1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Lithium-Deal: Deutsche Firmen hoffen weiter

Gabriel González Zorrilla
9. November 2019

Bolivien entscheidet, ein gemeinsam mit Deutschland geplantes Lithium-Projekt zu begraben. Die beteiligten deutschen Firmen und die Bundesregierung werden kalt erwischt und warten auf eine Erklärung.

Bolivien | Uyuni-Salzsee
Bild: AFP/Getty Images/A. Raldes

"Ich habe am Montagmorgen um halb sieben in meinem Badezimmer in den Radionachrichten gehört, dass das Projekt gestoppt werden soll. Da dachte ich zuerst, ich höre nicht recht", sagte Wolfgang Schmutz dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". Schmutz ist Firmenchef des in Baden-Württemberg beheimateten mittelständischen Unternehmens ACISA. Zusammen mit dem bolivianischen Staatskonzern Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB) hatte Schmutz erst im Dezember 2018 in Anwesenheit des deutschen Wirtschaftsministers Peter Altmaier den Vertrag über die Gründung eines Joint Venture unterschrieben, das Deutschland erstmals direkten Zugriff auf die weltweit größten Lithium-Reserven im bolivianischen Potosí sichern sollte.

Im "Salar de Uyuni", dem größten Salzsee der Welt, schlummert das weiße Gold: Lithium. Es wird für Batterien von Elektro-Autos benötigt und ist deswegen für die deutsche Autoindustrie von strategischer Bedeutung.

Doch dann kam die kalte Dusche: In Bolivien, wo es seit der umstrittenen Wahl vom 20. Oktober landesweite Proteste gegen Präsident Evo Morales gekommen ist, hat dieser laut bolivianischen Medienberichten am 2. November ein Dekret unterzeichnet, das dem deutsch-bolivianischen Joint Venture zum Lithium-Abbau ein Ende setzt.

Weiter zuversichtlich

So recht glauben wollte man das bei der ACISA offenbar nicht: In einem Brief an das deutsche Wirtschaftsministerium, der der DW vorliegt, erklärt die ACISA vier Tage später (06.11.), bis zu diesem Zeitpunkt keine offizielle Nachricht von bolivianischer Seite über das Ende des Projekts erhalten zu haben. Man werde daher "wie vereinbart am Projekt weiterarbeiten". Angesichts der gegenwärtigen Krise in Bolivien heißt es in Brief weiter: "Nach ersten Rückmeldungen aus Bolivien sind wir zuversichtlich, dass unser Lithium-Projekt nach einer Phase der politischen Beruhigung und Klärung fortgeführt wird."

Feierliche Gründung des Joint Ventures im Dezember 2018 mit W. Schmutz (ACISA) und J. C. Montenegro (YLB), sitzend Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Die Kommunikation zwischen den Partnern in Bolivien und Deutschland scheint aber bis jetzt weiterhin gestört zu sein. Auf schriftliche Anfrage der DW erklärt ACISA am Freitagabend (08.11.): "Wir haben unsere bolivianischen Partner um Aufklärung gebeten, aber noch keine Antwort erhalten."

Was für eine Kommunikation

Für Heiner Marx, Vorstandsvorsitzender des thüringischen Unternehmens K-UTEC, das von ACISA mit der Planung und dem Bau der Anlage in Bolivien beauftragt wurde, ist die Situation unhaltbar: "Herr Schmutz hat mir am Mittwoch (06.11.) noch gesagt, dass es noch immer keine offizielle Verlautbarung vonseiten der Bolivianer über die Aufkündigung des Lithium-Projekts bekommen hätte. Aber das ist doch ein Joint Venture mit bolivianischen Partnern. Wie ist das möglich? Die haben doch einen bolivianischen Geschäftsführer."

Fest steht: Das Aufhebungsdekret der bolivianischen Regierung wurde bereits am Montag (04.11.) auf der offiziellen bolivianischen Internetseite für Gesetze und Verordnungen veröffentlicht und ist damit in Kraft. Die bolivianische Botschaft in Berlin hat das Dekret 4070 auf Anfrage der DW auch prompt per Mail verschickt.

Befragt nach den Gründen für die Annullierung der deutsch-bolivianischen Vereinbarung, schreibt die bolivianische Botschaft: "Die Gründe für die Entscheidung liegen in den Konflikten zwischen der nationalen Ebene und den lokalen Interessen über die Politik der wirtschaftlichen Weiterentwicklung und den Umgang mit den Naturvorkommen." Man wolle weitere Spannungen der sozialen Ordnung vermeiden, hieß es weiter.

Verständnis für den Protest

Im Regierungsbezirk von Potosí, in dem der Salzsee liegt, war es zu Protesten gegen das Projekt gekommen. Nach Ansicht der örtlichen Bürgergemeinschaft wäre der finanzielle Anteil der für die lokale Bevölkerung zu gering.

"Das sind diese berühmten drei Prozent", wirft der Firmenchef von K-UTEC ein. "Die örtlichen Bürgergemeinschaften sollen von den Erlösen der Produktion etwas bekommen. Momentan hat man denen offenbar drei Prozent bezogen auf den Umsatz angeboten. Wir wissen aufgrund unserer Arbeit in Argentinien und Chile, dass die dortige lokale Bevölkerung zwischen acht und zehn Prozent erhält. Meiner Meinung nach ist das auch gerechtfertigt", so Heiner Marx

Proteste: Seit der umstrittenen Wahl vom 20. Oktober steht Präsident Evo Morales unter starkem innenpolitischen Druck Bild: Reuters/K. Pfaffenbach

Der Vorstandsvorsitzende des thüringischen Unternehmens kann die Proteste nachvollziehen: "Die Indigenen in Argentinien, in Chile oder in Bolivien tauschen sich doch über die Ländergrenzen hinweg aus. Die wissen doch ganz genau, was die anderen bekommen", meint Marx. "Die Rahmenbedingungen in Bolivien sollten dieselben wie in Chile und Argentinien sein." Auf die Frage, wer für die Festsetzung auf drei Prozent verantwortlich sei, platzt es aus Marx heraus: "Na, die Bolivianer!" Die deutsche Seite des Joint Venture habe keinerlei Einfluss auf den Anteil der örtlichen Bevölkerung.

Souveränität des bolivianischen Staates

Auch die Pressestelle der Firma ACASI stützt diese Sicht: "Es handelt sich dabei um eine vom bolivianischen Staat generell festgesetzte Gewinnbeteiligung für alle Regionen, in denen Bergbauaktivitäten durchgeführt werden. Da können und dürfen wir uns nicht einmischen, denn das würde einen Eingriff in die Souveränität des bolivianischen Staates bedeuten."

Für Heiner Marx liegen die Vorteile, die Bolivien aus diesem Projekt gezogen hätte, auf der Hand. "Wir ermöglichen einen Technologietransfer und schaffen Hunderte primäre und Tausende von sekundären Arbeitsplätzen. Hinter ACISA steht die deutsche Automobilindustrie und die Bundesregierung. Eine qualifiziertere Entwicklungshilfe kann man doch kaum noch leisten", so der Unternehmenschef. Auch Marx hat das Projekt noch nicht aufgegeben und setzt auf Dialog: "Wenn man miteinander redet und offen verhandelt, dann findet man doch auch Lösungen."