Heute erzielen ihre Werke Preise in Millionenhöhe. Die Stuttgarter Staatsgalerie stellt frühe Arbeiten von Baselitz, Richter, Kiefer und Polke aus. Doch an der Schau entzündet sich auch Kritik.
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Frühe Werke der deutschen Maler-Stars
Schon an ihren frühen Arbeiten sind die Maler Georg Baselitz, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Anselm Kiefer zu erkennen, wie die Ausstellung "Die jungen Jahre der Alten Meister" in der Staatsgalerie Stuttgart zeigt.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Georg Baselitz - Ein Grüner zerrissen
Trotz des Titels: Hier ist nicht der Grünen-Politiker Robert Habeck abgebildet. Ab 1966 schuf Baselitz seine sogenannten Frakturbilder, deren Motive wie aus den Teilen eines zerrissenen Fotos neu zusammengelegt wirken. Der Künstler wollte damit beim Betrachter den Eindruck von Versehrtheit und Verletzlichkeit vermitteln, wie bei diesem "Grünen" von 1967.
Bild: Georg Baselitz 2019
Sigmar Polke - Zirkus
Dieses Werk Sigmar Polkes von 1966 zählt zu den seltenen frühen Rasterbildern des Künstlers. Das Stilmittel, wie im Druck Bildpunkte einzusetzen, prägte auch Arbeiten der Amerikaner Andy Warhol und Roy Lichtenstein. Für Polkes spätere Werke wurde es dann charakteristisch.
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Anselm Kiefer - Glaube, Hoffnung, Liebe
Aus der sogenannten Reihe der Dachbodenbilder mit biblischen und mythologischen Motiven stammt "Glaube, Hoffnung, Liebe" aus dem Jahr 1973 in den für diese Gruppe symptomatisch warmen Brauntönen. Der Titel ist in der Bildmitte eingeschrieben - ein Charakteristikum, das Kiefer in zahlreichen Werken anwandte.
Bild: Anselm Kiefer
Gerhard Richter - Kuh II
1961 verließ Richter die DDR kurz vor dem Bau der trennenden Mauer. Er selbst bezeichnet die dort noch entstandenen Arbeiten als sein Frühwerk. Das Gemälde "Kuh II" von 1965 entstand schon im Westen. Es reiht sich ein in die Serie der Fotobilder, die in Richters Schaffen seit 1962 eine zentrale Rolle spielten.
Bild: Gerhardt Richter 2018
Georg Baselitz - Der Wald auf dem Kopf 1969
Als Reaktion auf die widerstreitenden Kunstdogmen in Ost und West - formale Abbildung hier, Abstraktion dort - drehte Baselitz seine Motive kurzerhand um. Ein genialer Kniff, denn auf diese Weise erarbeitete sich Baselitz ein Alleinstellungsmerkmal, von dem er sich erst wieder in seinem Alterswerk löst. "Der Wald auf dem Kopf" entstand 1969.
Bild: Georg Baselitz 2019
Sigmar Polke - Freundinnen
Als Motiv für das Rasterbild "Freundinnen" wählte Polke 1965/66 einen kleinen Zeitungsausschnitt - die Fotografie zweier Bikinimädchen. Aus der Verschiebung der Rasterpunkte schuf Polke ein eigenes Werk: Werbung formuliert er zur künstlerischen Botschaft um und verändert so ihre Wahrnehmung..
Bild: VG Bild-Kunst, Bonn 2019
Anselm Kiefer - Heroisches Sinnbild VII.
Mit Anfang 20 fotografierte sich Anselm Kiefer zum ersten Mal mit Hitlergruß, um die Szene später zu malen. Er reagierte damit auf die Faszination, die der junge Kunststudent in seinem Umfeld für das Totalitäre feststellte, für Mao oder Lenin. Er habe die Geste körperlich erfahren wollen, erklärte Kiefer. Es folgten sieben weitere sogenannte "Sinnbilder", darunter dieses aus dem Jahr 1970.
Bild: Anselm Kiefer
Gerhard Richter - Schwimmerinnen
Neben politisch aufgeladenen Bildern, etwa zur Wiederaufrüstung Deutschlands, widmete sich der junge Gerhard Richter auch alltäglichen Szenen: Dieses Motiv entstammte einer Schwarzweiß-Fotografie, die Richter 1965 als Dia auf seine Leinwand projizierte, abmalte und schließlich pink lasierte.
Bild: Gerhardt Richter 2018
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Die Stuttgarter Staatsgalerie zeigt zum ersten Mal die Werke aller vier Meister gemeinsam in einer Ausstellung: "Die jungen Jahre der Alten Meister", so der Titel, versammelt Arbeiten aus den 1960er und 1970er Jahren, als sich Deutschland - eben auch dank der vier Meister - wieder auf die Landkarte des weltweiten Kunstzirkus setzte und so an Vorkriegserfolge anknüpfte.
Die vier deutschen Maler zählen unbestritten zu den bekanntesten zeitgenössischen Künstlern: Im Kunstkompass 2018 der Zeitschrift "Capital" rangieren Gerhard Richter, Georg Baselitz und Anselm Kiefer auf den Plätzen 1, 3 und 6. Das Ranking listet seit 1970 die weltweit gefragtesten lebenden Künstler auf. Auch der 2010 verstorbene Sigmar Polke war zu Lebzeiten Dauergast in diesem erlauchten Kreis. Bei Auktionen erzielen die Werke des Quartetts jeweils Millionenbeträge, die Bilder Gerhard Richters (oben) zählen zu den teuersten eines lebenden Künstlers überhaupt.
Historische Umbrüche
In Deutschland begannen Künstlerinnen und Künstler in den 1960er Jahren, analog zu den Umbrüchen an den Universitäten, die muffigen Strukturen der Nachkriegszeit aufzubrechen. Die vier in Stuttgart ausgestellten Maler bezeichneten sich zwar als unpolitisch, ihre Werke wurden im Ausland dennoch als Belege für ein kritisches Deutschland gefeiert, das seine nationalsozialistische Vergangenheit aufarbeitet.
"Sie haben auch durch ihr Werk den Blick auf unser Land verändert und tief geprägt", sagte bei der Eröffnung Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Schirmherr der Ausstellung in der Stuttgarter Staatsgalerie. Das schließe den Blick aus dem Ausland wie den "Blick auf uns selber" ein. Keiner der vier Künstler sei ohne die nationalsozialistische Vergangenheit denkbar, betonte Steinmeier.
Doch auch für die Künstler selbst standen die frühen 1960er Jahre im Zeichen des Wandels: Bis auf Anselm Kiefer stammen sie alle aus der DDR und machten im Westen Deutschlands Karriere. Schon im Vorfeld hatte die Stuttgarter Ausstellung, die anschließend auf Tournee durch weitere Museen gehen soll, Kritik hervorgerufen: "Soll das wirklich heißen, dass man die Herren als die wichtigsten Künstler der Welt verkaufen will? Woran soll sich das festmachen - an Auktionsrekorden? Und was sagen Jeff Koons und David Hockney dazu?", ätzte das Kunstmagazin Monopol.
Rund 100 Frühwerke sind nun vom 12. April bis zum 11. August in Stuttgart zu sehen, die drei noch lebenden Künstler des Quartetts haben die Ausstellung mit Leihgaben unterstützt. Begleitet wird die Schau von einer zeitgeschichtlichen Dokumentation der 1960er Jahre im Foyer der Staatsgalerie, die damalige politische Ereignisse und die neue Popkultur darstellt.
Anschließend gastiert die Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg.