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Ausnahmezustand in Tiflis

8. November 2007

In Georgien herrscht gespannte Ruhe. Angesichts der Massenproteste in der Hauptstadt hatte Präsident Saakaschwili zuvor den Ausnahmezustand über Tiflis verhängt. Der Schritt sei eine Reaktion auf einen "Putschversuch".

Polizisten setzen vor dem Einsatz ihre Gasmasken auf, Quelle: AP
Polizisten setzen vor dem Einsatz ihre Gasmasken aufBild: AP

In der Kaukasusrepublik Georgien herrscht nach Verhängung des Notstandes durch Präsident Michail Saakaschwili eine angespannte Ruhe. Das Militär riegelte am Donnerstag (8.11.2007) das Parlamentsgebäude und alle umliegenden Straßen ab. Soldaten umstellten auch die Zugänge zu zentralen Plätzen, um Demonstranten an weiteren Protesten zu hindern. Vereinzelt kam es im Land zu Studentenprotesten, die aufgelöst wurden. Regierungskritische Kanäle wie auch die ausländischen Nachrichtensender CNN und BBC World Service wurden abgeschaltet.

Die Opposition will nach dem Auslaufen des Ausnahmezustands, der zunächst noch zwei Wochen gelten soll, erneut protestieren. Sie fordert den Rücktritt Saakaschwilis und vorgezogene Wahlen. "Unser Zorn ist ungebrochen. Wir machen auf jeden Fall weiter", sagte der Vorsitzende der Republikanischen Partei, Iwlian Chaindrawa. Wenn sich die Lage im Land stabilisiere, werde das Parlament das Notstandsdekret des Präsidenten nicht bestätigen, sagte der Vizepräsident des georgischen Parlaments, Michail Matschawariani. Das Gesetz sieht vor, dass das Parlament innerhalb von 48 Stunden den Ausnahmezustand bestätigen muss.

Polizisten vor ihrem Einsatz gegen die DemonstrantenBild: AP

Nach mehrtägigen Massendemonstrationen gegen seine Regierung hatte der Präsident am Mittwoch (07.11.2007) den Ausnahmezustand verhängt. Es habe einen Putschversuch gegeben, sagte Ministerpräsident Surab Nogaideli im Fernsehen zur Begründung. Mit dem Ausnahmezustand würden Demonstrationen vorübergehend verboten, außerdem Aufrufe zur Gewalt in den Medien und der gewaltsame Sturz der Regierung.

Regierungskritischer Sender geschlossen

Die Polizei ging am Mittwoch erstmals seit Beginn der Massenproteste mit Gummigeschossen und Tränengas gegen die Demonstranten in Tiflis vor. 109 Verletzte wurden laut offiziellen Angaben im Krankenhaus behandelt. Mit Gasmasken ausgerüstete Sondereinheiten stürmten in die von der Opposition organisierte Demonstration und schlugen auf die Teilnehmer ein.

Präsident Saakaschwili verteidigte das Vorgehen. Er warf in einer Fernsehansprache am Abend zugleich Russland vor, die Proteste in seinem Land zu schüren. "Russische Spezialeinheiten haben ihre Tätigkeit in Georgien verstärkt", sagte Saakaschwili. Russische Agenten stünden hinter den Protesten, sagte er.

Demonstranten vor dem ParlamentBild: AP

Moskau warf Saakaschwili eine "unverantwortliche Provokation" vor und drohte mit Vergeltung. Inmitten der gewalttätigen Zusammenstöße beorderte die georgische Regierung ihren Botschafter in Russland zu Konsultationen nach Tiflis zurück. Der russische Botschafter wurde ins georgische Außenministerium einbestellt.

EU mahnt zur Zurückhaltung

Die Nato hat die Verhängung des Ausnahmezustands scharf kritisiert. Dies widerspreche den "Euro-Atlantischen Werten", erklärte Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer in Brüssel. Er rief die Verantwortlichen zu einer friedlichen Lösung auf. Der von Georgien angestrebte Nato-Beitritt rückt damit in weite Ferne. Auch die EU-Kommission forderte "alle Seiten" zur "Zurückhaltung" auf. Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana schickte seinen Sonderbeauftragten für den Süd-Kaukasus, Peter Semneby, nach Tiflis.

Die Regierungsgegner unterstützen zwar den prowestlichen Kurs des Präsidenten, werfen ihm aber vor, die Prinzipien des Rechtsstaats zu missachten und ein autoritäres Regierungssystem anzustreben. "Ich möchte alle Länder und Freunde von Georgien bis hin zu den Vereinigten Staaten aufrufen: Bringt dieser Regierung bitte bei, was Demokratie ist", sagte Saakaschwilis ehemalige Außenministerin Salome Zurabishvili, die sich der Opposition angeschlossen hat.

Korruptions- und Mordkomplottvorwürfe

Michail SaakaschwiliBild: AP

Die Oppositionsbewegung gewann im September weiteren Zulauf, als der ehemalige Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili inhaftiert wurde. Er kam erst wieder frei, nachdem er seine Korruptions- und Mordkomplottvorwürfe gegen Saakaschwili zurückgezogen hatte. Am Dienstag erklärte Okruaschwili in einem Fernsehinterview, er habe die Vorwürfe nur unter Zwang zurückgezogen. (tos)

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