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Reise

Georgien - Neuland für Touristen

Kerstin Palzer29. September 2016

Manchmal kommt man in ein Land, das touristisch als Geheimtipp gilt, und fragt sich, wieso eigentlich? So erging es DW-Reporterin Kerstin Palzer, die das Land an der Schwelle zwischen Europa und Asien besucht hat.

Reisebericht Georgien - Kerstin Palzer vor Dreifaltigkeitskirche
Kerstin Palzer vor der Dreifaltigkeitskirche (Zminda Sameba)Bild: DW/K. Palzer

"Als der liebe Gott die Welt an die Menschen verteilt hat, haben die Georgier gefehlt, denn sie haben gefeiert und getrunken (das tun Georgier sehr gern). Als die Georgier endlich kamen, war die ganze Welt schon verteilt. Nur ein einziges Stück Land war noch da. Gott hatte sich diesen Teil der Welt für sich selbst aufgehoben, denn dieses Land war grün und bergig und fruchtbar und lag am Meer. Gott seufzte, denn er konnte den fröhlichen Georgiern einfach nicht böse sein und gab ihnen das Land, das er eigentlich selbst behalten wollte. Und es war das schönste Land der Welt.“

Diese Geschichte erzählt Shorena, als sie unsere Reisegruppe vom Flughafen Tiflis abholt. Sie ist Fremdenführerin, Germanistin und sprüht vor Begeisterung für ihr Land. Eine Woche fahren wir mit Shorena durch den Osten Georgiens. Die Küste im Westen mit der Strand- und Hafenstadt Batumi muss warten für den nächsten Besuch in Georgien, aber der wird (so viel vorab!) kommen.

Tiflis, Hauptstadt von GeorgienBild: DW/V. Witting

Mein erster Eindruck von Tiflis ist der einer überraschend modernen Stadt. Überall sind in den letzten Jahren hochmoderne Gebäude aus Glas und Stahl entstanden. Vor allem Glas. Das soll die Offenheit und Transparenz zeigen, erklärt uns Shorena, fügt aber auch dazu, dass die georgische Sonne ziemlich unbarmherzig die Räume aufheizt. "Schick, aber etwas unpraktisch in unserem sonnigen Land“, lächelt sie.

Tiflis - eine bunte und junge Stadt

Etwa 1,2 Millionen Menschen leben in Tiflis. Enge Gassen, eine hochmoderne, von Österreichern gebaute Seilbahn, die von der Mitte der Stadt bis hinauf zu einer Festung aus dem 3. Jahrhundert führt. Und - das ist sehr, sehr wichtig in Georgien - es gibt überall wunderbare Restaurants.

Georgische Mahlzeit mit Nationalgericht "Chatschapuri"Bild: DW/K. Palzer

Am ersten Abend speisen wir auf einem kleinen Schiff. Es gibt so viel zu essen, dass der Tisch nicht groß genug ist und die Teller übereinandergestapelt werden müssen. Der georgische Weißwein fließt, die Sonne geht langsam unter, und wir fahren auf dem malerischen Fluss Kura durch die Altstadt von Tiflis.

Am nächsten Tag geht es nach Norden, Richtung Kazbegi, in die Berge des großen Kaukasus. Die Straße ist die ehemalige Heeres-Straße und verbindet Georgien mit Russland. Bis heute ist sie gut ausgebaut. Allerdings finden auch immer mal wieder ganze Kuh-Herden, dass die Straße schön und ein prima Aufenthaltsort ist. Das allerdings ist in Georgien alltäglich und stört weder die Fahrer noch die Kühe.

Im KaukasusBild: DW/K. Palzer

Stepazminda, der kleine Ort am Fuße der großen Berge, ist eher unspektakulär. Ab hier brauchen wir einen Geländewagen. Über schmale Serpentinenwege geht es auf über 2000 Meter Höhe zur Kirche Zminda Sameba (zu deutsch: Dreifaltigkeitskirche). Ein heiliger Ort für viele Georgier, erklärt uns Shorena, denn hier wurde schon vor Jahrhunderten von den Stammesältesten Recht gesprochen.

Die Kapelle ist klein, dunkel und während des Gottesdienstes kann man kaum atmen vor Hitze und Weihrauch. Aber hier oben, mit Blick auf die über 5000 Meter hohen Berge, herrscht eine besondere, spirituelle Stimmung. Ich stehe an diesem heiligen Ort inmitten der majestätischen Kulisse des großen Kaukasus und über mir kreist ein Adler. Das sind die Momente, in denen einem Georgien unter die Haut geht.

Abenteuer inklusive

Rafting auf dem Fluss AragviBild: DW/K. Palzer

Mein ganz persönlicher Höhepunkt dieser Reise aber ist eine Rafting-Tour auf dem Aragvi, einem Gebirgsfluss. Versehen mit Helm, Ruder und in Neopren-Anzügen sind wir anderthalb Stunden auf dem Wasser unterwegs. Zura, ein junger, aber Rafting-erfahrener Georgier lenkt uns souverän durch die Stromschnellen. 15 Kilometer weiter flussabwärts kommen wir klitschnass, etwas atemlos, aber sehr glücklich im Basislager an. Und natürlich wartet dort bereits wieder ein wunderbares Mahl auf uns.

Ein Land im Wandel

Georgien versucht sich nach Westen zu öffnen. Die Hauptstraße zum Flughafen in Tiflis heißt tatsächlich "George-W.-Bush-Straße“, überall hängen EU-Fahnen, insbesondere die jüngeren Georgier sprechen sehr gut Englisch. Deutsche können ohne Visum einreisen. Nahezu überall findet man gute Hotels; in Tiflis und in Kazbegi haben wir sogar in Vier-Sterne-Hotels mit dem entsprechenden Komfort übernachtet.

Festung Ananuri und Shinwali-StauseeBild: DW/K. Palzer

Im Kaukasus gibt es eher rustikale Camps, von denen man zu atemberaubenden Bergtouren starten kann. In einem Bergdorf haben wir gelernt, wie man die traditionellen georgischen Teigtaschen "Chinkali“ zubereitet. Dann sitzt man bei einem Glas Weißwein mit Blick auf die Berge, es ist auch abends noch warm, und man ertappt sich bei dem Gedanken, dass die Georgier das gut gemacht haben, als sie bei der Verteilung der Welt zu spät gekommen sind...