gegner der internationalen Friedenspläne

Für viele internationale Beobachter wurde der untersetzte, bullige Mladić zum Inbegriff der Missachtung des Westens durch die Serben. "Grenzen werden immer mit Blut gezogen und Staaten mit Gräbern gezeichnet", so lautet eine ihm zugesprochene Aussage. Obwohl er offiziell dem politischen Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, untergeordnet war: Einfach nur Soldat war Ratko Mladić nie, innerhalb der Führung der bosnischen Serben hatte er beträchtlichen politischen Einfluss. So soll er etwa das bosnisch-serbische Parlament dazu gebracht haben, 1993 den Friedensplan der internationalen Vermittler David Owen und Cyrus Vance abzulehnen.

Blick auf die Gedenkstätte für die Opfer des Massakers von SrebrenicaBild: DW/Z. Ljubas

Am 25. Juli 1995, noch vor der Unterzeichnung des Daytoner Friedensvertrags, wurde Mladić gemeinsam mit Karadžić vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag für Verbrechen in Bosnien angeklagt. Ein Jahr später entließ die neue Präsidentin der bosnischen Serben, Biljana Plavšić, Mladić als Generalstabschef. Er tauchte unter, offenbar mit Unterstützung von Politikern im benachbarten Serbien und der serbischen Armee. Besonders gut verstecken musste er sich nicht: Sich stets des Schutzes seiner Helfer sicher, wurde er mehrmals in Restaurants und Fußballstadien gesichtet.

Der Unbelehrbare

Im Mai 2011 wurde Mladić dann doch in Serbien verhaftet - der internationale Druck auf die damalige Regierung in Belgrad war zu groß geworden. In dem 523 Tage dauernden Prozess gegen den "Schlächter vom Balkan" wurden fast 600 Zeugen angehört.

Dabei hat Mladić stets seine Unschuld beteuert, die Anklagepunkte nannte er "widerwärtig" und das Haager Tribunal bezeichnete er als "satanisch". Die Staatsanwaltschaft forderte lebenslange Haft, die Verteidigung einen Freispruch.

Ratko Mladic wird während der Urteilsverkündung des Saals verwiesen

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Er trage immer eine Giftpille mit sich, hatte Mladić seinen Verfolgern ausrichten lassen, als er noch auf der Flucht war. Lebend würde man ihn nicht fassen. Geschluckt hat er diese Pille nicht; inzwischen hat er drei Schlaganfälle im Gefängnis überstanden.

Seine Tochter dagegen beging 1994, noch vor Ende des Krieges, Selbstmord. Es heißt, dass sie die Verbrechen, die ihrem Vater in Kroatien und Bosnien vorgeworfen werden, nicht ertragen konnte. Sie schoss sich in den Kopf - mit jener "Zastava"-Pistole, die ihr Vater als bester Kadett seines Jahrgangs einst von der jugoslawischen Militärakademie erhalten hatte.