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Gerichtstermin in Pjöngjang

Julian Ryall/ tko11. September 2014

Nordkoreas Schauprozesse gegen US-Bürger dienen vor allem der Propaganda, kritisieren westliche Beobachter. Auch bei den aktuell in Nordkorea inhaftierten Amerikanern verfolgt das Regime eine altbekannte Strategie.

Flagge Fahne Nordkorea
Bild: AFP/Getty Images

Wenn Matthew Miller am Sonntag (14.09.) den Gerichtssaal in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang betritt, wird er wohl spätestens wissen, warum ihm der Prozess gemacht wird und was man ihm vorwirft.

Als er Anfang September in einem Hotel in Pjöngjang vom US-amerikanischen Nachrichtensender CNN interviewt wurde, hatte der 24-jährige aus dem kalifornischen Bakersfield seine Lage als "sehr akut" geschildert und an die Hilfe der US-Behörden appelliert. Er war im April von nordkoreanischen Grenzbeamten verhaftet worden, nachdem er sein Touristenvisum zerrissen und um Asyl in Nordkorea gebeten hatte.

Miller ist einer von drei US-Bürgern, die zur Zeit in Nordkorea festgehalten werden. Kenneth Bae wurde im April 2013 schuldig gesprochen. Vorwurf: "feindliche Akte gegen die Republik" und der "Versuch, die Regierung zu stürzen". Bae wurde zu 15 Jahren schwerer Zwangsarbeit in einem Gefangenenlager außerhalb von Pjöngjang verurteilt. Der 46-Jährige leidet unter Diabetes, Bluthochdruck und Rückenschmerzen und wird aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands immer wieder medizinisch behandelt. Seine Familie bemüht sich um seine Freilassung.

Zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt: Kenneth BaeBild: AP

Bitte um Freilassung

Auch die Angehörigen von Jeffrey Fowle aus dem US-Bundesstaat Ohio haben an die Machthaber in Pjöngjang appelliert, ihren 56-jährigen Verwandten freizulassen. Er wurde verhaftet, weil er eine Bibel in seinem Hotel zurückgelassen haben soll. Fowle wartet auf seinen Prozess, ist sich aber ebenfalls im Unklaren über die konkreten Aklagepunkte gegen ihn.

Nach Einschätzung von Nordkorea-Experten sind die Vorwürfe vor allem eine Machtdemonstration des Regimes in Pjöngjang. "Die Führung strebt direkte Gespräche mit der US-Regierung an und ist bereit dafür alles zu tun", erklärt Toshimitsu Shigemura von der Tokioter Waseda University im Gespräch mit der DW. "Sie sehnt sich nach internationaler Anerkennung, und die bekommt sie, so glaubt Pjöngjang, dadurch, dass sie die USA an den Verhandlungstisch zwingt."

Führende US-Diplomaten und sogar die früheren US-Präsidenten Bill Clinton und Jimmy Carter sind in humanitären Missionen nach Pjöngjang gereist, um inhaftierte US-Bürger freizubekommen. Dabei verlange das Regime bereits im Vorfeld Geld, so Nordkorea-Experte Shigemura, damit die Verhandlungen über eine Freilassung überhaupt aufgenommen werden.

Ex-Präsident Jimmy Carter (Mitte) im August 2010 mit dem freigelassenen US-Bürger Aijalon Gomes (re.) in PjöngjangBild: AP

"Das Vorgehen ist immer gleich", sagt er. "Sie zwingen diese Delegationen dazu möglichst lange in Pjöngjang zu bleiben, um sie zur Zahlung möglichst großer Summen zu bewegen. Dann fordern sie Geld, mit dem die Gefangenen freigekauft werden können."

Innerkoreanische Propaganda

Diese Verhandlungen nutzt das Regime, genau wie die eventuelle Freilassung der US-Amerikaner, als innenpolitische Propaganda, erklärt Shigemura, um zu demonstrieren, dass Nordkorea seinen mächtigen Feind gezwungen hat, sich den Bedingungen Pjöngjangs zu beugen.

Über die Haftbedingungen der US-Bürger gibt es kaum Informationen, aber die Erfahrungen von Robert Park, die dieser während seiner anderthalbmonatigen Haft nach seiner Gefangennahme am 25. Dezember 2009 gemacht hat, geben einen Eindruck über das Leben in Nordkoreas Gefängnissen.

"Es ist schwierig für mich über das zu sprechen, was in Nordkorea geschehen ist. Ich wurde nachprüfbar misshandelt, und mir wurden irreparable Schäden durch das Regime zugefügt", so Park im Gespräch mit der Deutschen Welle.

"Es ist für mich heute so gut wie unmöglich, darüber zu reden. Es geht um mein Überleben, seit bei mir nach mehreren Krankenhausaufenthalten post-traumatischer Stress diagnostiziert wurde. Auch vier Jahre nach den Ereignissen kämpfe ich noch immer darum, wieder gesund zu werden."

Als Menschenrechtsaktivist und Gründer der "Worldwide Coalition to Stop Genocide in North Korea" hatte Park immer wieder öffentlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Nordkorea angeprangert. Um seine Anschuldigungen zu unterstreichen, überquerte er vom chinesischen Ufer aus den zugefrorenen Grenzfluss Tumen. Im Gepäck hatte Park eine Bibel und einen Brief an Kim Jong-Il, in dem er von dem damaligen Staatschef die Schließung der nordkoreanischen Arbeitslager und die Freilassung der dort geschätzten 200.000 Inhaftierten forderte.

Überraschungsmoment für das Regime

"Ich habe das Regime komplett auf dem falschen Fuß erwischt und eine Region Nordkoreas betreten, die noch nie ein Tourist oder Ausländer gesehen hatte", erzählt Park. "Meine Aktion war eine legitime Antwort auf massenhafte Gräueltaten, auf einen regelrechten Völkermord, der nach internationalem Recht zwingend unsere sofortige Intervention verlangt."

Nach Parks Angaben wurde er während seiner Haft in Nordkorea körperlich misshandelt und sexuell missbraucht. Die Misshandlungen waren so schwer, dass er zwei Mal nach seiner Freilassung versuchte, sich das Leben zu nehmen und in einer psychiatrischen Klinik in Kalifornien untergebracht wurde. Vor einem US-Gericht hat er einen Prozess gegen Nordkorea angestrengt. Grundlage ist der amerikanische "Torture Victims Protection Act", der es möglich macht, gegen im Ausland erlittene Folter in den USA zu klagen.

Ganz gleich, was die Gründe für die Verhaftung von Bae, Miller und Fowle sein mögen - Park rechnet damit, das die Regierung unter Kim Jong Un alles unternimmt, um Washington dazu zu bringen, für ihre Freilassung zu zahlen.

Propaganda mit inhaftierten US-Bürgern: Machthaber Kim Jong-unBild: picture-alliance/abaca

"Ich vermute, das Regime ist entschlossen, die drei Amerikaner als Puffer gegen den zunehmenden Druck zu nutzen, der durch den Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen über die Menschrechtssituation in Nordkorea entstanden ist. Man wird aus diesen drei Fällen so viel herauspressen wie möglich und sie propagandistisch nutzen."

'Nicht politisch motiviert'

Pjöngjang weist politische Motive hinter den Prozessen gegen die Amerikaner zurück. "Es handelt sich um Gerichtsverfahren gegen Personen, die gegen nordkoreanische Gesetze verstoßen haben", unterstreicht Kim Myong-chol, der stellvertretende Leiter des "Centre for North Korea-US Peace" gegenüber der DW. Der Thinktank ist als Sprachrohr des Regimes bekannt. "Für die USA mögen die Verfahren politisch motiviert sein, aber das ist nicht der Fall", fügt er hinzu. "Falls sie schuldig gesprochen werden, werden sie ihre Haftzeit in einem Gefängnis ableisten. Aber falls ein hochrangiger US-Vertreter nach Pjöngjang kommt und um ihre Freilassung bittet, ist es auch möglich, dass das geschieht."

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