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Politik

Namibias gewagte Doppelstrategie

Daniel Pelz
20. März 2017

Der Druck auf Deutschland wächst: Namibia will die Bundesrepublik wegen des Völkermords in der früheren Kolonie verklagen. Regierungsverhandlungen sollen aber weitergehen. Aus Berlin Daniel Pelz.

Gedenken an den Völkermord an den Herero durch die deutsche Kolonialmacht
Jährlich kehren die Herero-Nachfahren zum Gedenken an die Stätten des Völkermords zurückBild: picture-alliance/dpa/J. Bätz

Die Nachricht kam überraschend. Namibische Medien berichteten vergangenen Freitag, die Regierung prüfe eine Klage gegen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Rund 28 Milliarden Euro könnte Namibia von der Bundesrepublik als Entschädigung für den Genozid in der ehemaligen Kolonie verlangen. Ein Team namibischer und britischer Juristen geht nun dieser Frage nach. Generalstaatsanwalt Sacky Shangala bestätigte die Pläne gegenüber der Tageszeitung "The Namibian".

Die Bundesregierung weiß davon nach eigenen Angaben nichts. "Für die deutsche Seite ist nicht maßgebend, was in der Zeitung steht, sondern was die namibische Regierung macht. Sie hat uns bisher nicht darüber informiert, dass sie solche Schritte überlegt oder dass sie sie gehen will", sagt der deutsche Namibia-Beauftragte Ruprecht Polenz der DW.

Stattdessen sollen die bilateralen Verhandlungen weitergehen. Regierungsvertreter beider Seiten bereiten gerade ein Treffen in Berlin vor. Seit 2014 laufen die Gespräche über die Aufarbeitung des Genozids in der früheren Kolonie "Deutsch-Südwestafrika". Deutsche Kolonialtruppen ermordeten zwischen 1904 und 1908 rund 85.000 Herero und Nama.

Die Gräueltaten deutscher Truppen in der damaligen Kolonie beschäftigen beide Länder noch heuteBild: picture-alliance/dpa/W. Gebert

Nur eine Verhandlungstaktik?

Unklar ist, ob es wirklich zu einer Klage Namibias kommt. Vizepräsident Nickey Iyambo sagte der Regierungszeitung New Era, dass seine Regierung an den Verhandlungen mit Deutschland festhalten werde.

Möglicherweise ist die angekündigte Klage eher ein Signal nach innen. Denn der Druck auf die Regierung wächst. Seit dem Beginn der Gespräche fordern einige Herero- und Nama-Vertreter, in die Verhandlungen einbezogen zu werden. Das haben beide Regierungen bisher abgelehnt. Die Fraktionen um den Herero-Führer Vekuii Rukoro und den Nama-Vertreter David Frederick reichten im Januar vor einem Gericht in New York Klage gegen die Bundesregierungein. Damit wollen sie ihre Teilnahme an den Verhandlungen erzwingen. Zudem wollen sie Entschädigungen erstreiten. Von Namibias Regierung fühlen sie sich nicht ausreichend vertreten.

Warten jetzt auf den nächsten Verhandlungstermin im Juli: Herero- und Nama-Vertreter in New YorkBild: Picture-Alliance/dpa/J. Schmitt-Tegge

Die Klage wurde nicht - wie vielfach erwartet - vom Gericht abgelehnt. Im Juli soll es eine weitere Anhörung geben. "Ich kann mir vorstellen, dass Namibias Regierung für alle Eventualitäten plant", sagt Jürgen Zimmerer, Professor für afrikanische Geschichte, im DW-Interview. "Das heißt, wenn Namibia in den Verhandlungen mit Deutschland keine Reparationen erreicht, dann hat es noch die Möglichkeit der Klage. Zumal die Unterstützung für die Regierung bröckeln würde, wenn die Herero und Nama gleichzeitig mit ihrer Klage Erfolg hätten. Darauf will man sich vorbereiten. Man fährt im Grunde zweigleisig."

Keinen Präzedenzfall schaffen

Inzwischen zeigt sich: Die Regierungsgespräche werden nicht zu einem schnellen Abschluss kommen. "Wir haben zu Beginn der Verhandlungen gesagt, dass es gut wäre, wenn sich noch dieser Bundestag mit den Ergebnissen der Verhandlungen beschäftigen könnte. Das setzt aber voraus, dass es Ergebnisse gibt. Danach sieht es im Hinblick auf die nächsten zwei bis drei Monate nicht aus", so Chefunterhändler Polenz zur DW.

Beobachter werten das als Indiz, dass die Gespräche nicht gut laufen - trotz der offiziellen Aussage des Auswärtigen Amtes, wonach die Gespräche "im gegenseitigen Vertrauen und konstruktiv" verlaufen. "Wenn die Gespräche so gut laufen, bleibt natürlich die Frage, wie es zu diesen Verzögerungen kommt", so Zimmerer.

Dafür dürfte vor allem der Konflikt um Entschädigungen verantwortlich sein. Namibia bekommt hohe Entwicklungshilfezahlungen aus Deutschland. Direkte Entschädigungen lehnt die Bundesregierung aber ab. Sie will einen Präzedenzfall vermeiden. "Die Bundesregierung sagt, dass es nicht um eine rechtliche, sondern um eine politisch-moralische Frage geht. Das ist nicht weniger, sondern etwas anderes", sagt Unterhändler Polenz im DW-Interview. Man wolle weiter einen Kompromiss in strittigen Fragen finden. Es müsse aber klar sein, dass es nicht um "fiktive Schadensberechnungen und deren Hochrechnung über hundert Jahre" ginge.

Denn: Auch andere ehemalige Kolonien könnten in Zukunft Schadensersatz für Kolonialverbrechen verlangen. "Im Ausland wird sehr genau beobachtet, wie die Verhandlungen zwischen Deutschland und Namibia und mit den Vertretern der Herero und Nama ausgehen. Denn Europas Umgang mit seiner kolonialen Vergangenheit ist natürlich eine ganz grundsätzliche Frage", so Zimmerer. So gibt es auch in Tansania Diskussionen, von Deutschland Entschädigungen für Kolonialverbrechen zu fordern. Großbritannien hat mehr als 5.000 Kenianer wegen Verbrechen während der Kolonialzeit bereits entschädigt.

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