"Wir werden klare Solidarität zeigen"
23. Februar 2017Deutsche Welle: Sind die Sorgen der Wissenschaftler in den USA berechtigt?
Georg Teutsch: Ja. Die Antwort ist eindeutig. Das zeigen viele Maßnahmen, die der neue Präsident eingeleitet hat. Angefangen bei der Ernennung von Scott Pruitt als neuer Chef für die Umweltbehörde EPA, obwohl der nicht gerade ein Freund dieser Institution ist, bis zur Einschränkung der Informationsfreiheit bei Umweltdaten.
Es gibt ja eine sehr starke Kooperation zwischen Wissenschaftlern aus den USA und aus Deutschland. Wie kann sich die jetzige Situation auf Kooperationsprojekte und die Arbeit der Wissenschaftler auswirken?
Ich glaube, es kann sich erheblich auswirken, etwa auf die Förderlandschaft. Es kann passieren, dass Projekte aus den USA zu Themen, die der Regierung nicht passen - etwa solche, in denen es um den Klimawandel geht oder auch einfach industriekritische - nicht mehr gefördert werden.
Dann stellt sich die Frage: Wie geht man mit den Ergebnissen um? Wir haben sehr klare Vorstellungen von der Wissenschaft: Es muss alles so offen und so seriös wie irgendwie möglich veröffentlicht werden. Das gilt auch, wenn Ergebnisse vielleicht dem einen oder anderen nicht passen. Wenn das nicht mehr sichergestellt ist, dann wird es für die Wissenschaft sehr schwierig. Das wird dann dazu führen, dass die Proteste andauern.
Die universitäre und freie Forschung sind vielleicht nicht so stark betroffen wie staatliche Forschungseinrichtungen. Was kann denn die deutsche Forschung tun, um eine mögliche Lücke zu füllen?
Wir werden mit Sicherheit die Verbindungen, die wir haben intensivieren, sei es zur EPA oder zu den Universitäten, um unseren Kollegen zu helfen. Und wir werden uns durch Statements, Protestbriefe oder Veröffentlichungen in Fachzeitschriften beteiligen, und sei es nur, um die Öffentlichkeit aufmerksam zu machen.
Ich sehe tatsächlich die größten Einschränkungen bei den Behörden. Die sind ja unmittelbar finanziell abhängig von den Veränderungen in der Regierung. Ich glaube, die Universitäten werden nur indirekt betroffen sein, da sehe ich in naher Zukunft kein Problem entstehen, weil sie anders finanziert sind.
Aber wir sind bereit, und machen das auch schon an verschiedenen Stellen, mit den Kollegen dort einen Verbund zu schaffen, klare Solidarität zu zeigen und entsprechend öffentlich sichtbar aufzutreten.
Könnte das dann auch bedeuten, hier Publikationsmöglichkeiten zu eröffnen?
Die Publikationsmöglichkeiten für die universitären Forschungsergebnisse sind nicht durch den amerikanischen Präsidenten veränderbar. Das sind ja unabhängige Fachzeitschriften. Diese Möglichkeiten wird es also weiterhin geben. Die Frage ist aber, ob Forscher die Finanzierung für ihre Projekte aus öffentlichen Geldern noch beziehen können. Da besteht tatsächlich eine größere Gefahr, dass sich das mittelfristig deutlich verschlechtert.
Ich mache keinen Hehl daraus: Die Rekrutierung besonders talentierter amerikanischer oder europäischer Wissenschaftler, die zurzeit in den USA arbeiten, ist durchaus etwas, das wir uns im Augenblick sehr viel näher anschauen und auch aktiv angehen werden.
Haben Sie denn schon ein Stimmungsbild der Kollegen in den USA, die ihre Forschung nach Europa beziehungsweise nach Deutschland verlagern wollen?
Wissenschaftler mit europäischen Wurzeln denken sehr ernsthaft darüber nach – je nachdem in welcher Phase ihrer Karriere sie sich befinden – nach Europa zurückzukehren. Wir sind auch mit vielen Kollegen in Kontakt und ich kann Ihnen versichern: Gerade im Umweltbereich, wo ja die Forschung sehr stark durch öffentliche Gelder finanziert wird, sind die Leute sehr besorgt, manche auch schockiert. Manche machen sich auch ernsthaft Sorgen um ihre eigene persönliche Weiterentwicklung und die Möglichkeit, unabhängig forschen zu können.
Wir haben ähnliche Entwicklungen auch in Zusammenhang mit unseren englischen Kollegen. Das hängt mit dem europäischen Fördersystem zusammen. Sie machen sich Sorgen, dass mit dem Brexit der Zugang zu europäischen Forschungsgeldern und zu der Forschungsgemeinschaft in Zukunft sehr viel schwerer sein wird.
Man hat ihnen zwar versprochen, dass es [aus dem britischen Staatshaushalt] eine Kompensation [für verloren gegangene EU Fördermittel] geben wird. Jetzt hört man aber, dass der Brexit schneller und härter sein soll. Über Jahre und Jahrzehnte sind hervorragende Konsortien gewachsen. Und jetzt weiß man nicht: Kann man in Zukunft die englischen Kollegen noch einbeziehen oder nicht?
Georg Teutsch ist Wissenschaftlicher Geschäftsführer am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.
Das Gespräch führte Fabian Schmidt.