Burgen sind beliebt. Aber ihre genaue Zahl ist unbekannt, die Bundesländer führen eigene Statistiken. Ein Verein erfasst daher Deutschlands Burgen mit einer
wissenschaftlichen Datenbank - eine wahre Fundgrube.
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Wie viele Burgen hat Deutschland? Wo steht der höchste Bergfried? Welche ist die älteste Burg? Niemand weiß es ganz genau - noch nicht. Das Europäische Burgen-Institut (EBI) will das ändern. Das EBI ist der wissenschaftliche Arm des Vereins Deutsche Burgenvereinigung (DBV) mit Sitz auf der Philippsburg unweit der einzigen unzerstörten Höhenburg am Mittelrhein, der Marksburg.
Die Daten mittelalterlicher Wehrbauten werden in Braubach bei Koblenz in der frei zugänglichen Internet-Datenbank EBIDAT erfasst. "Die bekannten Burgen in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen im Saarland sind schon vollständig erfasst", sagt EBI-Leiter Reinhard Friedrich. "Auch in Niedersachsen sind wir fast fertig." Wegen der langwierigen Finanzierung und des begrenzten Personals werde es aber wohl noch zehn Jahre dauern, bis alle bekannten Burgen in Deutschland gezählt seien. Schätzungen gehen von 25.000 aus. Laut Friedrich könnten es aber auch mehr sein.Mittelalterliche Burgen sind als Ausflugsziele, Hochzeitsstätten, Hotels und Restaurants beliebt. Erinnerungen an Märchen und Kindheit steigen auf. Als Kulturzeugnisse fallen Burgen in die Hoheit der Bundesländer. Diese führen eigene digitale Statistiken. DBV-Ehrenpräsident Alexander Fürst zu Sayn Wittgenstein-Sayn sagt zur Datenbank EBIDAT: "Unser Vorteil war, dass wir uns gleich bundesweit ausgerichtet hatten und damit konzeptionell überlegen waren."
Deutschlands schönste Burgen
Zehntausende Burgen entstanden im Mittelalter im deutschen Sprachraum. Den Erbauern sollten sie Schutz bieten und ihre Macht sichern. Die Burgen, die die Jahrhunderte überdauerten, sind heute beliebte Sehenswürdigkeiten.
Bild: picture-alliance
Marksburg
Bis heute unversehrt ist die wahrscheinlich im frühen 12. Jahrhundert erbaute Marksburg oberhalb der Stadt Braubach. Das macht sie zur einzigen Höhenburg am Mittelrhein, die nie zerstört wurde. Das Obere Mittelrheintal gehört seit 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Durchschnittlich gab es hier alle 2,5 Kilometer eine Burg.
Bild: picture-alliance/J. Feuerer
Wartburg
Sie ist wohl die wichtigste deutsche Burg. Um 1067 oberhalb der thüringischen Stadt Eisenach erbaut, bot sie 1521/22 dem vom Kaiser gebannten Reformator Martin Luther Zuflucht. Hier übersetzte er das Neue Testament ins Deutsche. Schon 1206 soll die Wartburg Schauplatz des sagenhaften Sängerkrieges gewesen sein - Motiv für Richard Wagners Oper Tannhäuser. Seit 1999 ist sie UNESCO-Weltkulturerbe.
Bild: Fotolia
Nürnberger Burg
Die Nürnberger Burg war im Mittelalter eine bedeutende Kaiserpfalz. Über Jahrhunderte hinweg hielten sich hier die Kaiser und Könige des Heiligen Römischen Reiches auf. Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört wurde sie danach wieder in historischer Form aufgebaut.
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Burg Eltz
Ihre Abbildung auf der Rückseite der 500-DM-Banknote machte sie zu einer der bekanntesten deutschen Burgen. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts in spektakulärer Lage auf einem 70 Meter hohen Felskopf errichtet kann die im Bundesland Rheinland-Pfalz liegende Burg Eltz bis heute besichtigt werden.
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Burg zu Burghausen
Sie ist die längste Burg der Welt - so steht es im Guiness-Buch der Rekorde. 1051 Meter lang ist die Anlage oberhalb der gleichnamigen Stadt Burghausen im oberbayerischen Voralpenland. Vor 1025 erbaut war sie Residenz der Wittelsbacher.
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Burg Rheinstein
Auch die Burg Rheinstein liegt im Oberen Mittelrheintal. Erstmals erwähnt wurde sie 1323. Auf Veranlassung des Baumeisters Karl Friedrich Schinkel kaufte Friedrich von Preußen 1823 die Ende des 16. Jahrhunderts verfallene Burg. Im Zuge der Romantik wurde sie als erste Rheinburg wieder aufgebaut.
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Reichsburg Cochem
Die größte Höhenburg an der Mosel ist zugleich das Wahrzeichen der Stadt Cochem. Errichtet wurde sie wahrscheinlich um 1100. Im 17. Jahrhundert wurde sie zerstört. Dann kaufte sie der Berliner Unternehmer Louis Ravené für 300 Goldmark und baute sie um 1877 im neugotischen Stil wieder auf, ganz nach der romantischen Vorstellung einer Ritterburg.
Bild: picture-alliance/dpa/G. Hellier
Burg Altena
1914 eröffnete hier der Lehrer Richard Schirrmann die erste ständige Jugendherberge der Welt. Über 800 Jahre alt ist die Burg Altena in Nordrhein-Westfalen. Über die Jahrhunderte verfallen wurde sie bis 1918 wieder aufgebaut.
Bild: ullstein bild - Imagebroker.net
Burg Satzvey
Eine der besterhaltenen Wasserburgen Deutschlands steht ebenfalls in Nordrhein-Westfalen: Die Burg Satzvey. Ihre Ursprünge gehen zurück ins 12. Jahrhundert. Schwer zu überwindende Wassergräben sollten sie schützen. Im Flachland war dies die Alternative zur Höhenlage der meisten mittelalterlichen Burgen.
Bild: picture alliance/Horst Ossinger
Burg Meersburg
Sie gilt als die älteste bewohnte Burg Deutschlands: Die Meersburg am Bodensee. Erbaut wurde sie bereits im 7. Jahrhundert. Die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff verbrachte hier ihre letzten Lebensjahre. 1848 starb sie auf der Burg.
Bild: picture-alliance/dpa
Burg Hohenzollern
Ihr märchenhaftes Erscheinen im Wolkenmeer auf diesem Foto verdankt die Burg Hohenzollern einer Inversionswetterlage. Sie liegt auf dem 855 Meter hohen Hohenzollern in Baden-Württemberg. Die Herrscher von Preußen ließen die Stammburg ihrer Ahnen ab 1850 im Idealbild einer mittelalterlichen Burg wieder erstehen. Die Hohenzollern stellten von 1871 bis 1918 die deutschen Kaiser.
Bild: picture-alliance/dpa
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Zwar gibt es längst andere deutschlandweite Burgenlisten im Internet. Laut EBI-Chef Friedrich werden sie auch oft mit viel Herzblut erstellt. Aber es fehle ihnen die flächendeckende wissenschaftliche Basis. Bei EBIDAT dagegen erfassen nach seinen Worten fachlich geschulte Bearbeiter mit einem Formblatt zahlreiche Daten zu jeder Burg. Sie müssen diese Wehrbauten auch von meist später gebauten Schlössern und Festungen abgrenzen.
Weltweit größte Burgen-Fachbibliothek
In der Philippsburg, dem Sitz des EBI in Braubach nahe dem Rhein, durchläuft alles eine kritische Schlussredaktion. Ihr Historiker Jens Friedhoff erklärt: "Wir überprüfen die Fachliteratur zu den Burgen. Wir wollen auch eine einheitliche Linie bei den Einträgen bekommen."Hilfreich ist in der Philippsburg dafür die laut Friedrich vermutlich weltweit größte Burgenfachbibliothek mit fast 40 000 Bänden. Ort, Datierung, Burgentyp, Funktion, Besitz- und Baugeschichte, Bausubstanz, Grundriss, Fotos, heutige Nutzung, Zugänglichkeit, Öffnungszeiten, wissenschaftliche Nachweise - all dies erfassen Experten wie zum Beispiel Doktoranden der Geschichte und Archäologie. Sie knöpfen sich einen Landkreis nach dem anderen vor.
Zahlreiche Burgen in EBIDAT sind längst "abgegangen", wie die Experten sagen - also verschwunden. In Literatur und Quellen finden sich aber noch Belege. Ein Beispiel ist laut Friedrich die Burg Worringen bei Köln, die 1288 eine Schlacht ausgelöst und noch im selben Jahr ihre Zerstörung erlebt hat. Heute ist nicht einmal ihr genauer Standort bekannt.
Europas schönste Burgen
Das Mittelalter lässt grüßen! Zum Markenzeichen dieser Epoche wurden die wehrhaften Bauwerke mit Zugbrücken, Zinnen und Türmen in ganz Europa. Sie erzählen auch noch als Ruinen bewegende Geschichten.
Bild: Getty Images/M.Cardy
Tintagel Castle, Großbritannien
Viel ist nicht mehr zu sehen vom ehemals hochherrschaftlichen Tintagel Castle. Doch wenn die Brandung bei Dämmerung an der Felszunge an der Westküste von Cornwall bricht und die Burgruine Wind und Wetter trotzt, scheinen die stolzen Ritter der Tafelrunde um König Artus nicht weit. Der Legende nach soll Artus an dieser Stelle geboren sein.
Bild: picture alliance/A.Woolfitt
Tower, Großbritannien
Der Tower of London wurde 1066 von Wilhelm dem Eroberer gebaut und diente unter anderem als Residenz und Gefängnis. Höhepunkt eines Besuchs ist die Schatzkammer. Auf Rollbändern werden Besucher an den Kronjuwelen vorbeigeschoben. Die Imperial State Crown, die Dienstkrone der Queen, verlässt am häufigsten den Hochsicherheitstrakt. Dann finden Touristen an ihrem Platz nur ein Schild vor: "in use".
Bild: picture-alliance/dpa/A. Rain
Engelsburg, Italien
Ihre wohl berühmteste Stunde hatte die Engelsburg, als sich bei der Plünderung Roms durch deutsche Landsknechte 1527 Papst Clemens VII. dort verschanzte. Tausend Jahre hindurch war sie jedoch vor allem Verlies für Aufständische, missliebige Kardinäle und gewöhnliche Kriminelle. Ursprünglich war der Koloss an der Flussbiegung des Tibers das Grabmonument Kaiser Hadrians (117-138).
Bild: Getty Images/AFP/M.Laporta
Wurmloch, Rumänien
Die Kirchenburg in Valea Viilor gehört seit 1993 zum Weltkulturerbe. Seit dem Mittelalter nutzten die Dorfbewohner solche Kirchenburgen als Rückzugs- und Verteidigungsbau gegen kriegerische Angriffe und Überfälle. Die Kirche war meist der einzige Steinbau im Ort und somit auch eine sichere Burg.
Bild: picture alliance/Arco Images
Burg Fleckenstein, Frankreich
Im Elsass, an der deutsch-französischen Grenze errichteten die Adelsfamilie Fleckenstein ihren Stammsitz - auf einem stellenweise nur 6 Meter schmalen und 30 Meter hohen Felsen aus Buntsandstein. Schwindelfrei sollte allerdings sein, wer die obersten Etagen bezwingen will. Von dort schweift der Blick weit hinüber zu Vogesen und Pfälzerwald - und hin zu weiteren Felsenburgen der Region.
Bild: picture alliance/Dumont
Burg Elbogen, Tschechien
Johann Wolfgang von Goethe machte nicht weniger als zehn Mal hier Station. Am 28. August 1823 feierte er auf der Burg seinen 74. Geburtstag, gemeinsam mit der Familie seiner 55 Jahre jüngeren Angebeteten Ulrike von Levetzow. Kurz darauf holte er sich mit seinem Heiratsantrag einen Korb. Enttäuscht kehrte er Böhmen für immer den Rücken - und verfasste noch in der Kutsche seine "Marienbader Elegie".
Bild: picture alliance/dpa
Burg Eltz, Deutschland
Im 12. Jahrhunderts in spektakulärer Lage auf einem 70 Meter hohen Felskopf errichtet kann die Burg in Rheinland-Pfalz heute besichtigt werden. Jede Linie des Adelsgeschlechtes von Eltz baute im Laufe der Jahrhunderte im engen Burgbereich ihr eigenes Anwesen aus. So kam es zu der dichten Bebauung mit einer Vielzahl von Türmchen, Erkern und anderen Elementen.
Bild: picture alliance/M. Norz
Burghausen, Deutschland
Mit einer Ausdehnung von mehr als 1000 Metern Länge gilt die Burg als eine der längsten Burgen der Welt, laut Guinness-Buch sogar als längste überhaupt. Die bayerischen Herzöge verwahrten hinter den dicken Mauern auch ihren Gold- und Silberschatz. Das mächtige Bollwerk hoch über dem Wöhrsee und der Salzach galt einst als die stärkste Festung in Bayern.
Bild: picture alliance/Arco Images
Wawel, Polen
500 Jahre lang lenkten von Krakau aus die polnischen Könige die Geschicke des Landes. Doppelt so lange wurde an dem Wawel gebaut - die ersten steinernen Bauten stammen aus dem 10. Jahrhundert und der jüngste Umbau aus dem 20. Jahrhundert. Macht zusammen also ein Jahrtausend Bauzeit. Besucher des Wawels in Krakau können 1000 Jahre polnischer Geschichte besichtigen.
Bild: picture alliance/Arco Images
Wartburg, Deutschland
Erstmals erwähnt wurde die heutige Unesco-Welterbestätte 1080 vom Merseburger Bischof Bruno. 1206 soll auf der Burg der sagenumwobene Sängerkrieg stattgefunden haben, von dem Wagners "Tannhäuser" erzählt. Auch die heilige Elisabeth wirkte auf der Wartburg. Reformator Martin Luther übersetzte hier inkognito als "Junker Jörg" das Neue Testament - in der heutigen Lutherstube.
Bild: picture-alliance/Chromorange/ M. Wirth
Burg Hohenzollern
Gebaut auf einem 855 Meter hohen Berg der Schwäbischen Alb zählt der Stammsitz der Hohenzollern zu den schönsten und meist besuchten Burgen Europas. Höhepunkt einer Besichtigung ist die Schatzkammer mit der preußischen Königskrone und Ausstellungsstücken zu Friedrich dem Großen. Die Hohenzollern stellten von 1871 bis 1918 die deutschen Kaiser.
Bild: picture alliance/dpa/T. Warnack
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Der EBI-Chef schätzt, dass bundesweit 20 Prozent der Burgen noch "unter Dach" sind und 40 Prozent als Ruinen überlebt haben. Die restlichen 40 Prozent seien nur als «Bodendenkmal» in ihren Fundamenten erhalten - oder verschwunden. Der Historiker Friedhoff erläutert: "Oft war die Unterhaltung zu teuer. Viele Burgen sind aufgegeben oder auf Abbruch versteigert worden." EBI-Leiter Friedrich sagt zu EBIDAT: "In Hessen fehlen uns nur noch sechs Landkreise. Auch Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Thüringen nehmen wir uns jetzt vor." Geld dafür stammt zum Beispiel von Stiftungen und aus dem EU-Kulturprogramm. "Pro Landkreis reichen etwa 2000 bis 5000 Euro", erklärt der Archäologe.
Burgen-Lexikon in Arbeit
Inzwischen finden sich auch Burgen acht anderer Staaten in EBIDAT. Das sind die Niederlande, Österreich, Ungarn, Tschechien, Dänemark, Lettland, Finnland und die Slowakei. Sayn-Wittgenstein-Sayn spricht von der "führenden Burgendatenbank in Europa". Laut Friedrich präsentiert sie derzeit Beschreibungen von rund 5000 Burgen im Netz, verknüpft mit der Vogelperspektive der Software Google Earth. Im Laufe des Jahres 2018 soll auch ein Burgenlexikon in die Datenbank integriert werden, damit sich Fachbegriffe nachschlagen lassen.
Der Verein Deutsche Burgenvereinigung zählt fast 3000 Mitglieder. Der Architekt und Burgenforscher Bodo Ebhardt hat die Burgenvereinigung 1899 aus der Taufe gehoben. Damit ist sie die älteste überregionale private Denkmalschutz-Initiative in Deutschland.