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Geschichte der Menschheit im Zeitraffer

22. November 2016

Ist der Mensch wirklich die Krone der Schöpfung? Die Bundeskunsthalle in Bonn stellt das in ihrer neuen Ausstellung in Frage. Und erzählt 100.000 Jahre Evolution vom prähistorischen Feuerstein bis zur Playstation.

Ausstellung Eine kurze Geschichte der Menschheit
Bild: B. Connor

Die Idee zu der Ausstellung gab ein Buch: der Bestseller des israelischen Autors Yuval Noah Harari "Eine kurze Geschichte der Menschheit. 100.000 Jahre Kulturgeschichte". Der Historiker unternimmt darin einen eigentlich unmöglichen Rundumschlag. Er erzählt, was sich seit dem Urknall vor 13,5 Millionen Jahren bis heute auf dem Planeten Erde getan hat. Auch die gleichnamige Ausstellung in der Bundeskunsthalle beginnt mit der Entstehung des Universums. Da es davon bekanntlich keine Bilder gibt, illustrieren Künstler den Start allen Lebens auf der Erde. Eine Videoinstallation von Michal Rovner, einer israelischen Multimedia-Künstlerin, nennt sich "Data Zone". Sie zeigt in Petri-Schalen "Kulturen", die wie Bakterien oder Chromosomen wimmeln. Es sind Gruppen von Menschen, die von oben gefilmt und dann verfremdet wurden. Makro- und Mikrokosmos fließen ineinander, die Figuren sind als solche nicht zu erkennen.

Fossil der Neuzeit: Ein Playstation-Controller wie ihn vielleicht Forscher in der Zukunft vorfinden könntenBild: C. Locke

Geht die Sonne auf - oder unter?

In dem Raum ist auch ein Sonnenuntergang zu sehen - auch das eine Kunstinstallation. Der Videokünstler Paul Pfeifer hat dafür die Zeit aus den Angeln gehoben und Nacht und Tag ineinandermontiert. Ist es ein Sonnenuntergang, der hier zu sehen ist? Oder handelt es sich um den Aufgang der Sonne? Im Film bewegt sich die Horizontlinie der Erde langsam von oben nach unten, verschwindet im unteren Bildrand und kommt dann wieder von oben ins Bild zurück – die Sonne hingegen bewegt sich nicht. Sie steht fest in der Mitte des Bildes. Damit sind wir mitten in einer Ausstellung, die nicht nur die Geschichte der Menschheit erzählen will, sondern auch mit Hilfe von Kunst-Exponaten zentrale Fragen aufwirft: Was ist Wirklichkeit? Was ist Wahrheit? Was ist Illusion?

Feuermachen als Überlegenheit des Menschen

Wie in einem Buch schlägt die Ausstellung drei Kapitel auf und hangelt sich so durch die Jahrtausende. Am Anfang war die Kognitive Revolution: der Gebrauch von Sprache und Kommunikation. Sie versetzte den Homo Sapiens in die Lage zu überleben und Gemeinschaften zu bilden. Das Feuer war ein erster Wendepunkt, um sich an die oberste Spitze der Nahrungskette zu setzen. Licht, Wärme und die Zubereitung von Nahrung gehörten dazu. Die soziale Komponente des Feuers förderte die Entstehung von Gemeinschaften. Die älteste Feuerstelle ist übrigens 1,5 Millionen Jahre alt und wurde in Ostafrika gefunden.

Auch wenn die Ausstellung chronologisch vorgeht, gibt es immer wieder durch Kunstwerke Querverweise in die Gegenwart. Man sieht Feuersteine und daneben eine Videoarbeit: ein Fernseher, auf dem ein Lagerfeuer flackert. Der Titel der Arbeit des niederländischen Künstlers Jan Dibbets: "TV as a fireplace", der Fernseher als Feuerstelle. Waren es früher die Höhlenmenschen, so versammeln sich heute die Menschen um den Fernseher wie um ein wärmendes Feuer, um Gemeinschaft zu finden, so die These. Doch auch die Kehrseite wird beleuchtet: Wo Feuer ist, kann auch Zerstörung sein. Jedes Kapitel zeigt Vor- und Nachteile von Evolution und Fortschrittsglauben. Überleben und Aussterben sind untrennbar miteinander verbunden.

Der Schädel des Homo Sapiens - ein Exponat in der Bonner AusstellungBild: The Israel Museum Jerusalem

Auf den Homo Sapiens folgt der Neandertaler

Zu Beginn der landwirtschaftlichen Revolution hatte der Homo Sapiens längst alle großen Säugetiere auf der Erde ausgerottet. In der Ausstellung symbolisiert ein ausgestopfter Eisbär auf einer Transportkiste den Zerstörungseifer des Menschen - eine Skulptur von Mark Dion, die auf die Vertreibung des Bären aus seinem natürlichen Umfeld verweisen soll. Faustkeil, Gutenberg-Bibel, Feuersteine, Schriftrollen oder Häusermodelle sollen in Kombination mit zeitgenössischer Kunst die Reflexion und die Fantasie des Betrachters anregen: Wo komme ich her? Wo geht die Reise hin? Wer überlebt und wer geht unter?

Kunstwerke neben prähistorischen Zeugnissen

Mit diesen Fragen im Gepäck geht es vorbei an prähistorischen Zeugnissen über die landwirtschaftliche Revolution bis in die Gegenwart: zur wissenschaftlichen Revolution, die nicht immer nur Fortschritt bringt - wie die Ausstellung suggeriert. Eine Videowand zeigt in schwarz-weiß Atombombentests auf dem Bikiniatoll. Eine künstlerische Arbeit des Amerikaners Bruce Conner von 2008.

Hararis Zitate, die wie Anklagen an den Wänden zu lesen sind, stimmen den Besucher eher kulturpessimistisch ein: "Es gibt keine unabhängigen Länder oder authentischen Kulturen mehr", heißt es, oder: "Geld ist die einzige Sache in der Welt, der jeder traut". Die Kulturgeschichte verläuft nicht linear. Auch das will die Ausstellung verdeutlichen: Was folgt auf die wissenschaftliche Revolution? Das ewige Leben? Eine noch intelligentere Gattung? Das Leben auf dem Mars? Der alte Indianerspruch taucht in Gedanken auf: "Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gegessen ist, werdet Ihr feststellen, dass man die Welt nicht essen kann."

Die antike Welt auf einer Landkarte von 1571Bild: The Israel Museum Jerusalem/I. Sztulman

"Waren Tiere die Hauptopfer der Geschichte?

Die Ausstellung in ihrem Dialog aus Kunst, Kultur und Wissenschaft zeigt assoziativ Entwicklungslinien der letzten 100.000 Jahre auf. Die wichtigsten Exponate der Schau stammen aus dem Israel Museum in Jerusalem. Dort wurde die Ausstellung "Eine kurze Geschichte der Menschheit" zum 50. Jubiläum des Museums entwickelt. Die israelische Kuratorin Tania Coen-Uzielli ist auch in Bonn für die Auswahl der Objekte zuständig. Ihre Idee war es auch, das Buch des israelischen Erfolgsautors Harari als Ausstellung aufzubereiten. Wer tiefer in die Kulturgeschichte der Menschheit eintauchen möchte, sollte sich lieber das Buch von Harari vornehmen. Die Ausstellung bleibt da eher an der Oberfläche.

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