Genug Sand und trotzdem knapp
25. Juni 2019Sand gibt es im Überfluss und somit erscheint er vielen auch nicht weiter wertvoll. Dieser Eindruck täuscht, denn in einigen Teilen der Welt, zum Beispiel in Singapur und sogar im Wüstenstaat Dubai, ist Bausand so knapp, dass er trotz seines hohen Gewichtes importiert werden muss. Denn Wüstensand ist nicht gleich Bausand.
Sand wird gebraucht für Gebäude und Verkehrswege, denn ein großer Teil unserer Bauwerke ist mit Stahlbeton gebaut. Und Beton besteht wiederum zu 80 Prozent aus Gestein und Sand (außerdem noch aus Wasser und Zement). Auch Verkehrswege brauchen Gestein in verschieden großer Körnung: So verschlingt allein ein Kilometer Autobahn 216.000 Tonnen Sand, Kies und Splitt.
Wir brauchen immer mehr Sand und Kies
In Zukunft wird die Nachfrage nach Sand noch weiter steigen, denn mit einer wachsenden Weltbevölkerung wächst das Bedürfnis, Straßen, Brücken, Häuser, Flughäfen und vieles mehr zu bauen. Durch den weltweiten Bauboom hat sich die Sandnachfrage in 20 Jahren verdreifacht, heißt es vom UN-Umweltprogramm UNEP. Genaue Zahlen gibt es nicht, Schätzungen gehen aber davon aus, dass zwischen 30 und 50 Milliarden Tonnen Sand und Kies weltweit pro Jahr verbraucht werden.
Damit ließe sich theoretisch eine 20 Meter breite und 20 Meter hohe Mauer rund um den Äquator bauen – und das jedes Jahr! Während wir also immer mehr Sand und Kies in unsere Bauvorhaben stecken, braucht die Natur Jahrtausende, um neuen Sand zu schaffen.
Es gibt genügend Sand auf der Erde
"Wir haben das Glück in Deutschland, dass wir praktisch unendlich große Vorräte an Sand und Kies haben", sagt Harald Elsner vom Bundesinstitut für Geographie und Rohstoffe (BGR). Die Mengen zu berechnen hält er für unseriös, aber er ist sicher, sie würden noch für Jahrtausende reichen. In Deutschland müssten wir uns also keine Sorgen machen, dass es nicht genügend Bausand und Kies gebe, so Elsner.
Auf 90 Prozent der Fläche der Erde gebe es keinen Mangel an Sand, sagt Elsner. "Wir haben in einigen Gegenden in Afrika und in Asien Probleme", so der Rohstoffexperte vom BGR. Über die Situation in China, also bei dem mutmaßlich größtem Verbraucher von Sand und Kies, würde man wenig wissen - "bis jetzt ist uns aber nicht zu Ohren gekommen, dass es dort Probleme gibt". Sein Resümee: "Sand und Kies wird in unendlichen Mengen nachgefragt, aber es ist auch der Rohstoff, der am meisten vorhanden ist auf der Welt."
Trotzdem ist er in Deutschland knapp
Einen Mangel gibt es in Deutschland also nicht, dennoch sind Sand und Kies knapp und die Folgen bereits sichtbar. "Man bekommt nicht wie früher beliebig Sand und Kies für Baumaßnahmen, sondern es gibt inzwischen Wartezeiten von bis zu drei Wochen, bis genug Material zur Verfügung steht", sagt Elsner.
Der Nachfrageüberhang wirkt sich natürlich auch auf die Preise aus. Elsner rechnet mit Preissteigerungen von fünf bis zehn Prozent im Jahr für Sand und Kies. Warum aber wird nicht einfach mehr abgebaut in Deutschland, wenn es doch so große Vorkommen gibt?
Über 99 Prozent der Sand- und Kiesflächen seien einfach anders genutzt, erklärt Elser. In Wasser- oder Landschaftsschutzgebieten könne man ebenso wenig Sand und Kies abbauen wie dort, wo es schon Infrastruktur gebe.
Niedrige Zinsen und Genehmigungen
Zudem stehen die niedrigen Zinsen so mancher potentiellen Kiesgrube im Weg. Viele Landwirte halten es für ökonomisch sinnvoller, ihr Land nicht an Kiesgrubenbetreiber zu verkaufen. Sie hoffen lieber darauf, dass der Wert des Bodens steigt, da sie mit einer alternativen Anlage am Kapitalmarkt keine hohe Rendite erwarten können.
Raimo Benger, Geschäftsführer des Baustoffverbandes Vero beklagt zudem: "Wir haben keinen Materialmangel, sondern ein Genehmigungs-Mangel". Es würden einfach nicht ausreichend Genehmigungen für Kies und Sandwerke vergeben. Oft stünde Umweltrecht den Unternehmern im Wege. So gibt Europa beispielsweise vor, dass seltene Arten geschützt werden müssen. Es würde aber nicht immer im Einzelfall geprüft, ob eine wirtschaftliche Betätigung nicht doch mit dem Artenschutz vereinbar sei, ärgert sich Benger.
Können Kiesgruben sogar Artenschutz fördern?
Der Branchenverband betont immer wieder, dass schon während des Sand- und Kiesabbaus, aber auch in den später renaturierten Kiesgruben Lebensraum für seltene Tierarten entstehen würde. Das hört sich zunächst schön an. Christian Chwallek vom Naturschutzbund Nabu NRW gibt aber zu bedenken, dass durch Kiesabgrabungen ganz andere Arten einen neuen Lebensraum bekämen - darunter auch seltene Arten. "Aber andere, genauso gefährdeten Arten verlieren ihren Lebensraum. Denn für die Arten der Agrarlandschaft gehen wesentliche Rückzugsgebiete verloren", erläutert der Naturschützer.
Hinzu komme, dass die Kiesabgrabungen im Vergleich zu früher viel großflächiger seien. Dadurch entstünden bis zu 100 Hektar große Kies- und Baggerseen. Nicht nur Tiere seien vom Sand- und Kiesabbau betroffen, ergänzt Chwallek, auch der Mensch bekommt die Folgen dieser großen Abbauflächen zu spüren. "Das sind im wahrsten Sinne des Wortes offene Wunden für die Trinkwasser-Reservoire, weil die schützenden Gesteinsschichten abgegraben werden. Gerade längs der Rheinschiene haben wir große Trinkwasser-Reservoire, die durch die Kiesvorkommen geschützt werden und natürlich gereinigt werden." Diese Flächen müssten stärker geschützt werden, fordert Chwallek.
Wir würden unser Sandbudget schneller verbrauchen, als wir es verantwortungsvoll produzieren können, hieß es nicht nur in Bezug auf Deutschland von Joyce Msuya, der Direktorin des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen (UNEP). Der Abbau müsse also besser reguliert werden, damit Infrastruktur und Natur Hand in Hand gehen können. Vor allem, weil der jährliche Bedarf an Sand und Kies weltweit pro Jahr um 5,5 Prozent steigen wird nach einer aktuellen Studie der Vereinten Nationen.