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Politik

"Geschlossene" Flüchtlingszentren in Griechenland

Jannis Papadimitriou
25. November 2019

Griechenlands Regierung kündigt einen härteren Kurs gegen Migranten und Flüchtlinge an. In Rekordzeit sollen neue Abschiebelager entstehen, Asylanträge werden deutlich schneller bearbeitet.

Lesbos Flüchtlingslager Moria 13
Bild: InfoMigrants/Aasim Saleem

Giorgos Stantzos kennt kein Pardon. Nach der Ankündigung der Athener Regierung, die hoffnungslos überfüllten Registrierungslager für Flüchtlinge in der östlichen Ägäis zu schließen und dafür neue, geschlossene Camps für mehrere Tausende Menschen zu errichten, droht der Bürgermeister der Insel Samos offen mit Konsequenzen: Der komplette Stadtrat werde zurücktreten, sollten die Regierenden tatsächlich auf ihren Plänen bestehen, mahnt Stantzos. Dabei hatte der einstige Sozialist den strengen Kurs der neuen konservativen Regierung ursprünglich mitgetragen. Was hat sich da geändert? Eigentlich nichts, erklärt Vizebürgermeister Giorgos Dionysiou im Gespräch mit der DW. Mit dem Vorschlag der Regierenden, geschlossene Camps zu errichten, sei man auf Samos grundsätzlich einverstanden. Allerdings: "Wir wehren uns dagegen, weiterhin 5.000 Neuankömmlinge beherbergen zu müssen; es ist an der Zeit, unsere Insel zu entlasten", fordert er.

Unweit vom Rathaus verharren Flüchtlinge und Migranten im Registrierungszentrum von Vathy unter erbärmlichen Umständen. Knapp 700 Menschen sollten in der ehemaligen Kaserne Platz finden, doch inzwischen sind es mehr als 5.000. Die meisten kommen aus Afghanistan, Irak oder Schwarzafrika. Das Camp platzt aus allen Nähten. Ganze Familien hausen in Notzelten, haben kaum Zugang zu Sanitäranlagen. Tagsüber treiben sich die Neuankömmlinge in den Einkaufsstraßen der Inselhauptstadt herum. Dort spricht man mittlerweile von einem zweiten Moria - in Anspielung auf das Flüchtlingselend im berüchtigten Camp von Moria auf der Nachbarinsel Lesbos. Vizebürgermeister Dionysiou sagt, es wäre doch besser, wenn die Neuankömmlinge nicht frei herumliefen, sondern unter Aufsicht in geschlossenen Camps stünden. "Sonst gerät die Sicherheit unserer Bürger - und letzten Endes auch der Neuankömmlinge - in Gefahr", gibt er zu bedenken.

Flüchtlinge auf Lesbos feiern am 14. November ihre Verlegung auf das FestlandBild: DW/D. Tosidis

"Sicherheit" als hohes Gut

"Die Menschen sollen sich wieder sicher fühlen"- das hört man immer wieder von der neuen konservativen Regierung. Damit konnte Regierungschef Mitsotakis bereits im Wahlkampf punkten. Die gute Nachricht lautet: Überfüllte Camps wie Moria auf Lesbos oder eben Vathy auf Samos sollen schließen. Dafür entstehen neue, geschlossene Camps auf den Inseln der östlichen Ägäis. Auch auf dem Festland sind laut griechischen Medienberichten mehrere Camps in Planung. Damit einher geht das Versprechen der neuen Regierung, dass Asylanträge schneller bearbeitet werden. Anders als heute üblich, sollen die Betroffenen nicht jahrelang in offenen Camps verharren, bis über ihre Asylanträge entschieden wird. Abgelehnte Asylbewerber würden in geschlossene Abschiebezentren geschickt und anschließend konsequent in das Nachbarland Türkei zurückgeschickt.

Details sind noch nicht bekannt. Vertreter von Amnesty International und UNHCR zeigen sich eher zurückhaltend. Zunächst einmal streitet die Athener Politik um den Sinn der neuen Flüchtlingspolitik. Geschlossene Camps würden keine Probleme lösen, sondern neue schaffen, moniert Kostas Arvanitis, EU-Parlamentarier der oppositionellen Linkspartei SYRIZA. Dabei geht es auch anders, glaubt der Linkspolitiker: "Unweit von meinem Ferienhaus in Lavrion bei Athen gibt es ein Camp für 290 Flüchtlinge. Diese Menschen sind täglich auf dem Markt unterwegs, ihre Kinder gehen zur Schule, wir haben keine Probleme damit", sagt Arvanitis der DW. Doch vielleicht sähe die Lage anders aus, wenn nicht 290, sondern mehrere Tausende in Lavrion unterwegs wären? Natürlich sei das überfüllte Lager von Moria kein Zustand, meint Arvanitis. Doch der Ansatz der neuen Regierung zeige nur, dass die Konservativen kein Konzept zur Bewältigung der Flüchtlingskrise hätten. Schließlich sei die Zahl der Neuankömmlinge nach dem Regierungswechsel in Athen nicht zurückgegangen; sie sei sogar gestiegen, klagt der Linkspolitiker.

Flüchtlingspolitik als "Problem Nr.1"

Dass will die konservative Politikerin Eliza Vozenberg nicht so stehen lassen. "Die steigende Zahl der Neuankömmlinge hat nichts mit der neuen Regierung zu tun, sondern mit der Tatsache, dass der türkische Präsident Recep Tayip Erdogan Flüchtlinge und Migranten in Richtung Europa ziehen lässt", sagt die Juristin der DW. Auch die linke Vorgängerregierung in Athen sei für den heutigen Zustand mitverantwortlich, weil sie eine Politik der offenen Tür verfolgt habe, meint Vozenberg. Doch nun sei es an der Zeit, die Sicherheit der Bürger in Griechenland zu einem Schwerpunkt der Flüchtlingspolitik zu machen - zumal die Flüchtlingszahlen weiter steigen. "In der letzten Woche haben wir in der östlichen Ägäis 400 Neuankömmlinge täglich registriert, wo soll das hinführen?" so die konservative EU-Abgeordnete.

Soll geschlossen werden. Das Flüchtlingslager Moria auf der Insel LesbosBild: Infomigrants/A. Jawad

Umfragewerte scheinen einen strengeren Flüchtlingskurs zu befürworten. Nach dem jüngsten Politbarometer der Athener Wochenzeitung To Vima glauben 33 Prozent der Befragten, die Flüchtlings- und Migrationspolitik sei derzeit "das Problem Nr. 1 in Griechenland". Nur 28 Prozent sehen die wirtschaftliche Situation des Landes als wichtigstes Problem; über die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit verzweifeln nur 14 Prozent der Befragten.

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