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Film

Gerd Nefzer: "Mehr als Knall und Bumm"

16. Februar 2018

Für seine Kunst braucht er keinen Computer. Gerd Nefzer ließ es in "Blade Runner 2049" regnen, hageln und stürmen. Die DW hat mit ihm im Vorfeld der Oscar-Verleihung über seine Arbeit gesprochen.

Retrospektive 2017 Blade Runner
Bild: 2007 Warner Bros. Entertainment Inc.

Deutsche Welle: "Blade Runner 2049" ist die Fortsetzung des legendären Science-Fiction-Films "Blade Runner", der unter der Regie von Ridley Scott 1982 in die Kinos kam. Sie waren für die Special Effects zuständig. Was war für Sie die größte Herausforderung?

Gerd Nefzer: Der ganze Film war eine große Herausforderung. Die größte jedoch war die Endszene, die in einem stürmischen, nebligen, welligen Ozean spielt und in einem speziell dafür gebauten Wasserbecken gedreht wurde. So ein Wasserbecken gibt es zwar in Malta, aber aus organisatorischen Gründen war es nicht möglich, dort zu drehen. Daraufhin hat die Produktion beschlossen, selbst ein Becken in Ungarn zu bauen. Dafür konstruierten wir eine Regenanlage, mehrere Wellenmaschinen und Wasserrutschen mit auskippbaren 2.500 Liter-Wasserbehältern, die eine große Wasserfontäne erzeugen, damit es so aussieht, als würden über den Schauspielern die Wellen zusammenbrechen. Das Wasser musste auf 30 Grad geheizt werden, denn Harrison Ford wollte verständlicherweise nicht im kalten Wasser drehen -  es ist auch nicht möglich, lange in kaltem Wasser zu arbeiten. All das musste in kürzester Zeit entstehen - in nur zehn Wochen. Diese kurze Planungs- und Vorbereitungszeit war die größte Herausforderung.

Gerd Netzer arbeitet auch am Computer, aber vor allem am SetBild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Und auch eine Premiere…

Ja, auch eine Premiere für mich und mein Team. Ich habe schon in Wasserbecken gedreht, aber sie noch nie mit den kompletten Effektgeräten bestücken müssen.

Sie haben gerade den Dreh der Schlussszene beschrieben, in der Harrison Ford mit einem Bus in den Ozean rutscht.

Genau. Der Bus, der im Ozean versinkt, war ebenfalls ein mechanischer Effekt. Dafür benötigten wir so etwas wie eine übergroße Achterbahnschiene, die vom Land aus, wo der Bus stand, über die Hafenmauer langsam ins Wasser führt. Der Bus sollte langsam ins Wasser rutschen. Dabei musste er sich um 90 Grad drehen und und am Ende komplett, mit Harrison Ford an Bord, im Wasser versinken.

Diese Schwierigkeit haben Sie gut gemeistert. Schließlich sind Sie jetzt für den Oscar nominiert.

Alles hat nach Plan funktioniert. Regie, Kamera, Produzenten und Schauspieler waren hochzufrieden. Vor allem mit dem Ergebnis der Wellen. Wellen sind außerordentlich schwierig zu erzeugen. Wir hatten ein Becken, das 50 mal 50 Meter groß und 5 Meter tief war. In der Kürze der Zeit mussten wir nicht nur den Bau der Technik bewältigen, sondern natürlich auch Tests ausführen, um optimale Wellen zu erzeugen.

Ryan Gosling in "Blade Runner 2049"Bild: picture-alliance/dpa/Sony Pictures Releasing GmbH

Warum war es so wichtig, die Effekte für "Blade Runner 2049" analog herzustellen? Wäre es nicht viel einfacher gewesen, sie am Computer zu generieren?

Mittlerweile kann man viel am Computer machen, das gut aussieht, aber es ist nicht die Art und Weise, wie der Regisseur Denis Villeneuve und der Kamermann Roger Deakins arbeiten. Denen ist es wichtig, dass sich die Schauspieler in einer realen Umgebung befinden und nicht in einer blauen oder grünen Box, in denen ihnen ein bisschen Wasser ins Gesicht spritzt. Harrison Ford saß wirklich im Bus, er musste gegen die Wellen ankämpfen. Es ist viel einfacher für die Schauspieler zu spielen, wenn sie die Szenen nahezu real erleben. Wenn Sie die Schauspieler fragen, wollen diese lieber in einem realen Raum agieren. Es ist so, als würde ich Ihnen sagen, gehen Sie mal in eine grüne Box und spielen Tennis, ohne Tennisschläger, ohne Spielfeld.

Also spielt die Authentizität des Analogen noch eine große Rolle beim Filmemachen?

Auf jeden Fall. Es gibt natürlich viele Filme, die zu 90 Prozent am Computer erzeugt wurden. Aber für uns gehört die Realität dazu. Das war dem Regisseur auch sehr wichtig.

In "Blade Runner 2049" gibt es Nebel, Regen, Schnee und Sturm. Wie haben Sie diese düstere Atmosphäre, diesen apokalyptischen Look kreiert?

Harrison Ford in "Blade Runner 2049"Bild: Sony Pictures Releasing GmbH

Es war eine Zusammenarbeit von Beleuchtung, Kamera und uns. Wir können es draußen nicht dunkel machen, eine Sonne können wir auch nicht scheinen lassen. Aber viele Szenen wurden im Studio gedreht, wo man dementsprechend dunkel beleuchtet. Es hat außerdem viel geregnet und es war neblig. In der Szene, in der Ryan Gosling die Straße entlang läuft, ist es dunkel, neblig und es liegt Schnee. Den Nebel haben wir mit Nebelmaschinen erzeugt, den Schnee mit Schneemaschinen und ihn dann auf die Strasse gepresst. Dazu dementsprechend beleuchtet und von der Kamera so aufgenommen, dass es glaubhaft rüberkommt. Wenn Sie Regen machen und ihn nicht richtig beleuchten, dann sehen Sie den Regen nicht. Es ist immer ein Zusammenspiel von vielen Leuten. Die Szenen wurden natürlich im Nachhinein am Computer bearbeitet. Dazu wurden unter anderem Häuser erschaffen und die Schneelandschaft erweitert. Das ist die sogenannte 'Set-Extension'.

Wie waren Ihre Vorgaben? Haben Sie für jede Szene vorher einen Wetterbericht bekommen? Oder konnten Sie Ihrer Fantasie freien Lauf lassen?

Als es mit dem Dreh losging, mussten wir dank guter Vorplanung nicht mehr sehr kreativ sein. "Blade Runner 2049" ist einer der ersten Filme, in denen es einen richtigen Wetter Breakdown gab: eine Liste, welches Wetter in welcher Szene herrschen soll. Im Vorfeld wurden Licht, Kamera, Atmosphäre, Nebel, Regen- und Schneetests gemacht. Das haben sich Regie und Kamera angeschaut und dann Details korrigiert. Am Drehtag wussten wir, welches Wetter wir wollen und wie wir es herstellen können. Bei Außendrehs kommen natürlich Wetterphänomene wie Wind dazu. Der Schnee fliegt dann in eine andere Richtung. Gegen reale "Naturgewalt" können wir nur begrenzt ankommen.

Sie gelten jetzt seit "Blade Runner 2049" als "Mann fürs Wetter". Waren das schon vorher Ihre Schlüsselqualifikationen - oder haben Sie sich das neu aneignen müssen?

Große Teile von "Blade Runner 2049" wurden im Studio gedrehtBild: Sony Pictures Releasing GmbH

Ich musste mir grundsätzlich nichts aneignen, aber vieles neu entwickeln. "Mann fürs Wetter" – das ist im Film nur ein Teil unserer Arbeit. Viele denken bei Special Effects nur an Pyrotechnik, 'Bumm' und 'Knall' und Explosionen. Der Bereich Wetter spielte gerade bei Blade Runner eine große Rolle. Das schlechte Wetter, die Umweltverschmutzung, die trübe, gedrückte Stimmung darzustellen, das war Kameramann und Regie sehr wichtig. Wenn man sich den ersten Teil von Blade Runner anschaut, der spielt auch nur im Regen und im Nebel. Und das war für die Fortsetzung auch ein wichtiges Thema.

Wie viele Helfer haben Sie für so eine große Produktion? Wie ging das konkret vor sich?

Die meisten Menschen am Set sind keine Helfer, sondern Fachleute. Wir waren an einigen Tagen, wie zum Beispiel bei den Drehs am Wasserbecken, ein Team von 50 bis 60 Leuten. Die brauchen Sie, um die Regenanlage, Wellenmaschinen, Wasserrutschen, Wasserkanonen und die Bewegungen des Spinners im Wasser zu bedienen. Nicht offensichtlich ist außerdem ein großer personeller Aufwand für Organisation, Planung und Verwaltung. Bei so einem aufwendigen Film ist es ein riesiger Apparat, den wir bewegen müssen.

Sie arbeiten schon seit drei Jahrzehnten mit Special Effects. Wie oft haben Sie schon für internationale Regisseure gearbeitet?

Sehr oft. In den letzten 15 Jahren arbeiten wir regelmäßig für internationale Regisseure. Und haben viel Kontakt zu den USA. Aber wir haben klein angefangen. Mein erster Film war eine TV-Serie für die Bavaria in München, zu Beginn haben wir von Fernsehfilmen gelebt. Nach und nach sind wir bekannter geworden und in den letzten 15 Jahren ist es ein Dauerzustand, dass wir für internationale Filmprojekte arbeiten, unter anderem für amerikanische, englische, französische und indische Projekte. Wir haben inzwischen einen guten Namen in der Branche. Aber es war ein langer und harter Weg dahin.

Mit Gerd Nefzer sprach Sabine Oelze.

Nebel, Regen, Dunkelheit - "Blade Runner 2049" ist vor allem eines: düster.Bild: Sony Pictures Releasing GmbH
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