Gewalt in Suwaida: Syrien droht neue Eskalation
18. Juli 2025
Nach tagelangen, blutigen Kämpfen mit mehr als 500 Toten und Berichten über gezielte Exekutionen wächst die Anspannung in der syrischen Provinz Suwaida erneut. Wie Augenzeugen und Sicherheitsquellen berichten, bereiten sich syrische Regierungstruppen angeblich darauf vor, erneut in die gleichnamige Provinzhauptstadt einzurücken, um die eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen den lokalen Konfliktparteien einzudämmen.
Ein Sprecher der Übergangsregierung in Damaskus dementierte, dass sich die Truppen bereits in Bewegung gesetzt hätten. Die Truppen seien lediglich in "normaler Bereitschaft". Laut offiziellen Angaben finden weiterhin Kämpfe zwischen drusischen Milizen und sunnitischen Beduinen statt. Die Regierung macht die Drusen für die Eskalation verantwortlich.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien, die sich auf ein Informantennetz vor Ort stützt, erhebt schwere Vorwürfe gegen Regierungstruppen: Mindestens 83 drusische Zivilisten sollen in den letzten Tagen hingerichtet worden sein. Gleichzeitig beschuldigt die Beobachtungsstelle drusische Milizen, drei Beduinen - darunter eine Frau und ein Kind - exekutiert zu haben. Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa sprach von "gesetzlosen Banden", die für diese Taten verantwortlich seien.
Die Lage in Suwaida ist verheerend: Laut Beobachtungsstelle sind Strom- und Wasserversorgung zusammengebrochen, auch Nahrungsmittel sind knapp. Als Reaktion auf die humanitäre Notlage kündigte das Nachbarland Israel Hilfe in Höhe von zwei Millionen Schekeln (rund 500.000 Euro) an. Die Unterstützung soll vor allem aus Lebensmitteln und medizinischem Material bestehen. Außenminister Gideon Saar betonte, man wolle die notleidende Bevölkerung schnell versorgen.
Waffenruhe unter internationalem Druck
Unter Vermittlung der USA, der Türkei und arabischer Staaten wurde zuletzt eine Waffenruhe ausgehandelt. Die Regierungstruppen zogen sich am Donnerstag aus Suwaida zurück, woraufhin drusische Milizen die Kontrolle übernahmen. Viele beduinische Einwohner flohen aus der Stadt. Ein Kommandeur der Beduinen sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag, die Beduinen fühlten sich an die Feuerpause nicht gebunden, denn diese gelte nur für die syrische Armee.
Geistliche und Stammesführer warnten die Regierung vor einem erneuten Eingreifen. Hikmat al-Hidschri, geistliches Oberhaupt der Drusen in Syrien, sprach sich klar gegen die Rückkehr der Regierungstruppen nach Suwaida aus. Auch Vertreter arabischer Stammesmilizen kündigten Widerstand an und erklärten, Zehntausende Kämpfer mobilisiert zu haben.
Ein alter Konflikt in neuer Eskalation
Suwaida, mit knapp 400.000 Einwohnern überwiegend von Drusen bewohnt, genoss während des syrischen Bürgerkriegs weitgehende Autonomie. Die Drusen, eine eigenständige religiöse Gemeinschaft mit Wurzeln im schiitischen Islam, leben vor allem in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien. Viele von ihnen stehen der sunnitisch dominierten Übergangsregierung in Damaskus kritisch gegenüber.
In Israel nehmen die Drusen eine Sonderstellung ein, weil sie anders als muslimische und christliche Araber Militärdienst leisten und eine wichtige Rolle in der Armee spielen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Schutz der "drusischen Brüder" in Syrien als rote Linie ausgegeben.
Inmitten der Kämpfe im Süden Syriens griff die israelische Armee daher nach eigenen Angaben das militärische Hauptquartier in Damaskus an. Syriens Übergangspräsident al-Scharaa warf Israel vor, sein Land in einen Krieg hineinziehen zu wollen.
Die sunnitischen Beduinen, traditionell als Hirten und Viehzüchter tätig, stehen seit Jahrzehnten in teils erbittertem Konflikt mit der drusischen Bevölkerung.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, forderte ein sofortiges Ende der Gewalt. "Der Schutz sämtlicher Bewohner muss oberste Priorität haben", erklärte Türk. Zudem rief er die syrische Führung auf, die Tötungen in Suwaida aufzuklären und Gerechtigkeit zu schaffen.
Auch die UN-Flüchtlingshilfe (UNHCR) äußerte sich besorgt. Derzeit sei es kaum möglich, humanitäre Hilfe in die Stadt zu bringen, so ein Sprecher in Genf.
pgr/jj (dpa, rtr)
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