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Gericht macht Den Haag für Srebrenica haftbar

5. Juli 2011

Nun also doch. Ein Berufungsgericht in Den Haag hat den Niederlanden die Verantwortung für den Tod dreier Muslime beim Massaker von Srebrenica im Jahr 1995 zugewiesen. Die Hinterbliebenen sollen Entschädigungen erhalten.

Eine bosnische Muslimin trauert an Särgen von Srebrencia-Opfern (Foto: AP)
Eine bosnische Muslimin trauert an Särgen von Srebrencia-OpfernBild: AP

"Der niederländische Staat ist verantwortlich für den Tod dreier Muslime nach dem Fall von Srebrenica", erklärte das Gericht am Dienstag (05.07.2011) in Den Haag. Damit hoben die Richter ein früheres Urteil eines Haager Zivilgerichts auf. Die niederländische UN-Truppe Dutchbat, die 1995 mit dem Schutz der UN-Enklave im Osten Bosniens beauftragt war, "hätte diese Menschen nicht den Serben ausliefern sollen", erklärten die Richter.

Die niederländische Regierung muss den Angehörigen der drei Opfer dem Urteil zufolge nun Entschädigung zahlen. Die Höhe des Schadenersatzes ist noch offen. Der Staat kann gegen das Urteil Berufung beim höchsten niederländischen Gericht einlegen. Die drei getöteten Muslime waren Angestellte der niederländischen Dutchbat-Einheit in Srbrenica beziehungsweise deren Angehörige.

Ein Archivbild zeigt niederländische Soldaten mit geflüchteten Muslimen aus SrebrenicaBild: dpa

Niederländische UN-Friedenstruppen waren im Juli 1995 zuständig für das als "Sicherheitszone" ausgewiesene Gebiet Srebrenica, als dort 8000 muslimische Männer und Jungen von serbischen Militärs ermordet wurden. Die Blauhelmsoldaten sollten das Gebiet bewachen, zogen sich aber nach Angriffsdrohungen der übermächtigen bosnisch-serbischen Streitkräfte zurück. Das Blutbad in der bosnischen Enklave gilt als schlimmstes Massaker in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Niederlande bestritten bisher Verantwortung

In früheren Prozessen zu dem Massaker hatte die niederländische Regierung immer betont, ihre Truppen seien von den Vereinten Nationen wegen fehlender Luftunterstützung im Stich gelassen worden. Die aktuelle Klage war von Überlebenden und Angehörigen der Opfer des Massakers angestrengt worden.

Im September 2008 waren die Klägerfamilien mit ihrem Anliegen vor dem Den Haager Landgericht gescheitert. Dieses hatte geurteilt, dass der niederländische Staat nicht für den Einsatz seiner Truppen zur Rechenschaft gezogen werden könne, da die Soldaten für die Vereinten Nationen im Einsatz gewesen seien.

Nach dem nun erfolgten Urteil des Berufungsgerichts sprach die Anwältin der Kläger, Liesbeth Zegveld, von einem "mutigen Urteil". Die Richter wiesen allerdings darauf hin, das Urteil gelte nur für den konkreten Fall und nicht für die Situation der Tausenden anderen Muslime in der Srebrenica-Region. Beobachter schlossen dennoch nicht aus, dass nun weitere Opfer-Angehörige die Niederlande auf Entschädigung verklagen.

Mladic brüllt vor Gericht

Ratko Mladic muss sich in Den Haag verantwortenBild: AP

Im Zusammenhang mit dem Massaker von Srebrenica muss sich derzeit auch der bosnisch-serbische Ex-General Ratko Mladic vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag verantworten. Bei seiner zweiten Anhörung sorgte Mladic am Montag für einen Eklat. Mladic brüllte mehrfach die Richter an, widersetzte sich ihren Anweisungen und weigerte sich, zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Entgegen seiner Ankündigung war der 69-Jährige doch zur Verhandlung erschienen und störte den Vorsitzenden Richter Alphons Orie bei der Verlesung der Anklageschrift. Dieser ließ Mladic schließlich aus dem Gerichtssaal entfernen. Nach einer Unterbrechung nahm Orie die Anhörung wieder auf und plädierte stellvertretend für Mladic auf nicht schuldig.

Der Ex-Serbengeneral ist wegen Kriegsverbrechen und Völkermordes angeklagt. Die Anklage umfasst elf Punkte, neben dem Massaker von Srebrenica gehört dazu auch die Blockade Sarajevos, bei der etwa 12.000 Menschen getötet wurden. Mladic war im Mai nach 16 Jahren auf der Flucht gefasst worden. Bei einer Verurteilung droht ihm bis zu lebenslange Haft.

Autor: Reinhard Kleber (afp, rtr, dapd, epd)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot/Ursula Kissel

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