1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Georgien strebt nach Westen

Eleni Klotsikas12. März 2006

In 15 Jahren Unabhängigkeit stolperte Georgien zunächst von einer Krise in die nächste. Doch seit der Rosenrevolution vor zwei Jahren blüht das Land auf. Das erklärte Ziel heißt jetzt EU-Beitritt.

Präsident Saakaschwili möchte sein Land stärker an den Westen anbindenBild: AP

Seit 1991 haben Bürgerkrieg, ethnische Konflikte und Korruptionsskandale dem Land zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer geschadet. Doch im Gegensatz zu vielen anderen ehemaligen Sowjetrepubliken hat Georgien vor zwei Jahren mit der Rosenrevolution einen friedlichen Umsturz und freie Wahlen erlebt. Die jungen Politiker, die seitdem die Regierungsgeschicke lenken, haben zumeist im Ausland studiert und wollen ihr Land an den Westen anbinden.

Am Rustaweli-Prospekt, die Hauptverkehrsader der Hauptstadt Tiflis, steht das sperrige Parlamentsgebäude, einstmals Sitz des Instituts für Marxismus-Leninismus. Vor zwei Jahren verteilte Michail Saakaschwili an dieser Stelle noch Blumen an Polizisten und Militärs. Heute ist er Präsident, und im Parlament sitzen 235 frei gewählte Abgeordnete. Vor dem Eingang wehen zwei Flaggen - neben der georgischen auch schon mal die europäische.

"Unser Endziel ist die Europäische Union"

Laut Umfragen wünschen sich mehr als drei Viertel der Georgier, dass ihr Land der EU beitritt, sagt Georgi Baramidze, Staatsminister für Euro-Atlantische Integration. "Wir wissen, dass unser Endziel die Europäische Union ist", erklärt er. Er ist sich sicher: "In sechs, sieben, acht oder vielleicht zehn Jahren, wenn Georgien und die EU bereit sind, werden wir über eine Mitgliedschaft verhandeln."

Neben EU- und NATO-Beitritt ist auch der Kampf gegen die Korruption ein wichtiges Ziel. Kleine Fortschritte gebe es bereits, sagt Mark Mullen, der seit neun Jahren in Tiflis lebt und dort das Büro von Tranparency International leitet. Zum Beispiel habe das alltägliche Schmieren von Polizisten abgenommen. Mullen hofft, dass das Land so weitermacht: "Ein Problem ist allerdings die bürokratische Ineffizienz. Der Zoll zum Beispiel ist unglaublich unorganisiert, und die Leute scherzen: Früher gab es zwar Korruption, aber wenigstens ging alles schneller."

Öl soll Aufschwung und Unabhängigkeit bringen

Wirtschaftlich gehe es in Georgien nur schleppend voran, erklärt Mullen. Große Investitionen aus dem Ausland blieben aus, da die entsprechende Infrastruktur und der Rechtsrahmen fehlten. "Alle Hoffnungen liegen derzeit auf einer neuen Pipeline, die an Russland und Iran vorbei Erdöl aus dem Kaspischen Meer nach Europa befördern soll", meint Mullen. Damit erhoffe man sich auch größere Unabhängigkeit von russischen Energielieferanten.

Einfaches Brot ist das Mittagessen der Weinbauern. Deren Geschäft ist nach Einführung der Marktwirtschaft stark eingebrochenBild: dpa

Hilfe kommt zudem von ausländischen NGOs. So arbeitet der 24-jährig Shota Dzamaschwili für die Hilfsorganisation "Wordvision", die Essen an verarmte Weinbauern austeilt. Er sieht die Zukunft seines Landes optimistisch: "Wenn man durch Tiflis läuft, sieht man, dass die Straßen wieder beleuchtet und renoviert sind und die Häuser gestrichen wurden." Viele Leute hätten Hilfe vom Staat erhalten. Zwar lebten noch immer die meisten der fünf Millionen Einwohner in Armut. Doch Dzamaschwili meint: "Zwei Jahre reichen einfach nicht aus, um das Land wieder auf die Beine zu bringen. Die Leute verstehen das, sie sind sogar bereit, nein zu sagen zu russischem Gas und Elektrizität, bis Georgien ganz und gar unabhängig ist."

Ungelöste Konflikte mit den Nachbarländern

Zum Verhängnis könnten dem Land die Konflikte mit den abtrünnigen Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien im Norden des Landes werden. Russland unterstützt die Führungen beider Regionen und hat Soldaten in der Region stationiert. Die Zukunft von Georgien hängt größtenteils davon ab, wie sich die Regierung in dieser verzwickten Lage verhalte, meint Christopher Langton vom Londoner International Institute for Strategic Studies. Die eigentliche Gefahr für die junge Demokratie sei die Möglichkeit, dass die ungelösten Konflikte im Norden des Landes wieder auflebten.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen