Georg-Büchner-Preis für Friederike Mayröcker
29. Oktober 2001Vor mehr als 40 Jahren waren die drei experimentierfreudigen Autoren Ernst Jandl, H. C. Artmann und Friederike Mayröcker Mitglieder der "Wiener Gruppe" und entwickelten ihren eigenen Literaturstil. Mit Jandl, der im vergangenen Jahr starb, verband Mayröcker darüber hinaus eine "Liebes- und Lebensfreundschaft". Dass sie ihre späte Ehrung nicht mehr mit ihm teilen kann, wirft für die Poetin einen Schatten auf die bedeutendste Auszeichnung für deutschsprachige Literatur.
Wie ihre Dichterfreunde wurde Friederike Mayröcker stark vom
Dadaismus und Surrealismus beeinflusst. Ihr vielschichtiger Umgang mit der Sprache wirkt oft sperrig, ist aber immer wieder auch überraschend. Nicht nur die Worte, sondern auch die Satzstellungen sind ihr wichtig. Das Schriftbild transportiert eine zusätzliche Bedeutung: Lücken als Denkpausen, Absätze als Gedankenbrüche. Zu ihrem Markenzeichen gehört auch das "sz", das sie lange Zeit statt des "ß" benutzte. Dahinter stecke jedoch kein tieferer Sinn, wie sie kürzlich in einem Interview mit dem "Spiegel" erklärte. Auf ihrer alten Schreibmaschine fehlte schlicht dieser Buchstabe.
Stationen aus dem Leben der Friederike Mayröcker
Am 20. Dezember 1924 in Wien geboren, folgte die Autorin beruflich zunächst dem Vorbild ihres Vaters und wurde Lehrerin. Von 1945 an unterrichtete sie 23 Jahre lang Englisch, spätestens seit 1956 jedoch nur noch mit halbem Herzen. In diesem Jahr erschien ihr erstes Werk mit dem Titel "Larifari. Ein konfuses Buch".
1964 wurde Mayröcker erstmals ausgezeichnet, sie erhielt den Theodor-Körner-Preis. Den literarischen Durchbruch erreichte die Autorin mit Hörspielen, die sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Ernst Jandl verfasste. 1968 bekam sie den renommierten Hörspielpreis der Kriegsblinden.
In der Folge brachte die Schriftstellerin fast jedes Jahr ein neues Buch heraus. Mit dem jüngsten Prosaband "Requiem für Ernst Jandl" hat Mayröcker den Tod ihres Freundes verarbeitet. Ihr Werkverzeichnis ist inzwischen auf knapp 80 Titel angewachsen. Darunter sind neben experimentellen Arbeiten wie "Minimonsters Traumlexikon" oder "Arie auf tönernen Füszen" auch Kinderbücher wie "Pegas, das Pferd" und "Ich, der Rabe und der Mond".
1982 erhielt die Autorin den Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur, 1993 den Friedrich-Hölderlin-Preis und 1996 den Else-Lasker-Schüler-Preis.
Der Georg-Büchner-Preis
Der mit 60.000 Mark dotierte Literaturpreis ist nach dem deutschen Revolutionär und Dramatiker Georg Büchner benannt. Er wurde 1813 im damaligen Großherzogtum Hessen geboren und starb 1837 in Zürich. In seinen wenigen Werken - "Dantons Tod", "Woyzeck", "Leonce und Lena" - verarbeitete Büchner vor allem die politischen Ereignisse seiner Zeit.
Im Jahr 1923 als Preis des "Volksstaates Hessen" gegründet, war der Georg-Büchner-Preis zunächst nicht nur Autoren vorbehalten. Auch Maler, Bildhauer und Musiker zählten zu seinen Trägern. In den ersten elf Jahren teilten sich jeweils zwei Künstler die Auszeichnung. Im Nationalsozialismus 1933 bis 1945 wurde der Preis nicht vergeben.
Zum deutschen Literaturpreis schlechthin machte den Büchner-Preis die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Sie ließ sich 1950 in Darmstadt nieder, übernahm die Auszeichnung und legte fest, dass der Preis an Schriftsteller und Dichter geht, die "durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten und an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben".
Zu den bisherigen Preisträgern gehören Gottfried Benn, Friedrich Dürrenmatt, Heinrich Böll, Erich Kästner, Botho Strauß, Günter Grass, Wolf Biermann und George Tabori. Im vergangenen Jahr erhielt der Berliner Schriftsteller Volker Braun die hoch angesehene Ehrung.