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Brücken über das Schisma

Christoph Strack26. November 2014

Im Rahmen seiner Türkei-Reise trifft Papst Franziskus erneut Patriarch Bartholomaios. Nach Jahren der Stagnation scheinen beide den katholisch-orthodoxen Dialog neu beleben zu wollen.

Papst Franziskus Treffen Bartholomäus I. griechisch-orthodoxer ökumenischer Patriarch
Bild: AP Photo/Osservatore Romano

Der Dialog von West- und Ostchristen nimmt wieder Fahrt auf. Zum wiederholten Mal in diesem Jahr begegnen sich Papst Franziskus und der ökumenische Patriarch Bartholomaios, die Spitzen von Rom und Konstantinopel. 1054 trennten sich die beiden Kirchen im Streit. So häufig wie in diesem Jahr haben sich römisch-katholischer Potifex und griechisch-orthodoxer Patriarch seither nie getroffen.

Das am Wochenende zum wichtigen orthodoxen Andreasfest anstehende Wiedersehen der beiden in Istanbul ist der eigentliche kirchliche Anlass für die Türkeireise des katholischen Kirchenoberhaupts. Sicher, politisch sind angesichts von Gewalt und Terror in Syrien und dem Irak die Gespräche in Ankara von Bedeutung. Und in Istanbul werden viele Beobachter auf den Besuch von Franziskus in der Hagia Sophia und seine Worte an die Adresse der Muslime achten. Aber die Wiederannäherung von Ost- und Westchristen ist ein regelrechtes Jahrhundertprojekt, das vor gut 50 Jahren seinen Anfang nahm. Keine Frage: Es wird noch Zeit brauchen und kaum im Pontifikat von Franziskus zu einem konkreten Abschluss kommen.

Formell getrennt sind die sogenannten Lateiner und die Orthodoxen seit dem Jahr 1054. Damals setzte das "Morgenländische Schisma" einen Schlusspunkt unter nach Jahrhunderten wiederkehrenden Streits. West- und Ostchristen leben eine unterschiedliche Frömmigkeit, in unterschiedlichen Kulturen, in unterschiedlichen, oft gegensätzlichen politischen Systemen. Da schlagen 1000 Jahre der Entfremdung zu Buche.

Papst Franziskus setzt auf Dialog mit der OrthodoxieBild: Getty Images/AFP

Widerstände

Sensationell war es deshalb, als Papst Paul VI. im Dezember 1963, in Zeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), seine baldige Reise nach Jerusalem zu einem Treffen mit dem Ehrenoberhaupt der Ostchristen ankündigte. Die erste Auslandsreise eines Papstes in der Neuzeit zielte ganz bewusst in Richtung der Orthodoxie. Ein Treffen, unterlegt mit kirchenpolitischer Dramatik: "Auf beiden Seiten gab es Widerstände, sodass bis kurz vor dem Treffen nicht völlig sicher feststand, ob es wirklich stattfinden würde", schreibt Matthias Kopp rückblickend auf die Begegnung in seinem Buch "Franziskus im Heiligen Land".

Besuche statt Exkommunikation

Das Treffen von Paul VI. mit Athenagoras im Januar 1964 hatte eine sehr konkrete Folge. Ende 1965 strichen beide Seiten die gegenseitige Exkommunikation zwischen den Patriarchen von Konstantinopel und Rom. Seitdem gibt es einen katholisch-orthodoxen Dialog, der seit 20 Jahren jedoch zunehmend zäher wird. Immerhin besuchten immer wieder offizielle Delegationen einander, meist zu den Festen der Apostel Petrus (Rom) am 29. Juni und Andreas (Konstantinopel) am 30. November.

Weder unter Johannes Paul II. (1978-2005) noch unter Benedikt XVI. (2005-2013) gelang der vatikanischen Kirchendiplomatie eine erneute Begegnung mit dem orthodoxen Gegenüber des Papstes aus Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. Erst unter Franziskus kam es wieder dazu. Bei der Pilgerfahrt des Papstes im Mai dieses Jahres gab es gleich mehrere gemeinsame Termine an unterschiedlichen Orten in Jerusalem, auch mit einer bewegenden ökumenischen Gebetsfeier in der Jerusalemer Grabeskirche. Zum Gelingen dieses Treffens hatten beide beigetragen.

Bereits nach der Wahl von Franziskus im März 2013 war Bartholomaios als erster Patriarch der Ostkirche überhaupt zu einer Amtseinführung eines Papstes gereist. Vielleicht hatte ihn beeindruckt, wie betont sich der neue Mann im Vatikan - gewiss weit weniger vom Denken europäischer Dogmengeschichte geprägt als seine Vorgänger - bei seinem ersten Auftritt auf der Loggia des Petersdoms als "Bischof von Rom", nicht als Papst vorgestellt hatte. Dass Bartholomaios dann knapp zwei Wochen später, als sich Franziskus mit den Präsidenten Schimon Peres und Mahmud Abbas zu Gebeten um Frieden in den Vatikanischen Gärten traf, bereits wieder dabei war, fiel fast niemandem mehr auf.

Franziskus und Bartolomaios im Rahmen der Amtseinführung des neuen Papstes 2013 im VatikanBild: Reuters

Nun also Istanbul, Konstantinopel, diese kirchlich historisch so beladene Stadt. Bartholomaios (74) spricht vor dem Treffen von "persönlicher Freundschaft", die ihn mit Franziskus (77) verbinde. Ihr erneuter Austausch werde die Beziehungen der beiden Kirchen weiter positiv beeinflussen. Und der wichtigste Repräsentant des Patriarchen in Mitteleuropa sieht durchaus neue Perspektiven für die gesamte Ökumene. Jede dieser Begegnungen von Franziskus und Bartholomaios sei von großer Bedeutung. "Denn das Ökumenische Patriarchat hat häufig in der Geschichte der ökumenischen Bewegung schon eine Vorreiterrolle gespielt", so der Metropolit in Deutschland, Augoustinos, in einem Interview der Deutschen Welle. Ob es zu einer solchen Bewegung kommt, wird aber frühestens bei einer Panorthodoxe Synode erkennbar, die für 2016 geplant ist und die unter anderem das Gespräch der Orthodoxen mit den Katholiken zusammenführen soll.

Politische Dimension

Sage nun niemand, dass es bei diesem Thema nur um Folklore ohne politische Relevanz gehe. Gerade für Europa hätte ein intensiverer Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen Bedeutung. Und die politischen Konfliktlinien auf dem Balkan sind gelegentlich immer noch Auseinandersetzungen entlang alter Konfessionsgrenzen. Die jüngste Entfremdung zwischen Moskau und Westeuropa und die Entwicklung in der Ukraine erinnern an frühere, eben auch religiös begründete Konfliktlinien.

Patriarch Bartholomäus I.Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Seit der politischen Wende in Osteuropa hat das Erstarken von katholisch-unierten Kirchen in verschiedenen osteuropäischen Ländern das Fachgespräch zusehends erschwert. Erst Benedikt XVI. spürte die Verletzungen auf orthodoxer Seite und bemühte sich um Verständigung. Franziskus knüpft daran an. Bestehende Hemmnisse bleiben Anti-Ökumenismus, ein immer noch anzutreffendes ahistorisches Denken auf orthodoxer Seite und Nationalismus. Um so wichtiger ist heute der Dialog von West- und Ostchristen.

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