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PolitikAfrika

Gewalt im Ostkongo zwingt mehr Menschen zur Flucht

Martina Schwikowski
12. Mai 2021

Die Banyamulenge am Kivu-See sind seit Jahren Angriffen verfeindeter Milizen ausgesetzt. Erst jüngst hatte die Regierung einen Dialog initiiert, doch nun scheint der Konflikt wieder aufzubrechen.

Symbolbild Weltbevölkerungsbericht Frauen
Binnenflüchtlinge in einem Flüchtlingscamp in Süd-KivuBild: Alexis Huguet/AFP/Getty Images

Das bedrückende Gefühl der Angst begleitet Chris Nkunda auch noch ein Jahrzehnt nach seiner Ausreise in die Niederlande. Er sorgt sich um seine Landsleute in Süd-Kivu, einer Region im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Seine Landsleute, das sind die Banyamulenge, die seit mehr als hundert Jahren am Kivusee siedeln – doch bis heute seien sie dort nicht willkommen und lebten in ständiger Gefahr, sagt Nkunda. Er prangert an: "Sie werden systematisch vernichtet, weil sie anders aussehen." 

Schon lange schwelen in der Region Konflikte zwischen den Milizen unterschiedlicher Volksgruppen, nun scheint die Gewalt wieder zu eskalieren. Etwa 3.000 Menschen, mehrheitlich Angehörige der Banyamulenge, sollen laut traditionellen Gemeindeführern in den vergangenen Wochen aus Uvira in die Gegend von Bwegera geflüchtet sein. Dort haben die friedenssichernden Truppen der Vereinten Nationen eine temporäre Basis eröffnet. Der Sprecher der UN-Mission für die Stabilisierung der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO) bestätigt: Tatsächlich seien Ende April dort Binnenvertriebene angekommen, deren Häuser niedergebrannt worden seien.

Ein MONUSCO-Helikopter landet in der Provinz Süd-KivuBild: Alexis Huguet/AFP/Getty Images

"Wir versuchen, schnell auf die Bedrohung der Dörfer in dieser Region zu reagieren", so MONUSCO-Sprecher Mathias Gillmann im DW-Interview. "Aber wir möchten betonen, dass wir zusätzlich zu den militärischen Bemühungen auch Versöhnung und Dialog in den Gemeinden brauchen. Sie werden diejenigen sein, die eine Lösung für die Gewalt finden müssen."

Dialog gescheitert?

Erst Ende März hatte es in der Hauptstadt Kinshasa einen solchen Dialog gegeben – organisiert von der Regierung. Beteiligt waren Vertreter mehrerer Gruppen aus Süd-Kivu, darunter neben den Banyamulenge die Babembe, Bafuliru, Babuyi, Barundi, Banyindu und Bavira; auch Vertreter von Milizen, Religionsführer, Politiker und Friedensaktivisten waren dabei. "Es gibt eine riesige Lücke zwischen dem Eingehen von Verpflichtungen und deren Umsetzung", mahnte Innenminister Gilbert Kankonde Malamba bei dem Treffen.

Was in den Hügeln um den Ort Uvira passiere, sei komplex, sagt Floribert Kazingufu, Mitarbeiter der Fondation Chirezi (FOCHI), einer lokalen Friedensorganisation in Süd-Kivu. "Die Morde geschehen auf beiden Seiten und werden von den Milizen all dieser Gemeinschaften verursacht: Die Koalition der Mai-Mai auf der Seite der Einheimischen und die Gumino auf der Seite der Banyamulenge."

Kämpfer der Mai-Mai Milizen im OstkongoBild: Dai Kurokawa/dpa/picture alliance

Die jüngsten Zusammenstöße im April zeigten eine Überlegenheit der Koalition der Mai-Mai, die sich in Abgrenzung zu den Banyamulenge als indigene Kongolesen sähen. "Diese Milizen wollen, dass die Banyamulenge ihr Land verlassen und nach Ruanda zurückkehren", sagt Kazingufu. Chris Nkunda, der von Europa aus Kontakt zu seinen Landsleuten in Süd-Kivu hält, bestätigt: "Die bewaffneten Milizen sehen die Banyamulenge nicht als Kongolesen, sondern als Ausländer. Sie glauben, sie seien Tutsi aus Ruanda, aber das stimmt so nicht. Banyamulenge lebten schon im Kongo vor der Berlin-Konferenz 1884/85", so Nkunda im DW-Interview.

Grundproblem: Zugang zu Land

Tatsächlich seien die Banyamulenge schon etwa um 1860 in ihr heutiges Siedlungsgebiet am Kivusee eingewandert, sagt Ben Shepherd, Analyst und Experte für die Region der Großen Seen bei Chatham House im DW-Interview. Doch bis heute werde ihre Identität mit der der Tutsi im benachbarten Ruanda vermengt.

Letztlich gehe es bei dem Konflikt um strukturelle Probleme, um Zugang zu Land: Die Banyamulenge seien Viehhalter und ihre Territorien seien im Laufe der Geschichte nicht eindeutig festgeschrieben worden, sagt Shepherd. Ähnliche Konflikte gebe es an vielen Orten im Kongo.

Floribert Kazingufu fordert, dass sich die Regierung in der Region stärker einbringen müsse. Wichtig sei vor allen Dingen, dass der Dialog nicht abreiße. Seine Organisation Chirezi fördere deshalb lokale Lösungen von "unten nach oben", wie er sagt: "Indem wir kommunale Friedenstribunale in Dörfern schaffen, die die verfeindeten Parteien an einen Tisch bringen."

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