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Georgij und der Hausmeister

Wladimir Kaminer11. Februar 2003

Wladimir Kaminer, der Alltagskosmonaut, erkundet Berlin – und trifft auf seinen Nachbarn, der die deutsche Musik entdeckt. Von seltsamen Erlebnissen noch seltsamerer Menschen berichtet der Autor exklusiv für DW-WORLD.

Wladimir Kaminers Nachbar tanzt auch nach 22 UhrBild: Wladimir Kaminer

Auch wenn der Bundestag einstimmig Deutschland per Gesetz zu einem Einwanderungsland erklärt, wird sich nichts an den Tatsachen ändern, die gerade das Gegenteil beweisen. Die Ursachen dafür bleiben im Dunkeln. Wahrscheinlich hat Deutschland mit seinen Ausländern und seinem Volk einfach Pech, sie wollen und wollen nicht zusammenkommen.

Die deutschen Ausländer sind zickig. Sie wollen sich nicht in die deutsche Kultur einweihen lassen, viel lieber bleiben sie unter sich und bilden zu diesem Zweck Cliquen und Gettos. Sie sitzen den ganzen Tag in ihren Kneipen herum, gucken ihren Fußball und saufen ihr Bier. Sie sprechen laut auf den Straßen und in den Geschäften ihre Fremdsprachen, ohne auf die Einheimische Rücksicht zu nehmen. Es wirkt demütigend. Diese ständige Fremdspracherei bringt die Einheimischen auf den schlechten Gedanken, dass die Ausländer vielleicht Böses über sie reden oder noch schlimmer - ihnen etwas verheimlichen. Dann werden die Einheimischen sauer und meiden ihrerseits die Ausländer.

Die Einheimischen bilden eigene Cliquen und Gettos, wo sie unter sich bleiben, ihren Fußball gucken und ihr Bier trinken können. Es gibt natürlich auf beiden Seiten der Mauer einige Einzelgänger, die sich der Integration nicht verweigern. Zu solchen willigen Ausländern gehört ohne Zweifel mein Nachbar Georgij. Obwohl er eine Sprachschule besucht, ständig Jobs und sonst sehr viel um die Ohren hat, wird er nicht müde, sich für alles Deutsche zu interessieren. Er hatte sich vorgenommen, das "Deutsch-Russische Wörterbuch" auswendig zu lernen und ist schon beim Buchstaben "J" angekommen. Das alles ist ihm aber noch nicht genug. "Wir müssen die Sorgen der Einheimischen verstehen können, ihr Leben von innen studieren", behauptet er. Zu diesem Zweck guckte er sich alle Staffeln von "Deutschland sucht Superstar" an.

Seine erste Erkenntnis war, das die Deutschen selbst ihre Sprache in viel kleinerem Umfang benutzen, als es in dem tausend Seiten dicken "Deutsch- Russischen Wörterbuch" vorgesehen war. Die meisten Superstars kamen mit fünf Sätzen prima zurecht. Für Georgij war dies ein Zeichen: Er musste sich nicht weiter mit dem dicken Wörterbuch quälen. Auch die moderne deutsche Singkultur reizte ihn sehr, weil sie so lebensfroh ist und keine besonders ausgeprägten Sprachkenntnisse erfordert. Er kaufte sich eine Platte mit dem neuen deutschen Hit "We have a Dream", legte sie immer wieder auf und terrorisierte damit zwei Wochen lang das ganze Haus. Die Nachbarn von unten klopften immer wieder mit einem Besen gegen die Decke. Georgij dachte, sie freuen sich, wenn sie ihre Folklore hören. Die Nachbarn beschwerten sich jedoch beim Hausmeister, Herrn Bröttcher, der bei uns im Haus unter anderem für den Frieden und die Völkerverständigung zuständig ist.

Herr Bröttcher klingelte daraufhin bei Georgij. "Ich habe Signale bekommen, dass sie nachts laut afrikanische Tanzmusik hören, dazu noch schreien und im Wohnzimmer herumspringen. Hören sie auf damit", sagte Herr Bröttcher mit strengem Blick. "Bei uns in Deutschland wird nach 22 Uhr nicht mehr getanzt. Hier leben Menschen, die früh aufstehen müssen. Und bringen Sie endlich ihren Balkon in einen ordentlichen Zustand, im Interesse des Gesamtanblickes der Hausfassade. Wir wollen doch alle Frieden, oder?"
Georgij war erstaunt, dass seine Nachbarn ihre eigene Folklore nicht mochten, fügte sich jedoch.

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