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Georg Elser - der Mann, der Hitler töten wollte

Wolfgang Dick
8. November 2019

Er ist nie so bekannt geworden wie der militärische Widerstand rund um Graf von Stauffenberg: Ganz allein versuchte Elser im Jahr 1939, die Welt zu verändern. Im Bürgerbräukeller versuchte er den Tyrannenmord.

Attentäter Georg Elser
Bild: picture-alliance/akg-images

13 Minuten haben darüber entschieden, dass der Plan von Georg Elser, Hitler und die gesamte Nazi-Führung im Münchner Bürgerbräukeller zu töten, nicht aufging. Nur 13 Minuten. Um diese Minuten - früher als geplant - verließ Hitler nach seiner Rede zusammen mit Regierungsvertretern den Saal. Georg Elser hat dabei keinen Fehler gemacht. Er hatte alles bestens recherchiert. Seine Bombe, die er in einer Säule des Bürgerbräukellers versteckte, zündete pünktlich, so wie Elser sie eingestellt hatte. Auch die Sprengkraft war richtig berechnet. Die Säule hinter Hitlers Rednerpult war eingebrochen und die Decke an dieser Stelle eingestürzt. Sie begrub sieben Mitglieder der NSDAP und eine Kellnerin. Um sich den Sprengstoff zu beschaffen, hatte Elser sogar in einem Steinbruch gearbeitet.

30 Nächte lang hatte Elser sich immer wieder so lange verborgen, bis der Bürgerbräukeller geschlossen wurde. Nachdem er die Säule für den Sprengstoff so bearbeitet hatte, dass niemand von außen etwas merkte, folgte der Bau des Sprengkörpers. Alles im Alleingang. Elser hatte keine Helfer im Hintergrund. Die Genauigkeit, das handwerkliche Geschick und die Ausdauer lagen dem gelernten Schreiner im Blut. Er hatte die Schreiner-Gesellenprüfung in den 1920er-Jahren als Jahrgangsbester bestanden. Der 1903 im kleinen Ort Hermaringen in Baden-Württemberg geborene Georg Elser wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Der Vater war Alkoholiker. Die Mutter litt immens.

Elser erlebte Ungerechtigkeit und ertrug sie nicht. Später, in den Wirren der Weltwirtschaftkrise, verstärkte sich sein Empfinden. 1928 war Elser sogar Mitglied im kommunistischen Roten Frontkämpferbund. Aber ein typischer Parteigänger und ideologisch verbohrter Überzeugungstäter wurde aus ihm nicht. Unabhängigkeit und freies Denken schätzte Elser sehr. Doch was trieb den vom örtlichen NSDAP-Vorstand als harmlos und friedlich beschriebenen Elser schließlich zu der Tat, die andere scheuten?

Ein Mensch mit großer Weitsicht

In den Jahren 1937 und 1938 erlebte Georg Elser als Arbeiter in einer Armaturenfabrik, wie sich Deutschland immer mehr für einen großen Krieg rüstete. Die pompösen NS-Aufmärsche und die menschenfeindliche Nazi-Propaganda waren für ihn unerträglich. Spätestens nach dem Münchener Abkommen 1938 war für Elser klar: Ein Krieg wird folgen. In ihm wuchs das Bedürfnis, genau das zu verhindern.

Der zerstörte Bürgerbräukeller nach dem AttentatBild: picture-alliance/AP Images

Elser wusste, dass dies nicht mit Flugblättern zu bewerkstelligen sein würde. Ein radikaler, ungeheurer Schnitt musste her. Es würde auch nicht reichen, nur Hitler zu töten. Die ganze Führung der Nationalsozialisten musste beseitigt werden, um ein Ende der Herrschaft nachhaltig zu gewährleisten. Dafür war der Bürgerbräukeller ideal. Hier saßen alle führenden Nazis zusammen und gedachten des gescheiterten Hitler-Putsches von 1923.

Lange bevor viele andere in Deutschland den Mut fanden, sich aufzulehnen, hatte Elser seinen Entschluss gefasst. Es musste schnell gehen. Auch das wusste er. Deshalb blieb keine Zeit, sich mit anderen aufwendig zu organisieren. Es wäre auch eine zu große Gefahr durch Mitwisser entstanden. Ein verschrobener Einzelgänger war Elser allerdings nicht.

Elser wird verhört - Szene aus dem Spielfilm vom 2015Bild: picture-alliance/dpa/Lucky Bird Pictures

Er liebt Gesellschaft und Musik. Auf Tanzveranstaltungen spielt er Zither und Kontrabass. Mit Freunden wanderte er durch den Schwarzwald. Bei Frauen kam er gut an. Mit seiner Freundin bekam er 1930 einen Sohn. Elser liebte das Leben, war aber immer wieder auch schweigsam und nachdenklich. Obwohl er mit der Institution der Kirche nicht viel anfangen konnte, besuchte er vor seinem Attentat häufig Kirchen, wobei es für den Protestanten keine Rolle spielte, für welche Konfession die Gotteshäuser gebaut wurden. Elser plagten keine Zweifel, wie er nach seiner Festnahme zu Protokoll gab. Er suchte lediglich Trost im Gebet. Er handelte weniger aus Mut als aus Notwehr, um Blutvergießen und die totale Katastrophe zu vermeiden. Der Anschlag erschien ihm als gerechtfertigt.

Elsers Ende

Georg Elser wartete die Explosion nicht ab. Er wollte in die Schweiz fliehen. Illegal. Doch schon beim Übertritt der Grenze wurde er verhaftet. In seinen Taschen fand sich Material zum Bombenbau und dem Tatort. Was auf den ersten Blick dilettantisch erscheinen mag, war von Elser eigentlich gut gedacht. Er wollte mit dem Material seine Urheberschaft am Attentat beweisen und sich vor einer Auslieferung schützen. Nach einer Odyssee durch einige Gefängnisse landete Georg Elser schließlich im Konzentrationslager Sachsenhausen, danach in Dachau.

Erhalten ist aus diesen Zeiten noch der Befehl an den Lager-Kommandanten, wie der Sonderhäftling Elser zu beseitigen sei. Es solle unauffällig geschehen und so wirken, als sei er bei einem Fliegerangriff ums Leben gekommen. Tatsächlich aber wurde Georg Elser am 9. April 1945 durch einen Genickschuss getötet. Rund einen Monat vor Kriegsende.

Ein lange unterschätzter Held

Das Gedenken an den mutigen Mann setzte in Deutschland spät ein, als in den 1960er-Jahren ein Historiker die Original- Verhörprotokolle der Nazis entdeckte. Elser hat darin viel über seine Person offenbart. Trotz mehrtägiger, brutaler Folter suchte er lieber Umschreibungen und kluge, ausweichende Antworten, als seine Überzeugungen zu verraten.

Sprengsstoffstangen in der Tasche - Denkmal für Georg Elser in KönisgbronnBild: picture alliance / dpa

In den 1950er-Jahren gab es noch zu viele alte Nazis, die glaubten, der Anschlag sei die Tat des britischen Geheimdienstes gewesen. Auch einer Person mit Sympathien für Kommunisten wollte man in der Bundesrepublik nicht recht gedenken. Elser hatte keine Lobby. Erst 1998 wurde in Elsers Heimatort Königsbronn eine Gedenkstätte eingerichtet. Seit 2011 gibt es auch in Berlin eine Erinnerungs-Skulptur.

Ein Preis für Zivilcourage ist nach Georg Elser benannt, ebenso wie viele Straßen, Plätze und Schulen. Zudem gibt es einen Film aus dem Jahr 2015, der die Geschichte Elsers erzählt. Nach langen Jahren des Vergessens ist der einsame Held Georg Elser also in der kollektiven Erinnerung der Deutschen angekommen.

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