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Getrennte Arbeit

Wulf Wilde16. August 2012

Eine Arbeitsstadt für Frauen - mit dieser Idee will die saudi-arabische Regierung die Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Für Kritiker konserviert die Idee aber die Geschlechtertrennung.

Die ersten Kandidatinen für die saudische Handwerkskammer. (Foto: AP)
Bild: AP

In der Provinz Hofuf, im Osten des Landes, soll die erste Arbeitsstadt für Frauen als Pilotprojekt entstehen - eine Art Gewerbegebiet mit bis zu 5.000 Arbeitsplätzen. Derzeit sind gerade einmal 15 Prozent der Erwerbstätigen in Saudi-Arabien Frauen. Doch seit etwa vier Jahren drängen verstärkt gut ausgebildete, weibliche Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt. Schon jetzt stellen sie mehr als 60 Prozent der Hochschulabgänger. Viele kehren mit Bachelor- und Magisterabschlüssen aus dem Ausland zurück, sind gebildet und hoch motiviert. Eine Arbeitsstelle finden die meisten jedoch nicht. Dass nun Arbeitsstädte für Frauen wirklich eine Lösung für das Problem der Unterbeschäftigung und Arbeitslosigkeit bieten, bezweifeln Experten.

Geschlechtertrennung behindert Zugang zum Arbeitsmarkt

"Es wäre vermutlich viel effektiver und effizienter, die Hürden und Barrieren für Frauen in der normalen Arbeitswelt abzubauen", sagt Christoph Wilcke von Human Rights Watch im Gespräch mit der Deutschen Welle. Zu diesen strukturellen Barrieren zählt er das traditionelle Vormundschaftssystem, nach dem Frauen die schriftliche Zustimmung eines männlichen Familienmitglieds benötigen, um eine Arbeit aufzunehmen. Zu den Hürden gehören aber auch das Fahrverbot für Frauen und das fehlende öffentliche Verkehrsnetz, und nicht zuletzt die strikte Geschlechtertrennung auch am Arbeitsplatz.

Auto fahren ist Frauen in Saudi-Arabien verbotenBild: AP

Auch Saudi-Arabien-Expertin Ulrike Freitag steht der Idee einer Arbeitsstadt für Frauen skeptisch gegenüber. "Meines Erachtens ist dies der Versuch, die bisherige Geschlechtertrennung, die es in Banken, Universitäten und Schulen gibt, jetzt in großem Maße auch für andere Arbeitsplätze umzusetzen und Ansätze für eine eher gemischte öffentliche Sphäre zu unterbinden", sagte die Direktorin des "Zentrums Moderner Orient" der Deutschen Welle. Gleichwohl würden diese Städte unter Umständen den Frauen neue Chancen eröffnen, die mit dieser Art von gemischter öffentlicher Sphäre nicht einverstanden sind.

Nicht nur die Männer fordern die Geschlechtertrennung

"Es sind oft die Frauen, die die Geschlechtertrennung einfordern. Es sind die Frauen, die sagen: 'Ich fühle mich nicht wohl mit Männern an einem Arbeitsplatz, für mich kommt nur ein Arbeitsplatz in Frage, wo Frauen unter sich sind'", berichtet die Nahost-Expertin Stephanie Doetzer im Gespräch mit der Deutschen Welle von ihren Erfahrungen als Journalistin beim arabischen Fernsehsender Al Jazeera in Katar. Frauen mit solch konservativen Einstellungen sieht Doetzer in Saudi-Arabien immer noch in der Mehrheit. Aus der Logik vieler Frauen in den Golfstaaten sei eine Arbeitsstadt, die weiblichen Mitarbeitern vorbehalten ist, daher durchaus sinnvoll.

Fast 30 Prozent der Frauen sind arbeitslosBild: picture alliance/dpa

Obwohl in Saudi-Arabiens Nachbarland Katar inzwischen sehr viele Frauen auch in einem gemischtgeschlechtlichen Umfeld arbeiten würden, bleibe dies weiter ein großes Thema. "Nicht alle Frauen sind damit zufrieden. Je mehr Frauen in Katar arbeiten, desto mehr entscheiden sich übrigens, einen Gesichtsschleier zu tragen. Das ist so eine Art tragbare Geschlechtertrennung, die in der Kleidung ihren Ausdruck findet", meint Doetzer.

Ein Platz im öffentlichen Leben

Das Weltbild zu kennen, sei ganz wichtig, um zu verstehen, wie eine Frau auf die Idee komme, "Frauentage im Supermarkt zu wollen, ein reines Frauenkino, einen eigenen Eingang im Krankenhaus oder bei irgendwelchen öffentlichen Ämtern, oder eine eigene Warteschlagen bei McDonald's", sagt Doetzer. "Das sind alles Dinge, die es in Saudi-Arabien gibt und die auch in einigen der Nachbarstaaten, wo das seltener ist, von manchen Frauen eingefordert werden - beispielsweise in Katar."

Geschlechtertrennung auch an den UniversitätenBild: picture-alliance/dpa

"Die Mehrheit der Frauen ist definitiv noch konservativ", bestätigt auch Islamwissenschaftlerin Freitag. "Aber es mehren sich eben auch die anderen Stimmen, und die sind sozial und vor allem wirtschaftlich einflussreich." So kritisierte die Stellvertretende Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer der saudi-arabischen Stadt Jeddah, Olfat Kabbani, umgehend die Pläne für die Frauen-Arbeitsstädte, wie der Blog "Saudiwomans's Weblog" berichtet. Es sei viel mehr notwendig, Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen, die rechtlichen Hindernisse abzubauen und Investoren zu ermutigen, Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen, sagte Kabbani der Zeitung "Okaz".

Auch andere Frauen forderten klar einen Platz im öffentlichen Leben ein, sagt Saudi-Arabien-Expertin Freitag, "nicht zuletzt auch deshalb, weil die saudi-arabische Jugend und die gebildeten Saudis sehr genau verfolgen, was im Kontext des arabischen Frühlings um sie herum passiert ist".

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