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PolitikEuropa

Georgien zieht geplantes "Agenten-Gesetz" zurück

9. März 2023

Tausende Menschen gingen in Georgiens Hauptstadt Tiflis gegen das umstrittene "Agenten-Gesetz" auf die Straße. Zunächst reagierte die Staatsmacht mit Härte, lenkt nun aber wohl ein.

Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei vor dem Parlamentsgebäude am Mittwochabend in Tiflis
Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei vor dem Parlamentsgebäude am Mittwochabend in Tiflis Bild: AP/dpa/picture alliance

Nach tagelangen Protesten lässt Georgiens Regierungspartei von ihren umstrittenen Plänen ab, ein Register für "ausländische Agenten" einzurichten. Das teilte die Partei Georgischer Traum auf ihrer Internetseite mit. Der am Dienstag in erster Lesung vom Parlament zunächst gebilligte Gesetzentwurf sah vor, dass Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer finanziellen Mittel aus dem Ausland erhalten, sich als sogenannte ausländische Agenten registrieren lassen müssen. Anderenfalls sollten Strafen drohen. Die Partei beklagte nun, das Gesetz sei "in einem schlechten Licht und auf irreführende Weise" dargestellt worden. Die Absicht hinter dem Vorhaben solle in öffentlichen Gesprächen "besser erklärt" werden.

Ähnlichkeiten mit russischem "Agenten-Gesetz"

Kritiker hatten der Regierung vorgeworfen, das geplante Gesetz sei nach russischem Vorbild ausgearbeitet worden, werde die Medienfreiheit einschränken und ebne den Weg für eine autoritäre Ausrichtung Georgiens. Sie sahen damit auch die EU-Perspektive der einstigen Sowjetrepublik in Gefahr. 

Die Vorlage ähnelte einem Gesetz, das 2012 in Russland verabschiedet worden war und das der Kreml seither nutzt, um gegen Medien, regierungskritische Organisationen und andere Kritiker vorzugehen.  

Proteste sollen weiter gehen

Trotz des Einlenkens der Regierungspartei haben die Oppositionsparteien angekündigt, die Proteste solange fortzusetzen, bis die Regierung einen prowestlichen Kurs einschlage und inhaftierte Kritiker und Protestteilnehmer frei lasse.

In den vergangenen Tagen versammelten sich mehrere Tausend Menschen auf den Straßen von Tiflis.  Sie schwenkten georgische und ukrainische Fahnen sowie die blaue Sternenflagge der EU. Aus Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine sangen sie auch die ukrainische Hymne.

Die Protestierenden vor dem Parlament in Tiflis bringen eindeutig ihre pro-europäische Einstellung zum AusdruckBild: Vano Shlamov/AFP/Getty Images

Am Mittwoch versuchten einzelne Demonstrierende in das Parlamentsgebäude einzudringen, die Polizei drängte sie zurück, unter anderem mit Wasserwerfern und Tränengas, und forderte sie auf, die Gegend vor dem Parlament zu räumen. Die Protestierenden wiederum warfen mit Steinen und Flaschen. Laut der Zeitung "Georgia Today" gab es erneut mehrere Festnahmen.                                

Chef von Regierungspartei sprach von "radikalen Kräften"

Der Chef der Regierungspartei Georgischer Traum, Irakli Kobachidse, bezeichnete die Protestierenden als "radikale Kräfte" und zog eine Parallele zu den pro-europäischen Protesten auf dem Maidan-Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew im Jahr 2014. In deren Folge habe die Ukraine "20 Prozent ihres Gebiets" verloren, verwies Kobachidse auf die Annexion der Krim durch Moskau im Jahr 2014 und den russischen Angriffskrieg ab Februar 2022.

Mit einem großen Polizeiaufgebot versuchte die Regierung am Mittwochabend, die Proteste niederzuschlagenBild: Vano Shlamov/AFP/Getty Images

Georgiens Präsidentin Salome Surabischwili stellte sich hinter die Protestierenden. Während eines Besuchs in New York kündigte sie ihr Veto gegen das Gesetz an. Die Regierungspartei Georgischer Traum hätte sich darüber jedoch mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament hinwegsetzen können.

Auch international gab es Kritik

Nicht nur die Kritik im Land, auch die aus dem Ausland haben mutmaßlich zu einem Umdenken der Regierung geführt. So warnte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, Georgiens Regierung vor einer Umsetzung der Pläne. Der "vom Kreml inspirierte" Gesetzentwurf sei "nicht mit dem klaren Wunsch der georgischen Bevölkerung nach europäischer Integration und demokratischer Entwicklung vereinbar", sagte Price in Washington. Eine Durchsetzung der Pläne würde das Verhältnis Georgiens zu seinen strategischen Partnern schädigen und die "euro-atlantische Zukunft" des Landes infrage stellen.

Laut Umfragen sollen 80 Prozent der Bevölkerung Georgiens einen EU-Beitritt unterstützenBild: Vano Shlamov/AFP/Getty Images

Die kleine ehemalige Sowjetrepublik Georgien strebt laut Verfassung den Beitritt zu EU und NATO an. Umfragen zufolge wird dies von mindestens 80 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Im vergangenen Jahr hatte die Südkaukasus-Republik gemeinsam mit der Ukraine und Moldau einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union gestellt. In jüngster Zeit nährten aber mehrere Maßnahmen der Regierung von Premierminister Irakli Garibaschwili Spekulationen, das Land könne sich Russland zuwenden.

bri/se/ ww/mak (dpa, afp, rtr)

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