Wasserträger Geraint Thomas wird zum Tour-Boss
29. Juli 2018Schon nach dem Etappenstart gab es ein Gläschen Champagner, unter dem Arc de Triomphe in Paris begann dann die große britische Party: Als erster Radprofi aus Wales hat Geraint Thomas die Tour de France gewonnen. Der 32-Jährige krönte am Sonntag im Gelben Trikot seine Triumphfahrt durch Frankreich auf den Champs-Élysées, wo Alexander Kristoff aus Norwegen vor dem Deutschen John Degenkolb zum letzten Tagessieg der 105. Rundfahrt sprintete.
Nach 3351 Kilometern hatte Thomas in der Gesamtwertung 1:51 Minuten Vorsprung auf den zweitplatzierten Tom Dumoulin aus den Niederlanden, der am Samstag das Zeitfahren in Espelette gewonnen hatte. "Das fühlt sich noch alles surreal an", sagte Thomas, der nach dem größten Coup seiner Karriere von den Gefühlen übermannt wurde. Den britischen Erfolg rundete der entthronte Seriensieger Chris Froome auf Rang drei (+2:24 Minuten) ab - er war nach vier Tour-Siegen erst unmittelbar vor dem Start 2018 vom Doping-Verdacht freigesprochen worden.
Gebäude in Wales gelb beleuchtet
Das dominierende Team Sky stellte zum sechsten Mal in den vergangenen sieben Jahren den Tour-Champion. Nach mehr als drei Wochen Kampf in der Ebene und auf dem Berg, auf Kopfsteinpflaster und gegen die Uhr war Thomas der verdiente Sieger. Darüber waren sich Kontrahenten wie Beobachter einig. Der langjährige Helfer von Froome vermied folgenschwere Stürze, bestimmte in den Alpen und Pyrenäen das Tempo und räumte letzte Zweifel mit Rang drei im Zeitfahren am Samstag hinter Dumoulin und Froome aus. "Er war absolut unglaublich in den letzten Wochen", lobte Dumoulin.
Nach Bradley Wiggins und Froome gewann der zweimalige Olympiasieger auf der Bahn als dritter Brite die Tour für Sky - und als erster Waliser. Zu seinen Ehren wurden schon am Samstagabend viele Gebäude in Wales gelb angeleuchtet. Thomas hat viele Jahre als Helfer - und gezeichnet von Sturzpech - hinter sich. Schon am Samstag in Espelette vergoss der so kontrollierte und coole Brite Tränen, als ihn seine Frau im Ziel überraschte. "Das letzte Mal geweint habe ich bei meiner Hochzeit", sagte ein überwältigter Gesamtsieger, der sich anders als die Vorgänger noch keinen Dopingvorwürfen ausgesetzt sah.
"Es hat nicht viel gefehlt"
Zwei Etappensiege in den Alpen, dazu zwei zweite und zwei dritte Plätze: Thomas zeigte an 21 Renntagen keine Schwäche. Vor allem den Sieg in L'Alpe d'Huez werde er nie vergessen. "Dort im Gelben Trikot zu gewinnen, das war Wahnsinn, das hätte ich nie erwartet. Das war unglaublich", sagte der Radsportler, der allein für sein Gelbes Trikot 500.000 Euro Preisgeld erhält, das an das Team verteilt wird.
Für Kristoff war der Sieg auf den Champs-Élysées mehr wert als Geld. Der Ex-Weltmeister setzte sich im finalen Sprint vor John Degenkolb und Arnaud Demare durch. "Es war ein guter Sprint von mir und der ganzen Mannschaft", sagte Degenkolb. "Es hat nicht viel gefehlt." Fast hätte also Degenkolb die deutsche Erfolgsgeschichte in Paris fortgeschrieben. Bei solchen Massenspurts jubelten zuletzt fast immer deutsche Fahrer, aber die in Paris schon erfolgreichen Marcel Kittel (2013, 2014) und André Greipel (2015, 2016) schieden auf schweren Alpenetappen in der zweiten Woche aus. So holte Degenkolb den einzigen deutschen Sieg 2018, als er auf der schweren 9. Etappe über das Kopfsteinpflaster nach Roubaix überragte.
Trotz Schulterbruch die Tour gefahren
Die anderen Deutschen waren als Helfer für ihre jeweiligen Kapitäne vorgesehen. Marcus Burghardt vom Team Bora-hansgrohe begleitete Peter Sagan nach dessen Sturz über die letzten Berge der Tour, damit sich der Slowake in Paris sein sechstes Grünes Trikot als Top-Sprinter abholen konnte. Der dreimalige Weltmeister zog mit Rekordhalter Erik Zabel gleich.
Für den Großteil des Pelotons war die Zielankunft schon ein Erfolg, 145 von 176 gestarteten Fahrern schafften es nach Paris. Die größten Leiden überstand Lawson Craddock, der sich trotz eines Schulterbruchs auf der ersten Etappe durch Frankreich schleppte und im Klassement Letzter wurde. Er kann sich ähnlich freuen wie Geraint Thomas.
sw/jj (dpa, sid)