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Geschlechtertrennung in Jerusalemer Bus

9. September 2010

In sogenannten "koscheren" Bussen sollen Frauen in Israel hinten sitzen – so wollen es ultraorthodoxe Rabbiner. Doch so manche Mitfahrerin wehrt sich gegen die religiöse Regel und wird dafür sogar verprügelt.

Ultraorthodoxe Juden im Bus (Foto: DW)
Ultraorthodoxe Fahrgäste in der Linie 2 in JerusalemBild: Katrin Matthaei

"Ich setze mich nach vorne, was du machst, ist mir egal", lachend steigt Zahava Fischer in den grünen Bus. Er fährt nach Ramat Shlomo im Norden Jerusalems, wo viele ultraorthodoxe Juden wohnen. Es ist ein sogenannter "koscherer" Bus, in den sich die resolute Mittfünfzigerin setzt. Das bedeutet: Männer sitzen vorn und Frauen hinten. Denn für die ultraorthodoxen Rabbis ist jeder noch so flüchtige Kontakt zwischen unverheirateten Männern und Frauen Ehebruch – auch im Bus.

Aber Zahava Fischer setzt sich über diese Regel hinweg und direkt hinter den Fahrer - obwohl sie selbst streng gläubig ist. Aber von den Ultraorthodoxen will sie sich ihre Rechte als Bürgerin nicht diktieren lassen: "Mein Rabbi sagt: Wer es nicht erträgt, dass sich Männer und Frauen in der Öffentlichkeit begegnen, der hat ein Problem und sollte dringend zum Arzt."

Einfluss Ultraorthodoxer wächst

Mutprobe "Vorne sitzen": Zavaha Fischer will sich nicht an die orthodoxen Regeln haltenBild: Katrin Matthaei

Mit dem Konflikt um die Busse hat der Streit zwischen Ultraorthodoxen und liberaleren Juden eine neue Dimension erreicht: Es ist der Beweis für das immense politische Gewicht der ultraorthodoxen Kräfte im Land. Schon heute besucht in Israel jedes vierte Kind eine Religionsschule. Dort lernt es alles über das Judentum - aber kaum etwas über Demokratie, Menschenrechte oder Gleichberechtigung.

Das sei die wahre Bedrohung für ihr Land, findet die israelische Filmemacherin Anat Zuria: "Wegen ihrer hohen Geburtenrate stellen die Ultraorthodoxen in zehn Jahren die Hälfte der Bevölkerung, und dann werden sie auch die Regierung stellen."

Klage beim Obersten Gerichtshof

Weil liberalere Juden wie Zahava Fischer gegen die "koscheren" Buslinien geklagt haben, liegt der Fall nun beim Obersten Gerichtshof. Der ringt seit drei Jahren um ein Urteil, im November soll es endlich gefällt werden. Bis dahin bleibt das Sitzen im hinteren Teil des Busses für weibliche Passagiere zwar freiwillig. Doch außer Zahava sitzen an diesem Tag alle Frauen hinten. Ihr lässt stattdessen ein ultraorthodoxer Mitfahrer durch den Busfahrer ausrichten, sie solle sich ebenfalls nach hinten begeben. Zahava ignoriert diesen Hinweis. Eine mutige Entscheidung, denn immer wieder werden Frauen wie sie im Bus verprügelt.

Geschlechtertrennung in der Synagoge

Die ultraorthodoxen Frauen selbst sind die ersten, die sich dem Druck ihrer Gemeinden beugen müssen, berichtete Zahaya. "In der Synagoge ist es doch auch so, die Geschlechtertrennung gab es schon immer", verteidigt das eine ultraorthodoxe Passagierin. Die Folge: Inzwischen sitzen auch alle anderen Mädchen und Frauen hinten. Aber jetzt hält der Bus, und Zahava ist erleichtert über das Ende ihrer Fahrt – und ihrer Mutprobe. Und dann lässt sie es sich nicht nehmen und steigt vor aller Augen vorne aus.

Autorin: Katrin Matthaei

Redaktion: Stephanie Gebert

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