"Gesichert rechtsextrem" - kommt ein AfD-Verbotsverfahren?
7. Mai 2025
Für die AfD zeichnen sich wenige Tage nach Bekanntgabe ihrer Einstufung als "gesichert rechtsextrem" durch den deutschen Verfassungsschutz erste Konsequenzen ab: Zwei Parlamentarier der AfD dürfen den Europaminister des Bundeslandes Hessen nicht mehr auf einer Auslandsreise nach Serbien und Kroatien begleiten. Zur Begründung erklärte CDU-Landesminister Manfred Pentz, er könne es internationalen Gesprächspartnern "nicht zumuten, sich mit Vertreterinnen und Vertretern einer gesichert rechtsextremen Partei an den Tisch zu setzen".
Und es drohen weitere Maßnahmen: Mehrere Bundesländer und die Innenminister der deutschen Bundesländer wollen prüfen, ob Berufe im Staatsdienst - also Richter, Polizistinnen, Lehrer oder Soldatinnen - in Zukunft noch mit der Mitgliedschaft in der AfD vereinbar sind.
Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte, spätestens nach der Entscheidung des Verfassungsschutzes sei es für ihn unvorstellbar, "AfD-Abgeordnete zu Ausschussvorsitzenden zu wählen".
Auch innerhalb der AfD hat die neue Einstufung bereits Konsequenzen: Ein Bundestagsabgeordneter verlässt die Partei und die AfD-Bundestagsfraktion.
Rückschlag für die Partei
Für die AfD ist das Verfassungsschutzgutachten ein Rückschlag in ihrem Bemühen um politische Normalisierung nach der für sie erfolgreichen Bundestagswahl im Februar 2025. Dabei schaffte sie mit 20,8 Prozent der Wählerstimmen den Aufstieg zur zweitstärksten politischen Kraft in Deutschland.
Anlass für den politischen Gegenwind ist die verschärfte Einschätzung der "Alternative für Deutschland" durch den deutschen Inlandsgeheimdienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz. Es stuft die Partei seit dem 2. Mai 2025 nicht mehr nur als "rechtsextremen Beobachtungsfall" ein, sondern als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung".
Das begründet die Sicherheitsbehörde in einer Pressemitteilung: "Maßgeblich für unsere Bewertung ist das die AfD prägende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis, das ganze Bevölkerungsgruppen in Deutschland abwertet und in ihrer Menschenwürde verletzt.“
Die AfD hat wegen dieser Einschätzung vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz eingereicht. Die AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chruppalla und Alice Weidel nannten die Hochstufung der Partei als gesichert rechtsextrem "offensichtlich rechtswidrig". Die Behörde kriminalisiere Kritik an der deutschen Einwanderungspolitik. Nicht die AfD würde gegen die Verfassung verstoßen, sondern der deutsche Inlandsgeheimdienst, so die Parteivorsitzenden.
Für Kritik sorgt vor allem, dass der Inlandsgeheimdienst als Behörde dem Innenministerium untersteht und damit der Bundesregierung. AfD-Politiker beklagen, dass die Regierungsparteien mit Hilfe des Verfassungsschutzes die politische Opposition bekämpfen würden.
AfD immer wieder vor Gericht
Allerdings beruht das Gutachten der Sicherheitsbehörde maßgeblich auf Gerichtsurteilen der unabhängigen Justiz. Die belegen, wie radikal die AfD ist.
In einem wegweisenden Urteil des Oberverwaltungsgericht Münster vom 13. Mai 2024 heißt es, der Verdacht sei begründet, dass es Ziel der AfD sei, "deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen". Das Gericht führte umfangreiches Beweismaterial an und hielt die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz für gerechtfertigt.
Außerdem wurden zahlreiche Mandatsträger der AfD durch deutsche Gerichte verurteilt, unter ihnen der einflussreiche Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke. Er hatte mehrfach die Parole von Adolf Hitlers berüchtigter Schlägertruppe, der Sturmabteilung (SA), zum Abschluss seiner Wahlkampfveranstaltungen verwendet.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich bezeichnete sich in der Vergangenheit als "das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus". Die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin, Birgit Malsack-Winkemann, muss sich wegen mutmaßlicher Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und der mutmaßlichen Unterstützung eines Staatsstreichs vor Gericht verantworten.
Angesichts der Fülle der Belege für die extremistischen Bestrebungen der AfD wies das deutsche Außenministerium, das Auswärtige Amt (AA), die Vorwürfe von US-Außenminister Marco Rubio zurück. Der hatte auf der Plattform X die verschärfte Einschätzung der AfD durch den deutschen Verfassungsschutz als "verkappte Tyrannei" kritisiert. Das AA konterte, dass die Einschätzung der AfD das Resultat einer "wohlüberlegten und unabhängigen Untersuchung zum Schutz unserer Verfassung und des Rechtsstaates" sei.
Die Hochstufung der AfD zur gesichert rechtsextremistischen Partei hat die Debatte über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD befeuert. Politiker verschiedener politischer Parteien sowie zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen die Einleitung eines solchen Prüfverfahrens durch das höchste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht. Gleichzeitig gibt es aber auch in fast allen Parteien Skepsis und Zurückhaltung bezüglich solch einer Entscheidung.
Die Hürden für ein Parteienverbot gelten in Deutschland als extrem hoch. Eingeleitet werden kann ein Verbotsantrag gegen eine Partei nur durch den Bundestag, die Bundesregierung oder die Vertretung der Bundesländer, den Bundesrat. Im Verfahren vor dem Verfassungsgericht braucht es eine Mehrheit von zwei Drittel der höchsten deutschen Richter. Das letzte erfolgreiche Parteienverbot liegt bereits Jahrzehnte zurück. Die Politik hat keinen Einfluss auf die Entscheidung der Justiz, sie kann nur den Antrag stellen.
Unterstützt wird der Antrag auf ein Verbotsverfahren von zahlreichen Staatsrechtlern in Deutschland. In einer rechtswissenschaftlichen Stellungnahme von 17 Wissenschaftlern an den Deutschen Bundestag erklärten sie im November 2024: "Das Konzept der 'wehrhaften Demokratie' ist Reaktion auf die Erfahrungen aus der Weimarer Republik und den nationalsozialistischen Terror."
Der Staatsrechtler Franz Mayer von der Universität Bielefeld ist einer der Unterzeichner der Stellungnahme. Für ihn ist die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD geboten: "Es ist schlicht so, dass wir nach den historischen Erfahrungen mit dem Dritten Reich im Grundgesetz ganz absichtsvoll bestimmte Vorkehrungen getroffen haben", betont der Jura-Professor im DW-Interview. Er zitiert einen französischen Politiker: "Wie es der berühmte Satz von Saint-Just de Richelbourg ausdrückt: "Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!"
Der Jurist weiß, dass diese Forderung vor allem im Ausland freiheitsfeindlich wirkt. "Gerade in den USA habe ich immer wieder erlebt, wie dieser deutsche geschichtsgeprägte Ansatz erklärt werden muss." Aber er hält ihn für richtig angesichts der deutschen Erfahrung mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die den deutschen Rechtsstaat in kürzester Zeit zu einem massenmörderischen Terrorsystem umbaute.
Die Kritik der AfD am Verfassungsschutz teilt Mayer nicht. Die Behörde sei aus guten Gründen nicht als unabhängige Institution aufgestellt. Sie würde ansonsten nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegen.
In Bezug auf die aktuelle Einschätzung des deutschen Verfassungsschutzes zur AfD hält Mayer konkrete dienstrechtliche Konsequenzen gegen einzelne AfD-Mitglieder im Staatsdienst für unausweichlich: "Ich halte es für völlig undenkbar, dass man extremistische Richter im Amt belässt."