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Chemikalie PFAS - gefährlich und nicht abbaubar

Tim Schauenberg
7. Juli 2025

Gefährliche Chemikalien verseuchen weltweit Trinkwasser, Böden und Lebensmittel. Menschen und Tiere erkranken und sterben häufig an Krebs. Wer ist für die Kontaminierung durch diese "Ewigkeitschemikalien" verantwortlich?

Reagenzgläser in einem Labor in Antwerpen
Labor-Untersuchungen von PFAS-Abfällen in Antwerpen - wer ist für die Kontaminierung verantwortlich? Bild: David Pintens/Belga/dpa/picture alliance

Verschlafen liegt die Kleinstadt Trissino am Fuße der italienischen Alpen, umringt von satten Feldern und grünen Hügeln, am Stadtrand ein Gewerbegebiet mit kleineren Industrieanlagen. Nichts deutet darauf hin, dass von hier aus gigantische Mengen Trinkwasser und große Teile der Böden der gesamten Region mit extrem giftigen Chemikalien verseucht wurden. Zu dem Urteil kam kürzlich ein Gericht in Rom.

Hunderte von Zivilklägern schlossen sich dem Prozess an, darunter die Umweltorganisation Greenpeace und zahlreiche Mütter, nachdem sie entdeckt hatten, dass ihre Familien sogenannte "Ewigkeitschemikalien" im Blut hatten. Nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen könnten etwa 350.000 Menschen in der norditalienischen Region Veneto betroffen sein.

Elf Manager einer Chemiefabrik wurden deshalb zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Die Verurteilten arbeiteten unter anderem für den japanischen Mitsubishi-Konzern, sowie für Chemical Investors aus Luxemburg.

PFAS können bei den meisten Menschen im Blut nachgewiesen werdenBild: Cem Adam Springer

Was sind Ewigkeitschemikalien?

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS, sind extrem beständige Chemikalien, die nicht abgebaut werden können. Gelangen sie einmal in die Umwelt, bleiben sie dort "ewig" bestehen. Daher werden sie auch als Ewigkeitschemikalien bezeichnet.

Die Wissenschaft konnte einen Zusammenhang von PFAS mit Leber- und Nierenschäden, einem erhöhten Cholesterinspiegel, Krankheiten an den Lymphknoten sowie einer geringeren Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen herstellen. Außerdem führt es laut dem deutschen Umweltbundesamt bei Neugeborenen zu Untergewicht, kann die Wirksamkeit von Impfungen verringern und in hohen Konzentrationen Krebs verursachen.

Die Chemikalien gelten als weltweites Problem und lassen sich fast überall nachweisen. Wissenschaftler der Harvard-Universität stellten 2018 fest, dass 98 Prozent der US-Bürger PFAS im Blut haben. Studien an Muttermilch in Ländern wie Indien, Indonesien und den Philippinen konnten die Substanzen in fast allen Proben nachweisen. Auch in Deutschland hat jedes Kind die ewigen Chemikalien im Körper; ein Fünftel davon überschreitet kritische Werte.

PFAS sind wasser-, schmutz und fettabweisend, ideal für die Eigenschaften, die Ventile der Atombombe brauchenBild: Ales Utouka/IMAGO

Von der Atombombe auf den Teller

PFAS wurden 1938 vom amerikanischen Chemiegiganten DuPont entdeckt. Wegen der besonderen Eigenschaften, Metall auch bei hohen Temperaturen vor Korrosion zu schützen, fanden die Chemikalien ihre erste Anwendung bei der Entwicklung der Atombombe.

Später erhielt der Stoff unter dem Markennamen "Teflon" in Form von beschichteten Pfannen Einzug in Haushalte weltweit. Damit begann der kommerzielle Aufstieg der Chemikalien, die sich für viele Produkte als nützlich erwiesen. Mit ihrer einzigartigen Widerstandsfähigkeit gegen Hitze, Wasser und Schmutz werden sie in einer Vielzahl von Konsum- und Industrieprodukten eingesetzt. Diese Chemikalien sind in allen möglichen Produkten zu finden: von wasserdichter Outdoor-Kleidung, Make-up und schmutzabweisenden Teppichen bis hin zu medizinischen Geräten, Halbleitern und Windkraftanlagen.

Die Chemikalien, die hauptsächlich über Trinkwasser und Lebensmittel aufgenommen werden, reichern sich im Laufe der Zeit im Körper an. Sie können außer in Muttermilch und im Blut auch in Haaren nachgewiesen werden.

Chemieriese DuPont wusste seit Jahrzehnten von der Gefahr für die Mitarbeiter und die Anwohner in Parkersburg

Jahrzehntelange Verschleierung der Gefahr

1998 bekommt die Antihaftbeschichtung "Teflon" einen deutlichen Kratzer, als hundert Kühe eines Viehzüchters nahe einer Produktionsstätte in Parkersburg im amerikanischen West Virginia plötzlich verendeten.

Später kommt heraus, dass Tausende Menschen in der Region durch das PFAS-haltige Abwasser der DuPont-Fabrik und eine leckende Müllkippe der Fabrik verseucht wurden. Dokumente belegen, dass DuPont im Gegensatz zu staatlichen Behörden schon seit Jahrzehnten von der Gefahr wusste, den Stoff aber weiter in die Umwelt ableitete. Studien legen nahe, dass ein hoher PFOA-Gehalt (eine spezielle PFAS-Substanz) in der Region mit Fällen von Nieren- und Hodenkrebs zusammenhängt.

2017 hat DuPont und der inzwischen abgespaltene Konzern Chemours zugestimmt, 3550 Betroffenen insgesamt 671 Millionen U-Dollar Schadenersatz zu zahlen.

Eine Fabrik des Chemiehersteller Dupont in den Niederlanden. Auch dort wird der Konzern verklagt.Bild: Hans Lucas/imago images

Risiko für Millionen Menschen - Europa plant den Ausstieg

Noch immer werden PFAS in die Umwelt geleitet. Die US-amerikanische Umweltorganisation EWG hat unter anderem auf Grundlage von Messungen des US-Bundesumweltamtes berechnet, dass in den USA fast 10.000 Orte mit den Stoffen belastet sind. Es wird geschätzt, dass allein in den USA etwa 160 Millionen Menschen betroffen sein könnten.

In Europa sind bisher 23.000 mit PFAS belastete Orte bekannt. 2300 davon sind laut der Europäischen Umweltagentur so stark verseucht, dass ein Gesundheitsrisiko besteht.

Im französischen Elsass warnen die Behörden derzeit davor, Leitungswasser zu trinken. Bei Kontrollen stellte man erhöhte Werte von 20 Ewigkeitschemikalien fest.

In Dalton, Georgia, in den Vereinigten Staaten, wird derzeit gegen einen Teppichhersteller und erneut gegen Chemours sowie den Chemiekonzern 3M geklagt. Auch dort befürchten Anwohner, durch PFAS-Kontaminierungen erkrankt zu sein.

Unter dem ehemaligen US-Präsidenten Joe Biden wurden erstmal rechtlich bindende Grenzwerte für sechs PFAS-Chemikalien im Trinkwasser beschlossen. Die Trump-Administration hat vier davon wieder rückgängig gemacht.

2023 hat der 3M-Konzern zugestimmt, rund 10 Milliarden US-Dollar an lokale Wasseranbieter zu zahlen, um Klagen wegen PFAS-Verschmutzung und solche, die in Zukunft noch auftreten könnten, beizulegen. 3M ist auch in den Niederlanden tätig, wo ebenfalls gegen den Konzern wegen Kontaminierung geklagt wurde.

Die Europäische Union hat kürzlich eine Gesetzgebung verabschiedet, die den Einsatz der Stoffe verringern soll. Langfristig sollen die Mitgliedstaaten ganz auf PFAS verzichten. Ausnahmen sollen für Produkte gelten, für deren Verwendung PFAS "essenziell für die Gesellschaft seien". Dazu könnte beispielsweise medizinisches Material zählen, wie etwa Stents zu Öffnung und verschlossener Blutgefäße oder künstliche Gelenke.

Redaktion: Tamsin Walker, Sarah Steffen

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