Mehr Gewalt gegen Frauen
23. September 2010Gewalt gegen Frauen stellt in Kroatien ein ernstzunehmendes Problem dar: 18.591-mal musste die Polizei 2009 eingreifen, weil es zu häuslicher Gewalt gegen ein Familienmitglied kam, teilte das Innenministerium am 22. September mit, dem nationalen Tag des Kampfes gegen Gewalt an Frauen. Damit erhöhte sich die Zahl der Einsätze der Polizei um 12,2 Prozent im Vergleich zu 2008.
Kritik an staatlichen Stellen
Auch die Zahl von Gewaltverbrechen gegen Frauen steigt in Kroatien an: Im vergangenen Jahr wurden 28 Tötungsdelikte und zwölf Mordversuche registriert. Bis Juni dieses Jahres wurden bereits 20 Frauen ermordet. Das Autonome Frauenhaus in Zagreb hat nun auf diese alarmierenden Zahlen reagiert und Gesetzesänderungen gefordert. Häusliche Gewalt soll beispielsweise künftig als Straftat geahndet werden. Und nicht mehr wie bisher als eine Ordnungswidrigkeit, was nach Einschätzung der Frauenaktivistinnen keine ausreichende Strafe für körperliche Gewalt sei.
Nicht nur die Bestrafung der Täter, auch der Schutz der Opfer beschäftigt die Leiterin des Rechtsteams der unabhängigen Frauenrechtsorganisation "B.a.b.e.", Ljubica Matijevic Vrsaljko. Zurzeit gebe es keine wirksamen Maßnahmen zum Schutz der Frauen, sagt sie. Matijevic Vrsaljko kritisiert die Trägheit und die mangelhafte Zusammenarbeit unter den zuständigen Stellen. "Die Aufnahmezentren und die Gerichte arbeiten nicht nach 16.00 Uhr. Als das Gesetz verabschiedet wurde, hieß es, dass die für Familien zuständigen Stellen, der Sozialdienst, das Familiengericht, einen 24-Stunden-Bereitsschaftsdienst hätten. Daraus ist nichts geworden", beklagt sie.
Schockierende Umfrageergebnisse
Frauenverbände sehen ein weiteres Problem darin, dass die Jugendlichen heute Gewalt in einer Beziehung als normal betrachten. Rund 40 Prozent der jungen Frauen in Kroatien meinen, dass es ganz normal sei, wenn ihr Freund sie ohrfeige, weil sie beispielsweise einen anderen Mann angesehen hätten. Sie halten gewalttätiges Verhalten und ausgeprägte Verhaltenskontrolle für Liebesbeweise, sagt eine Umfrage des unabhängigen Frauenrechtsverbandes CESI, bei der im Mai und Juni dieses Jahres 700 Schüler der 11. Klassen befragt wurden. 65 Prozent der Schüler haben bereits eine Form der Gewalt bei ihren ersten romantischen Liebesbeziehungen erlebt. 50 Prozent geben zu, gegenüber ihrem Partner gewalttätig gewesen zu sein.
Die Täter bei häuslicher Gewalt sind zu 75 Prozent Männer, zeigen die Ergebnisse der CESI-Umfrage. Handelt es sich um häusliche Übergriffe von Frauen, dann fallen darunter oft Mord, Totschlag oder schwere Körperverletzung. Die Täterinnen waren in diesen Fällen häufig selbst langjährige Opfer. Der Frauenrechtsverband CESI sagt, dass die kroatische Gesellschaft Frauen gegenüber überwiegend traditionell eingestellt sei. Er bemängelt zudem, dass es an den Schulen keine Programme gibt, die den Schülern Alternativen zu Gewalt aufzeigen und sie in einem demokratischen Sinne erziehen.
Besserung zugesagt
Die Politiker scheinen sich dieses Problems bewusst zu sein: Die Vorsitzende des kroatischen Parlamentsausschusses für Gleichstellung, Gordana Sobol, räumt zum Jahrestag ein, dass sich die Gesetzesregelungen als unzureichend erwiesen hätten, um häusliche Gewalt ernsthaft zu bekämpfen. Stjepan Adanic, Staatssekretär im Familienministerium, wies im Anschluss an Solbol darauf hin, dass das Ministerium dieses Jahr zehn Frauenhäuser finanzieren werde. Außerdem gebe es eine neue nationale Strategie, die für den Zeitraum zwischen 2011 und 2016 ausgearbeitet wurde. Darin sei ein rigoroses Vorgehen gegen solche Probleme vorgesehen.
Der 22. September ist seit 2004 in Kroatien der nationale Tag des Kampfes gegen Gewalt an Frauen. Das kroatische Parlament wählte dieses Datum im Gedenken an die Ermordung dreier Frauen: Eine Richterin, eine Anwältin und ihre Mandantin waren beim Scheidungstermin am 22. September 1999 vom Ehemann der Mandantin ermordet wurden.
Autorinnen: Gordana Simonovic / Mirjana Dikic
Redaktion: Julia Kuckelkorn